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Arzneiporträt
C. BruhnWeidenrindenextrakt als Option bei Arthrose
Die Behandlung einer Arthrose sollte individuell und stadiengerecht erfolgen. Sie umfasst neben der Pharmakotherapie und operativen Verfahren zahlreiche nicht-medikamentöse Maßnahmen wie beispielsweise Patientenaufklärung und Anpassung der Lebensweise, Krankengymnastik und physikalische Therapien. Ziele der Behandlung sind Schmerz–reduktion, die Verbesserung der Beweglichkeit und, wenn möglich, eine Verzögerung des Fortschreitens der Erkrankung. Dies gelingt am besten zu Beginn einer sich entwickelnden Arthrose, weshalb ein rechtzeitiges Erkennen der Krankheit von großer Bedeutung ist.
Typisches Frühsymptom: Morgensteifigkeit Der Verlauf der Erkrankung und die damit verbundene Symptomatik ist dabei grob durch eine Einteilung in vier klinische Stadien darstellbar:
- Stadium 1: stumme Arthroseohne Symptomatik
- Stadium 2: schmerzhafte, nicht aktivierte Arthrose Symptomatik: Belastungsschmerz bei verstärkter oder ungewohnter Belastung, Anlaufschmerzen
- Stadium 3: aktivierte ArthroseSymptomatik: Morgensteifigkeit, Belastungsschmerz, Ruhe- und teilweise Dauerschmerz verbunden mit nächtlichen Beschwerden, Bewegungseinschränkungen
- Stadium 4: dekompensierte ArthroseSymptomatik: starke funktionelle Defizite der Gelenke mit Instabilität, Dauerschmerzen, Kraftlosigkeit und schneller Ermüdbarkeit Charakteristisch für die Phasen II und III und als wichtiges Diagnosekriterium nutzbar ist die morgendliche, maximal 30 Minuten anhaltende Gelenksteife. Darüber hinaus spielen in der Frühphase der typische Anlaufschmerz, im späteren Stadien belastungsabhängige Dauerschmerzen im betroffenen Gelenk eine Rolle.
In der Behandlung milder rheumatischer Erkrankungen werden nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac, Ibuprofen oder Indometacin eingesetzt, die relativ rasch schmerzlindernd und darüber hinaus auch antientzündlich wirken. Insbesondere bei beginnender Arthrose können auch Phytopharmaka wie beispielsweise Weidenrindenextrakt eingesetzt werden. Standardisierte Extrakte aus der Weidenrinde hielten in Deutschland mit der Veröffentlichung einer Positiv-Monographie der Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes (BGA) 1984 wieder Einzug in die Phytotherapie.
Standardisierung auf Salicingehalt Die BGA-Monographie empfiehlt für die Anwendungsgebiete fieberhafte Erkrankungen, rheumatische Beschwerden und Kopfschmerzen einen Extrakt mit mindestens 1% Gesamtsalicin in einer mittleren Tagesdosis von 60 bis 120 mg. Nach der Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) darf die Droge nicht weniger als 1,5% Gesamtsalicin enthalten, die empfohlene Tagesdosis liegt zwischen 120 und 240 mg. In weiteren aktuellen Bewertungen der EMEA (2004) sowie der WHO (2005) wurden insbesondere die Anwendung bei milden rheumatischen Beschwerden positiv beurteilt.
Zusammenwirken vieler Inhaltsstoffe Zu den Salix-Arten mit hohem Salicingehalt (zwischen 2 und 10%) zählen S. daphnoides, S. purpurea und S. fragilis. Neben Salicin sind weitere phenolische Glykoside wie Salicortin, 2-O-acetylsalicortin, 2-O-acetylsalicin (Fragilin) und Tremulacin enthalten, die während der Extraktherstellung zu Salicin hydrolysiert werden. Nach oraler Applikation sind im Serum der biologisch aktive Hauptmetabolit Salicylsäure, daneben Salicylursäure und Gentisinsäure nachweisbar. Im Urin findet sich überwiegend Salicylursäure, teilweise in glucuronidierter Form.
Wie bei fast allen Phytopharmaka scheint auch beim Weidenrindenextrakt die Wirkung nicht auf einem einzelnen Wirkstoff, sondern auf dem gesamten Extrakt zu beruhen. Es wird vermutet, dass auch Inhaltsstoffe wie Flavonoide und Tannine an der Wirkung beteiligt sind. Nach heutigem Erkenntnisstand beruht die analgetische, antiphlogistische und in etwas geringerem Ausmaß auch antipyretische Wirkung von Weidenrindenextrakt auf einer Hemmung der Prostaglandin- und Leukotriensynthese, einer Hemmung der Freisetzung proinflammatorischer Zytokine und antioxidativen Effekten.
Klinische Wirksamkeit nachgewiesen Schmerzen, Gelenksteifigkeit (vor allem Morgensteifigkeit) und funktionelle Einschränkungen sind die Beschwerden, unter denen Arthrose-Patienten am häufigsten klagen. Daher war das Ziel bisheriger klinischer Studien zu prüfen, inwieweit Weidenrindenextrakt diese Symptome mildern kann. Verwendet wurden bei diesen Untersuchungen wässrige oder alkoholisch-wässrige Extrakte.
In einer placebokontrollierten, randomisierten, doppelblinden Studie mit 78 Patienten mit schmerzhafter Knie- oder Hüftarthrose kam ein alkoholischer Auszug (70%-iger Ethanol, Droge-Extrakt-Verhältnis 8-14:1) mit einem Mindestsalicingehalt von 15% zum Einsatz. Die Patienten der Verum-Gruppe erhielten über eine Behandlungsdauer von zwei Wochen eine Extraktmenge, die der empfohlenen Tagesdosis von 240 mg Salicin pro Tag entsprach.
