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Arzneimittel und Therapie
Schwere Diarrhö: Nitazoxanid als neue Option bei Rotavirus-Infektion?
Schwere Krankheitsverläufe kommen vor allem bei kleinen Kindern zwischen sechs Monaten und zwei Jahren vor. Eine ausgeprägte Exsikkose kann ohne Gegenmaßnahmen innerhalb weniger Stunden zum Tod führen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit jährlich 850.000 Kinder an den Folgen einer Rotavirus-Infektion sterben. Betroffen sind vor allem Kinder in weniger entwickelten Ländern. Seit kurzem steht ein Impfstoff zur Verfügung, abzuwarten bleibt aber, ob dieser alle Kinder erreicht.
Die Therapie besteht vor allem in ausreichender Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr. Eine Möglichkeit die Virus-Infektion direkt zu bekämpfen, gibt es bislang nicht.
Nitazoxanid wirkt gegen Rotaviren Nitazoxanid ist ein Breitspektrum-Antibiotikum mit antiparasitärer Wirkung. Es ist zum Beispiel in den USA (nicht in Deutschland) unter anderem zur Therapie der Kryptosporidiose zugelassen – ebenfalls eine Durchfallerkrankung, die häufig als opportunistische Infektion bei Aids-Patienten auftritt.
Nun haben Wissenschaftler an der Universitätsklinik in Kairo nachgewiesen, dass der aktive Metabolit von Nitazoxanid (Tizoxanid) in Zellkulturen gegen Rotaviren wirksam ist. Nach dieser Entdeckung haben die Wissenschaftler in Kairo 38 Kinder mit nachgewiesener Rotavirus-Infektion drei Tage lang zusätzlich zur Rehydratationstherapie mit einer oralen Suspension von Nitazoxanid (zweimal täglich altersabhängig dosiert) oder mit Placebo behandelt. Die meisten Kinder waren weniger als 24 Monate alt, nur zwei waren älter (fünf und sieben Jahre).
Durchfall früher gestoppt Nach Therapiebeginn wurden die klinischen Symptome mit Nitazoxanid signifikant früher gestoppt als in der Placebo-Gruppe. Im Mittel hatten die Kinder mit der antiinfektiven Therapie nach 31 Stunden keinen Durchfall mehr, mit Placebo erst nach 75 Stunden. Die Therapie wurde gut vertragen.
Die Ergebnisse sind sehr ermutigend und eröffnen möglicherweise neue Strategien in der Behandlung von Rotavirus-Infektionen, vor allem bei kleinen Kindern.
Nur geringe Patientenzahl Allerdings ist es, aufgrund der geringen Patientenzahl in der ägyptischen Studie, aber zu früh, um die Schlussfolgerung zu ziehen, dass Nitazoxanid eine wirksame Therapie bei Rotavirus-Infektionen ist. Weiter limitiert wird die Aussagekraft der Studie dadurch, dass die Durchfälle in der Studie bereits zu Therapiebeginn überdurchschnittlich lange andauerten (im Mittel 6,5 Tage).
Dennoch ist Nitazoxanid eine interessante Substanz. Vermutet wird auch eine Wirkung gegen weitere enterale Viren, zum Beispiel gegen Noroviren. Der genaue Wirkungsmechanismus ist noch nicht geklärt.
Bedeutung vor allem für arme Länder In Entwicklungsländern mit einer hohen Sterblichkeitsrate von Kleinkindern, wo vermutlich auch die nun zu Verfügung stehende Impfung nicht alle erreicht, könnte Nitazoxanid eine große Bedeutung erlangen. Günstig ist, dass die Substanz zum Beispiel in Lateinamerika und auch in Indien bereits verfügbar ist. Dort wird sie bisher bei enteralen Wurm- und Protozoen-Infektionen eingesetzt.
Rotaviren sind hochgradig ansteckend Rotaviren verdanken ihren Namen dem charakteristischen Aussehen unter dem Elektronenmikroskop: Hier zeigen sie eine radähnliche Struktur (lat. Rota = das Rad). Sie sind weltweit verbreitet und die häufigste Ursache für schwere Brech-Durchfälle bei Kindern.
Fieber, starke Bauchschmerzen und extrem hohe Flüssigkeitsverluste sind die typischen Begleiterscheinungen. Rotaviren sind sehr ansteckend. Kinder, die das Virus in sich tragen, scheiden große Mengen der Erreger über den Stuhl aus. Von Kind zu Kind verbreiten sie sich dann durch Schmierinfektion über verschmutzte Hände, Spielzeug, Geschirr oder Kleidung.
Rotaviren können aber auch über Lebensmittel oder verschmutztes Wasser übertragen werden. Besonders stark gefährdet sind Kleinkinder während eines Aufenthalts im Krankenhaus. Rotaviren sind die Hauptursache für Durchfallerkrankungen, mit denen sich Kleinkinder im Krankenhaus anstecken. Die Gefahr, sich mit Rotaviren anzustecken ist in den westlichen Industrienationen genauso hoch, wie in Entwicklungsländern. Moderne Hygiene-Maßnahmen bieten keinen Schutz vor einer Ansteckung.
Apothekerin Bettina Martini
Infektionsweg: meist klassisch fäkal-oral; kontaminierte Lebensmittel oder in einigen Ländern kontaminiertes Trinkwasser spielen eine Rolle
- Inkubationszeit: ein bis drei Tage;
- Symptomatik: Häufig Erbrechen, gefolgt von hohem Fieber und Durchfall
- Erkrankungsdauer: sechs bis acht Tage
- Häufigkeit: Über 90% der Kinder haben bis zum dritten Lebensjahr eine Rotavirus-Infektion durchgemacht.
- Impfung: seit Mitte 2006 vorhanden (Rotarix® und Rotateq®, siehe Kasten)
- Therapie: orale Rehydratation, keine etablierte kausale Therapie
Seit Mitte 2006 stehen gegen Rotaviren zwei Impfstoffe zur Verfügung (Rotarix® und Rotateq®). Die Schluckimpfungen bestehen aus zwei bis drei Teilimpfungen, die bis zum 6. Lebensmonat abgeschlossen sein müssen.
Ende der 90er Jahre stand schon einmal ein Impfstoff gegen Rotaviren zur Verfügung, dieser musste aber bald wegen Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen werden.
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