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Skandal: Rabatte auf Fettes mit AOK-Plus-Card
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Immer mehr Versicherte treten aus der AOK aus. Der Mitgliederschwund ist offensichtlich. Die unsäglichen Rabattverträge mit Arzneiherstellern, die nicht oder nur unzureichend liefern können, sind nicht dazu geeignet, AOK-Versicherte bei ihrer Kasse zu halten, zumal die AOK-Beiträge nicht zu den niedrigsten gehören. Die Gesundheitskasse ließ sich daher die AOK-Plus-Card einfallen, um im Wettbewerb um junge Versicherte dabei zu sein: Mit dieser AOK-Karte kann man sich auf Schnäppchen-Jagd begeben: im Internet (www.aok.de/bawue/rd/160122.htm) findet sich eine Liste der zurzeit 2104 teilnehmenden AOK-Partner (Stand 25. Mai) in Baden-Württemberg, die bei Vorlage der Plus Card bis zu 15 Prozent Rabatt gewähren.
Die ZDF-Sendung "Frontal 21" deckte auf, dass es da durchaus auch richtig Ungesundes gibt, vor dem normalerweise gewarnt wird. "Frontal 21" konfrontierte den Vorstandsvorsitzenden der AOK Baden-Württemberg, Rolf Hoberg, mit den Fakten. Mit der AOK-Plus-Card erhält man beispielsweise bei Burger King ein Maximenü zum Preis vom Normalmenü, einen Cheeseburger gratis zum Maximenü bei McDonalds, verbilligte Eisbecher in Eisdielen plus Latte Macchiato oder Cola, in einer Bar Alkoholcocktails zum halben Preis, in einer Weinhandlung 10 Prozent Rabatt auf 12 Flaschen Wein, 15 Prozent in Sonnenstudios und sogar 10 Prozent Rabatt im Piercing-Studio. Dass die AOK mit solchen Angeboten mittelbar Adipositas, Alkoholismus, Hautkrebs und Hautentzündungen fördert – davon wollte der Vorstandsvorsitzende nichts wissen und wurde vor der Kamera ungehalten. O-Ton: "Ich finde es jetzt langsam langweilig. Das interessiert mich jetzt nicht."
Der Ernährungswissenschaftler Dr. Friedhelm Mühleib, in der Sendung zur AOK-Rabattaktion befragt, fand es "unglaublich, wenn eine Krankenkasse, die sich auch als Gesundheitskasse bezeichnet, Produkte wie Fastfood fördert und empfiehlt, die eigentlich in einer gesunden und bewussten Ernährung überhaupt nichts zu suchen haben". Und weiter: "Die AOK gibt diesen Produkten mit ihrer Empfehlung den Stempel ‚gesund’. Und das führt zusammen mit dem Rabatt dazu, das der Verbraucher mehr davon konsumiert als er es normalerweise tun würde."
Da läuft sichtlich etwas schief bei der Gesundheitskasse: Arzneiherstellern ringt man härteste Rabattverträge ab, schließt mit Firmen Lieferverträge, die keine Marktabdeckung haben. Die Apotheken treibt man bis an den Rand des Irrsinns mit dem Zwang zur Lieferung von Arzneimitteln, die auf dem Markt kaum beschafft werden können. Die Versicherten verärgert man, indem man ihnen zumutet, rabattierte Billig-arzneimittel zu erhalten, die, wenn überhaupt, erst im zweiten Anlauf zu besorgen sind. Auf der anderen Seite rabattiert die Gesundheitskasse über die AOK-Plus-Card zum Mitgliederfang auch Krankmacher.
Nach einem Bericht der Stuttgarter Zeitung hat der Chef der baden-württembergischen AOK nichts von diesen krankmachenden Angeboten gewusst. Er räumte Versäumnisse ein, sprach von einem Organisationsdefizit in seiner Kasse und reagierte: Dem Bericht zufolge soll er die entsprechenden Angebote sofort gestrichen haben.
Zur Information: Für ihre Werbetätigkeit können Kassen Geld nicht nach Belieben einsetzen. Der von der Kassenaufsicht vorgegebene Rahmen erlaubt maximal 3,68 Euro im Jahr je Mitglied als Werbeausgaben. Wie sie diese Mittel einsetzen, bleibt den Kassen allerdings freigestellt..
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