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Celesio und Haniel: So werden die Fäden gesponnen
Dass der Aufbau von Apothekenketten nicht ohne Wegbereitung durch Politik und Gerichte geht, war dem gelernten Juristen Fritz Oesterle von Anfang an klar. Während er beispielsweise in Großbritannien, wo es Apothekenketten schon lange gibt, leichtes Spiel hatte und bestehende Ketten kaufen konnte, verhindert in Deutschland geltendes Recht (Apothekengesetz) nach wie vor diese Art des Arzneimittelvertriebs. Und so gab sich Oesterle noch bis vor Kurzem zurückhaltend. Allerdings ließ er für den, der genau zuhörte, ab und an durchblicken, dass Celesio mit der Pharmagroßhandlung Gehe nur eine Strategie verfolgt: den Aufbau einer Apothekenkette in Deutschland – sobald sie denn rechtlich möglich ist. Den Startschuss für die Diskussion um das deutsche Fremd- und Mehrbesitzverbot gab der saarländische Justiz- und Gesundheitsminister Josef Hecken im vergangenen Jahr. Er erlaubte der niederländischen Kapitalgesellschaft DocMorris den Betrieb einer Apotheke in Saarbrücken. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragte Oesterle im August 2006, ob dies nun auch für Celesio Anlass sein könnte, sich selbst zu engagieren. Oesterles Antwort: "Nein, auf keinen Fall. Das Landgericht Saarbrücken hat nur gesagt, nach seiner Auffassung sei die Betriebserlaubnis nicht offensichtlich rechtswidrig. Jetzt liegt der Fall bei den Verwaltungsgerichten. Bis die endgültig entscheiden, kann das zwei oder drei Jahre dauern. Auf diese Weise entsteht die höchst unbefriedigende Situation, dass man im kleinsten aller Bundesländer beliebig Apotheken eröffnen kann, im Rest aber nicht. Es sei denn, der saarländische Gesundheitsminister startet eine juristische Charmeoffensive und überzeugt seine Kollegen in Thüringen, Bayern und anderswo. Das Kasperletheater machen wir nicht mit. Celesio wartet, bis die Situation stabil ist."
Solange scheint der Konzernchef nun doch nicht warten zu wollen, er hat sich fürs Kasperletheater entschieden. Ob er bereits im vergangenen Jahr – nach dem Hecken-Coup – an einer Melange aus Europarecht, Politik und Konzernstrategie bastelte, um seine Kettenidee für Deutschland voranzutreiben oder ob er erst jetzt, nachdem DocMorris zum Kauf anstand, die Gelegenheit beim Schopf packte, um Wachstum und Ertrag von Celesio zum Nutzen der Familie Haniel zu mehren, das weiß nur er. Gleichwie, die Verbindungen und Verflechtungen (siehe unsere Grafik) lassen viele Rückschlüsse und Spekulationen zu.
Da mag zum einen von Bedeutung sein, dass Josef Hecken nach seiner Tätigkeit als Leiter des Ministerbüros bei Arbeitsminister Blüm 1998 zum Metro-Konzern als Abteilungsleiter für personalpolitische Grundsatzfragen wechselte und dort Erfahrungen sammelte, wie ein Konzern wie die Metro, zu dem beispielsweise Media Markt, Saturn, Real und Galeria Kaufhof gehören, funktioniert. Ob er, zurück in der Politik und aufgerückt zum Justiz- und Gesundheitsminister des Saarlandes, nun in alter Verbundenheit zu seinem früheren Arbeitgeber das Placet für die DocMorris-Apotheke in Saarbrücken erteilte, ob schon eine Strategie von Seiten der Schiene Metro – Haniel – Celesio bestand, Spekulationen darüber liegen nahe.
