DAZ Feuilleton

Glossay: Pille, Pille, Ampulle

Gedanken zur Begriffsbestimmung Was eine Pille ist, glaubt jeder zu wissen: ein Medikament in Kugelform. Als Arzneiform wurde die Pille durch die Tabletten, die Dragees und die Kapseln abgelöst. Obwohl sie noch oft "in den Mund genommen" wird, ist sie als Arzneiform obsolet ("out") und in der Schweiz sogar verboten.

Pillen zu drehen ist eine Kunst, die jene nicht beherrschen, die den Apotheker scherzhaft oder boshaft als Pillendreher bezeichnen, der diese Kunst schon lange nicht mehr ausübt. Unter "Pille" versteht das Volk heute die "Antibabypille", die keine Pille ist und nie eine Pille war.

Die bitteren Pillen, die wir manchmal schlucken müssen, sind schon lange keine Pillen mehr und kommen nicht mehr aus der Apotheke, sondern aus dem ehemaligen Reichstag zu Berlin, wo unsere Volksvertreter – die auch mit der Pille, der Pulle und der Ampulle leben – um unser geistiges und körperliches Wohl besorgt sind. Um unseres? Mehr noch um ihr eigenes!

Wer heute noch kunstvoll Pillen zu drehen versteht, ist der Heilige Pillendreher (Scarabaeus sacer), ein Blatthornkäfer, der von den Alten Ägyptern verehrt wurde. Indem er Pillen dreht, verhindert er für seine Spezies den Pillenknick, der Mitte der 1960er Jahre in vielen Industriestaaten zu beobachten war. Als Material verwendet er den Biomüll Pflanzen fressender Tiere. Sein Weibchen gräbt die Pillen ein und versieht sie jeweils mit einem Ei. Wenn die Larven geschlüpft sind, dient die Pille ihnen als Brut- und Futterstelle.

Auch den Fußball hat man in den vergangenen Monaten mehrmals als Pille bezeichnet. Das Gemeinsame ist lediglich die Kugelform. Dass die Deutschen sogar bis ins Halbfinale gekommen sind, hat so manchen die bittere Pille, nicht Weltmeister geworden zu sein, versüßt.

Und wer immer noch nicht weiß, was Pillen sind, dem sei gesagt: Dumm bleibt dumm, da helfen keine Pillen.

Das Wort Pulle findet man nicht im Brockhaus. Und doch weiß jeder, dass damit die Flasche gemeint ist. Für viele ersetzt der Schluck aus der Pulle das Schlucken der Pille. Das gilt aber nicht für jede Pille und schon gar nicht für die Pille. Wer es trotzdem wagt, wird die Folgen (aus-) zu tragen haben.

Und wie sind die Beziehungen von Pille und Pulle zur Ampulle?

Die Ampulle ist die Pille in der Pulle. Der Wirkstoff, der in der Pille verteilt war und geschluckt wurde, befindet sich nun aufgelöst in der Ampulle und wird gespritzt.

Das war in guter alter Zeit die einzige Applikationsmöglichkeit. Heute – wo alles verwässert wird – gibt es auch die Trinkampulle. Es besteht somit kein wesentlicher Unterschied mehr zwischen Pulle und Ampulle. Aus beiden wird getrunken. Trunken machen kann die Ampulle allerdings nur dann, wenn ihr Inhalt gespritzt wird.

Alles klar?

Klar!

Doch jenen, die besser informiert werden möchten, sei die Lektüre der Monographie "Pillen" des DAB 7 empfohlen. Sie wissen dann: Es sind kugelförmige Arzneizubereitungen zur peroralen Applikation, die mit Hefeextrakt als Hilfsmittel hergestellt werden. Die Arzneistoffe werden mit dem Hilfsstoff homogen gemischt, mit Zuckersirup oder anderen Hilfsmitteln zu einer plastischen Masse angestoßen, auf der Pillenmaschine ausgerollt und anschließend in einzelne Pillen abgeteilt, geformt und, um das Zusammenkleben der fertigen Pillen zu vermeiden, mit Lycopodium bestreut.

Jetzt bleibt bei jüngeren Kollegen noch die Frage offen, was denn eine Pillenmaschine sei. Die Antwort steht im Lexikon der Pharmazie (1987, herausgegeben von S. Ebel und H. J. Roth): "Sie dient der Herstellung der Pillen und besteht aus Ausrollbrett mit Walzbrett, einem Pillenabteiler und dem Roller. Auf dem dreifach unterteilten Ausrollbrett wird auf dem unteren Teil der Platte der Pillenstrang mit Hilfe des Walzbrettes ausgerollt, bzw. die fertigen Pillen mit dem Roller rolliert. Der obere Teil ist meist vertieft und zur Aufnahme der fertigen Pillen gedacht. Dazwischen befindet sich eine Vertiefung, in der das Unterteil des Pillenabteilers eingelassen wird. Das bewegliche Oberteil des Abteilers besitzt zwei Handgriffe und spiegelbildlich zum Unterteil Rillen, die durch scharfe Kanten voneinander getrennt sind."

Alles klar?

Klarer geht's nicht!

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