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AVWG: Schnellschuss mit Verzögerungseffekt
Der Leiter des Referats für Arzneimittelversorgung im Bundesgesundheitsministerium, Ulrich Dietz, ließ die Inhalte des Gesetzes noch einmal Revue passieren (siehe Kasten). Dr. Hans Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, zeigte sich skeptisch, dass das Gesetz die jährlich anvisierten 1,3 Mrd. Euro Einsparungen wirklich bringen wird. Für 2007 hat er eine neue Nettobelastung in Höhe von 4,9 Mrd. Euro ausgerechnet, ausgelöst nicht zuletzt durch die Anhebung der Mehrwertsteuer. Gerade für das kommende Jahr sieht Ahrens daher einen dringenden Handlungsbedarf für weitere kurzfristige Maßnahmen.
Bonus-Malus greift erst in 2007
Einige Maßnahmen des Gesetzes werden ohnehin nicht direkt Geltung erlangen. So ist die Zertifizierung der Praxis-Software der Ärzte durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die ein stärkeres Controlling des Verschreibungsverhaltens herbeiführen soll, erst ab 2007 verbindlich.
Gleiches gilt für die Bonus-Malus-Regelung. Erst bis Ende September diesen Jahres sollen bundesweit einheitlich die für die Implementierung notwendigen Durchschnittskosten je definierter Dosiereinheit (DDD-Kosten) für Gruppen von Arzneimitteln in verordnungsstarken Anwendungsgebieten festzulegen sein. Sie sollen dann ab 2007 gelten. Bei Überschreitung sieht das Gesetz je nach Höhe eine Ausgleichsverpflichtung gegenüber den Kassen in Höhe von 20, 30 oder 50% der Überschreitung vor. Die Bonus-Malus-Regelung könnte außerdem zu einer praktisch wenig bedeutsamen Auffangregelung werden, denn es besteht die Möglichkeit, diese durch regionale Arzneimittelvereinbarungen abzulösen.
Unter Verweis auf das bereits vorhandene Instrument der Richtgrößen mit entsprechenden Regressmöglichkeiten dämpfte der KBV-Vorstand Dr. Ulrich Weigeldt denn auch etwaigen Optimismus in Bezug auf die Wirksamkeit der Bonus-Malus-Regelung. Er sieht die vorhandenen Instrumente grundsätzlich als ausreichend an.
Mehr Arzneimittel über dem Festbetrag?
Besonders einschneidend für die Industrie sind das zweijährige Preismoratorium, der Generikaabschlag und die Verschärfung der Festbetragsregelungen.
Die Festbetragsanpassung zum 1. April 2006 erfolgte noch nach altem Recht. Mit dem AVWG wird es eine weitere Absenkung von im Schnitt knapp 4% geben. Erich Dambacher, Frankfurt, rechnet damit, dass die Zahl der Präparate über dem Festbetrag ab dem 1. Juli 2006 weiter zunehmen wird. Schon durch die letzte Anpassung im April hat sich das Volumen auf etwa 1100 Handelsformen verdoppelt. Auch Ahrens' Befürchtungen gehen in diese Richtung. Seiner Einschätzung nach könnten möglicherweise nur noch 45% aller Verordnungen tatsächlich zum Festbetrag erhältlich sein.
Kommt ein neues Zuzahlungs-Chaos?
Damit die Versicherten bei Festbetragsüberschreitungen trotzdem nicht zuzahlen müssen, können die Pharmaunternehmen mit den Kassen Rabattverträge in Höhe der Überschreitung abschließen. In welchem Umfang die Arzneimittelindustrie hierbei allerdings mitmachen wird, ist aus Sicht der Experten ungewiss. So besteht die bei der Veranstaltung geäußerte Sorge von ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf sicher nicht zu unrecht, dass diese Regelung die Apotheken erneut mit einem großen verwaltungstechnischen Aufwand belasten könnte. Schließlich ist für den abgebenden Apotheker vor Ort derzeit nicht transparent, ob ein solcher Vertrag besteht oder nicht, das heißt konkret, ob der Patient zuzahlen muss oder nicht. "Das Nähere" hierzu soll mit den Kassen erst noch vertraglich geregelt werden.
Auch bezüglich der vertraglichen Vereinbarung der Modalitäten für die Übermittlung der Daten, die die Apotheken-Rechenzentren den KV-Prüfausschüssen für die Bonus-Malus-Regelung übermitteln müssen, stehen die Beteiligten laut Wolfs Auskunft noch ganz am Anfang. So hält der ABDA-Präsident die Zeitplanung für die technische Umsetzung des Gesetzes insgesamt auch für kaum realistisch.
- Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern sind möglich, auch über die Differenz zum Festbetrag.
- Diverse Neuregelungen zu den Festbetragsregelungen (u. a. grundsätzlich unteres Preisdrittel, neue Legaldefinition echter Innovationen)
- Manipulationsfreie, zertifizierte Praxissoftware
- Bonus-Malus-Regelung für Ärzte
- Fortführung stationärer Arzneimitteltherapie
- zweijähriges Preismoratorium (Kassenabschlag in Höhe etwaiger Preiserhöhungen des Herstellerabgabepreises)
- 10%iger Kassenabschlag für Generika und Alt-Originale (Ausnahme: Apothekeneinkaufspreis des Präparats liegt 30% unter Festbetrag)
- Zuzahlungsbefreiung bei Generika, die um 30% unter dem Festbetrag liegen, möglich
- Verbot von Naturalrabatten für verschreibungspflichtige und apothekenpflichtige OTC-Arzneimittel
(Zu den Regelungen, von denen die Apotheken unmittelbar betroffen sind, siehe auch den Artikel von Hilko J. Meyer in DAZ Nr. 8/2006, S. 72 – 80)
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