Keinen Raum für Deutungen lässt dagegen das Geflecht zu, das sich aus den Posten und Positionen der beiden Hauptakteure im Pharma-Monopoly, Dr. Eckard Cordes und Dr. Fritz Oesterle, ergeben. So ist Oesterle Vorstandsvorsitzender der Celesio AG und Vorstandsmitglied bei der Konzernmutter Haniel, die wiederum an der Metro beteiligt ist. Haniel wird geführt von ihrem Vorstandsvorsitzenden Cordes, der wiederum Aufsichtsratsvorsitzender der Metro und der Celesio ist. Dass man hier Strategien abstimmt, auf welchen Handelskanälen man Wohlstand und Wachstum für die Familien Franz Haniel, Reiner und Michael Ruthenbeck und Otto Beisheim, die zusammen etwas über 50 Prozent an der Metro halten, abstimmt, liegt auf der Hand.
Vom Handel mit was auch immer – davon verstehen diese Unternehmen eine Menge. Dieses Know how auch auf den Arzneimittelhandel (bis hinunter auf die Einzelhandelsebene) zu übertragen, dem auch in Zukunft große Wachstumschancen vorausgesagt werden, liegt nahe. Wenn da nur nicht die rechtlichen und politischen Hürden wären, sprich das Fremd- und Mehrbesitzverbot für Apotheken. Am Einreißen dieser Hürde scheint man nun mit Hilfe politischer Kontakte kräftig zu arbeiten. Einer Nachrichtenmeldung zufolge sucht Celesio in den letzten Wochen intensiv den Kontakt zur Politik, um Einfluss auf die Liberalisierung des Apothekenmarktes zu nehmen. So wurde berichtet, dass sich der Saarländische (!) Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und der Celesio-Vorstandsvorsitzende Oesterle einig seien, dass die europäische Politik und der Europäische Gerichtshof eine Liberalisierung des Apothekenmarktes – auch in Deutschland – vorantreiben werden. Allerdings habe Oesterle Sorge, dass es nach einem Fall des Fremdbesitzverbots Wildwuchs auf dem deutschen Apothekenmarkt gebe.
Ausflug nach Norwegen
Wildwuchs kann nun nicht im Sinne von Celesio sein, man möchte den Markt nicht dereguliert sehen. So würde es auch Celesio nicht goutieren, wenn jeder und überall, zum Beispiel Rossmänner und Schleckers, Apothekenketten eröffnen könnte. Daher setzt sich Oesterle auch auf politischer Ebene dafür ein, dass der Marktzugang durch eine Niederlassungsbeschränkung begrenzt werden sollte. Er verweist dabei auf die großen Erfahrungen, die sein Unternehmen mit anderen liberalisierten Märkten hat, beispielsweise England, wo es sehr wohl Zugangsbeschränkungen gibt. Das würde dem Pharmahändler Celesio natürlich einen Vorsprung vor der potenziellen Drogeriemarkt-Konkurrenz verschaffen.
Peter Müller und Fritz Oesterle sollen weitere Gespräche vereinbart haben, um den politischen Rahmen zu bestimmen. Weitere Beteiligte sollen in die Gespräche einbezogen werden. Aktuell: Um die Politik von den Vorzügen seiner Kette zu überzeugen, hat Oesterle die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages unter anderem zu einem Ausflug nach Norwegen eingeladen. Von dem Manipulationsverdacht, unter dem die norwegischen Ketten derzeit stehen (siehe unseren Beitrag auf Seite 8), werden die Politiker sicherlich nichts erfahren.
Auch an die Ministerpräsidenten der Länder, die Vorstandsmitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und führende Vertreter des Wirtschaftsflügels der Union pirscht sich Oesterle heran. Man hört, dass der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger zu den Oesterle-Unterstützern gehört. Oettinger wiederum ist politisch vom CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder abhängig, der bekennender Oesterle-Fan ist. Nett zu wissen, dass Kauders Frau bei ihrem caritativen Einsatz von Celesio/Gehe unterstützt wird – und der Kreis schließt sich.
Haniel-Chef Cordes zieht nach. Er wird bald näher an die CDU-Politiker rücken und seinen politischen Einfluss geltend machen können. Mitte Juni soll er zum Vizevorsitzenden im Wirtschaftsrat der CDU (siehe Kasten) gewählt werden. Dort kann er dann noch stärker die Interessen der unternehmerischen Wirtschaft gegenüber der Politik vertreten. Wie diese Interessen in seinem Fall aussehen – darüber muss man wohl nicht länger spekulieren. .
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