Hauptzielparameter der Studie war die Schmerzdimension des WOMAC-Arthrose-Index. Als Nebenzielparameter dienten die WOMAC-Teilscores zu Steifigkeit und Funktionsfähigkeit, tägliche visuelle Analogskalen (VAS) zu Schmerz und Bewegungseinschränkung und das abschließende Gesamturteil von Arzt und Patient.
Die Studie ergab einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Verum- und Placebo-Gruppe bezüglich der WOMAC-Schmerzdimension. In der Verum-Gruppe hatte sich der WOMAC-Schmerzscore gegenüber dem Ausgangswert um 14% verringert, während er in der Placebo-Gruppe um 2% angestiegen war. Auch bezüglich der Nebenzielkriterien Steifigkeit und körperliche Funktionsfähigkeit zeigten sich deutliche bessere Ergebnisse in der Verum- gegenüber der Placebo-Gruppe, diese waren jedoch nicht statistisch signifikant. In der Beurteilung durch Arzt bzw. Patient zeigte sich dagegen eine deutliche Überlegenheit des Weidenrindenextrakts gegenüber Placebo.
Verbesserung der Gelenk-Funktionskapazität In einer weiteren klinischen Studie wurde ein rein wässrig ausgezogener, standardisierter Weidenrindenextrakt mit 10,7-20,0% Salicin im Nativextrakt verwendet. Ziel war es, bei 59 Patienten mit aktivierter Knie- und Hüftarthrose dessen Wirksamkeit und Verträglichkeit mit Diclofenac, einem der bei Arthrose-Patienten am häufigsten eingesetzten Wirkstoff, zu vergleichen. Vor Beginn der Studie wurden die Patienten in drei Gruppen eingeteilt; sie erhielten entweder 150 mg Diclofenac oder einen Weidenrindenextrakt mit einem Salicin-Gehalt von 90 bzw. 180 mg. Bezüglich der Beurteilung der Schmerzintensität mit Hilfe der visuellen Analogskala zeigte sich nach drei Wochen Behandlungsdauer eine signifikante Abnahme des Schmerzes im Vergleich zur Intensität vor der Behandlung. Beim Vergleich der drei Gruppen untereinander ergab sich kein signifikanter Unterschied.
Auch bei der Beurteilung der globalen Funktionskapazität der Gelenke zeigte sich in allen drei Gruppen eine signifikante Verbesserung. Der Patientenanteil, der unter der Behandlung die vollständige Fähigkeit zurückgewann, alle üblichen Verrichtungen im Tagesverlauf ohne Behinderung ausführen zu können, stieg in der Diclofenac-Gruppe von 0 auf 29%, in den beiden mit Weidenrindenextrakt behandelten Gruppen jeweils von 9 auf 45%.
Behandlung ist nebenwirkungsarm Eine Behandlung mit den klassischen Analgetika und nicht-steroidalen Antirheumatika ist häufig mit schweren Nebenwirkungen wie z. B. Magen- und Darm-Ulcera verbunden.
Dagegen wurde nach Gabe von standardisierten Weidenrindenextrakten bisher vergleichsweise selten über unerwünschte Wirkungen (z. B. allergische Hautreaktionen, gastrointestinale Störungen wie Unwohlsein oder Durchfall) berichtet. Schwere toxische Nebenwirkungen, auch bei Überdosierungen, sind nicht bekannt. Dies eröffnet die Möglichkeit, Weidenrindenextrakt ergänzend zu chemisch definierten Wirkstoffen einzusetzen und damit die Nebenwirkungsrate zu senken. Ist eine längerfristige Anwendung geplant, sollte diese dennoch nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt erfolgen. Kindern, Schwangeren und Stillenden wird die Einnahme von Weidenrindenextrakt nicht empfohlen. Zu Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen liegen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Insbesondere in der Gruppe der sechs Millionen Arthrose-Patienten stellt Weidenrinde bei ersten Anzeichen beginnender Gelenksteifigkeit und bei milderen Formen verschleißbedingter Gelenkerkrankungen eine sinnvolle und effiziente Ergänzung zur üblichen Pharmakotherapie dar.
Weidenrinde wurde bereits in der Antike bei Gelenkerkrankungen eingesetzt. Ende des 18. Jahrhunderts verwendete man die pulverisierte Droge als Ersatz für Chinarinde bei fieberhaften Erkrankungen und Malaria. Die Möglichkeit, Acetylsalicylsäure chemisch herzustellen, verdrängte die Weidenrinde im 19. Jahrhundert fast völlig aus der Therapie; erst Ende des 20. Jahrhunderts erfolgte ihre "Wiederentdeckung".
- schwache Analgetika (z.B. Paracetamol, Metamizol)
- starke Analgetika (z. B. Tramadol, Tilidin)
- NSAR (z.B. Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin, Piroxicam, Celecoxib, Etoricoxib)
- Glucocorticoide (z.B. Triamcinolon–acetonid)
- SYSADOA (Symptomatic Slow Acting Drugs in Osteoarthritis, Chondroprotektoren), z.B. Hyaluronsäure, D-Glucosamin–sulfat
- Phytopharmaka (z.B. Teufelskrallen-, Weidenrinden- und Brennnessel-Extrakte)
- Vitamin E
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