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- AZ 19/2007
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Alltagsdrogen nicht länger verharmlosen
"Es muss Schluss sein mit der Verharmlosung von Alltagsdrogen", forderte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), bei der Vorstellung des Berichts am 3. Mai in Berlin. Denn es seien vor allem Tabak, Alkohol und Medikamente, die zu "unermesslichem, oft stillem und unbeachtetem Leid" führten.
Drogen sind mitnichten ein Problem von Randgruppen, sondern vielmehr ein gesamtgesellschaftliches Problem: Jeder dritte Erwachsene raucht, rund 10 Millionen Menschen trinken Alkohol in riskanter Weise – 1,6 Millionen gelten bereits als alkoholabhängig. Dem will die Drogenbeauftragte durch eine verstärkte Sensibilisierung und mehr Aufklärung über die Suchtgefahren alltäglicher Drogen begegnen. So soll etwa die für Juni geplante Aktionswoche "Alkohol – Verantwortung setzt die Grenze" für eine Diskussion zum verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol sorgen.
Schon jetzt sind mehr als 1000 Aktionen geplant: Sei es die lange Nacht der alkoholfreien Getränke oder Suchtberatungen in Apotheken und Arztpraxen. Von neuen Verbotsgesetzen hält Bätzing allerdings wenig. Statt das generelle Mindestalter für den Alkoholkonsum auf 18 Jahre hoch zu setzen fordert sie die Einhaltung der bestehenden Gesetze – und vor allem deren Kontrolle. Denn schon jetzt ist es nicht erlaubt, unter 18-Jährigen Hochprozentiges auszuschenken oder erkennbar Betrunkenen weiteren Alkohol zu verkaufen. Gastwirte, die den Vorschriften zuwiderhandeln, können theoretisch mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro belegt werden – sogar der Entzug ihrer Gaststättenerlaubnis kann ihnen drohen. Doch noch mangelt es an einer effektiven Kontrolle. Wie diese verstärkt werden könnte, ließ Bätzing allerdings offen.
Apotheker und Ärzte sind gefordert
Auch die Medikamentensucht rückt zunehmend in den Fokus der Politik – es kursiert die Zahl von 1,4 Millionen Abhängigen in Deutschland. Bätzing räumt jedoch ein, was schon seit Jahren beklagt wird: Die Datenlage zum schädlichen Gebrauch von Arzneimitteln in Deutschland ist sehr bescheiden.
Und so bleibt es bei einem Aufruf an Ärzte, Apotheker, Pfleger und Sozialarbeiter wachsam zu sein. So sollten Apotheker auffällige Verordnungen überprüfen und die Selbstmedikation – insbesondere mit Schmerzmitteln – im Auge behalten. Betroffene Menschen müssten ermuntert werden, bestehende Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, so die Drogenbeauftragte.
Zankapfel Heroinsubstitution
Dass die Zahl der Todesfälle infolge illegalen Rauchgiftkonsums zurückgeht, freut Bätzing. Im Vergleich zum Vorjahr ist sie wiederum um 2,3 Prozent gesunken. "Das zeigt den Erfolg niedrigschwelliger Beratungsangebote für Opiatabhängige sowie die stetige Verbesserung in der Substitutionsbehandlung", so die Drogenbeauftragte.
Zugleich sei die Entwicklung "Ansporn, eine gesetzliche Regelung zur Fortführung der Diamorphinbehandlung innerhalb der Regelversorgung auf den Weg zu bringen". Bislang ist in diesem Punkt jedoch noch keine Einigung mit der Union in Sicht.
Helfen neue Verbote?
Die Drogenbeauftragte der Union, Maria Eichhorn, kann sich im Gegensatz zu Bätzing gut vorstellen, neue Gesetze zu erlassen, um den Konsum legaler Drogen einzudämmen. Der Vorschlag des bayerischen Innenministers Günther Beckstein, so genannte Flatrate-Parties zu verbieten, gehe "in die richtige Richtung".
Auch über den Vorschlag von EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou, nach dem Alkohol generell erst an Volljährige abgegeben werden darf, müsse nachgedacht werden. Der drogenpolitische Sprecher der FDP, Detlef Parr, hält hingegen nichts von weiteren Verboten. Er appellierte vielmehr an Eltern und Gastronomen, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst zu werden.
Linke fordert mehr Mut
Der drogenpolitische Sprecher der Grünen, Harald Terpe warf der Bundesregierung vor, unzureichende Konsequenzen aus ihren Feststellungen zu ziehen. Abgesehen vom geplanten Alkoholverbot für Fahranfänger beschränke sie sich auf "Lippenbekenntnisse" – so auch bei der Herointherapie für Schwerstabhängige und der Medikamentensucht. Seine Kollegin von der Linksfraktion, Monika Knoche, hielt Bätzing vor, die Ergebnisse ihrer Drogenpolitik "schön" zu reden: "Jeder Drogentote ist einer zu viel!". Knoche beklagt vor allem, dass der SPD der Mut fehle, gegen den Widerstand der Union ein Gesetz zur Heroin-Substitution auf den Weg zu bringen. .
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