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- AZ 49/2007
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Wie Sie Störungen im Kundengespräch nutzen
In aller Regel laufen Kundengespräche in der Apotheke recht zügig ab. Es kommt aber immer wieder einmal vor, dass ein Kunde nach einem Arztbesuch eine längere Beratung wünscht, weil der Arzt ihn nicht hinreichend aufgeklärt hat. Oder er hat Gesprächsbedarf hinsichtlich verschiedener Medikamente oder Behandlungskonzepte – ein Kunde will mit dem Rauchen aufhören und sich über die unterschiedlichen Nicotinersatzpräparate informieren.
Eine Störung im Kundengespräch ist zunächst einmal ärgerlich – vor allem, wenn sich der Apotheker auch noch vorbereiten musste. Trotzdem sollte er das Positive an der Situation erkennen – vermeiden kann er sie ja ohnehin nicht – und das Beste draus machen. Der Kunde ist König, sich ärgern oder gar nervös werden bringt nichts. Aber der Apotheker kann gegenüber dem Kunden nun erst recht seine Souveränität unter Beweis stellen.
Während der Kunde telefoniert, fasst der Apotheker den bisherigen Gesprächsverlauf zusammen, fertigt Notizen an und erstellt ein kurzes Fazit. So kann er ihm den Gesprächseinstieg nach der Störung erleichtern: "Lieber Kunde, ich habe die Zeit genutzt, und unser Gespräch einmal resümiert. Also: Das Nicotinpflaster hat für Sie folgende Vorteile ..."
Diese Zusammenfassung ermöglicht zudem eine Kurzanalyse: "Wie ist das Gespräch bisher gelaufen, welche konkreten Wünsche und Erwartungen hat der Kunde geäußert, welche Argumente habe ich bisher gebracht, hat er Hinweise gegeben, welche Produkte aus dem Sicht- und Freiwahlbereich ich ihm noch empfehlen könnte?" Der Apotheker nimmt das Produkt aus dem Handverkaufsaufsteller und bereitet sich darauf vor, es dem Kunden nach Beendigung der Störung zu präsentieren.
Die Kurzanalyse führt oft dazu, dass dem Apotheker – unter dem Eindruck des Gesprächs stehend – nun in der unfreiwilligen "Ruhephase" Argumente einfallen, an die er zuvor gar nicht gedacht hat.
Auf Kommunikationsstil achten
Indem der Apotheker zum "Lauscher" wird, ergibt sich ein weiterer Vorteil: Er erlebt nun "hautnah" mit, wie sich der Kunde gegenüber anderen Menschen verhält. Diese Informationen zum Kommunikationsstil erlauben es ihm, Rückschlüsse auf das Kundenverhalten im eigenen Beratungsgespräch zu ziehen – obwohl er das Mitgehörte nicht überbewerten darf, sind ihm doch die Gesprächsbeiträge des Anrufers unbekannt.
Bedenken, den Kunden zu belauschen, sind nicht angebracht – wäre der Gesprächsinhalt verfänglich, würde er das Telefonat wohl beenden.
Abzuraten ist davon, die Unterbrechung für eine Aktivität zu nutzen, die der Apotheker nicht sofort beenden kann, sobald der Kunde wieder gesprächsbereit ist. Dazu ein Beispiel: Wenn er die Zeit nutzen will und ebenfalls schnell einen Anruf macht oder mit der Mitarbeiterin etwas bespricht, der Kunde währenddessen aber ins Beratungsgespräch zurückkehrt, hinterlässt dies einen denkbar schlechten Eindruck. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn der Apotheker ein Telefonat führt, um eine Frage zu klären, die sich im Laufe des Gesprächs aufgetan hat – oder diese Information anderweitig einholt. Dann kann er dem Kunden nach der Störung sagen: "Die kleine Unterbrechung kam wie gerufen. Ich habe mittlerweile herausgefunden, dass es bei den Nicotinersatzpräparaten für Sie noch folgende Alternative gibt ..." Dann ist es auch nicht weiter tragisch, wenn der Apotheker das Telefonat noch nicht beendet hat, wenn der Kunde sich wieder mit ihm beschäftigen kann.
Störung während der Präsentation
Zuweilen kommt es vor, dass der Apotheker mit zwei Kunden spricht – etwa mit einem Ehepaar. Plötzlich klinkt sich einer der Gesprächspartner aus und telefoniert. Der Apotheker muss entscheiden, ob er die Präsentation fortsetzt oder besser unterbricht. Ist er unsicher, fragt er bei dem Kunden nach: "Soll ich kurz unterbrechen, bis Ihre Frau wieder mit dabei ist, oder fortfahren und ihr gleich eine Zusammenfassung geben?" Ersteres bietet sich an, wenn der Apotheker der Ansicht ist, dass – in diesem Beispiel – die Ehefrau eher die Entscheidungen trifft als der Partner.
Und wiederum eröffnet sich dem Apotheker die Möglichkeit der Kurzanalyse – oder er stellt dem Kunden Fragen, deren Beantwortung ihm bei der weiteren Präsentation weiterhilft. Dann sollte er dem zweiten Kunden nach dessen Rückkehr in das Gespräch darüber eine kurze Info geben, um nicht den Verdacht zu erwecken, er habe die Abwesenheit "ausgenutzt". Hinzu kommt: Ein kleiner Small Talk lockert die Atmosphäre auf.
Bei jeder Störung gilt: Ist sie beendet, liegt es in der Verantwortung des Apothekers, den Kunden wieder gedanklich "einzufangen" und zum eigentlichen Thema zurückzuführen. Gelingt dies nicht und ist der Kunde sehr unkonzentriert – vielleicht hat er in dem Telefonat etwas Unangenehmes erfahren – ist es besser, die Beratung abzubrechen.
Es wird selten vorkommen, aber manchmal führt ein Kunde die Störung aktiv herbei: "Entschuldigung, mir fällt soeben ein, dass ich einen ganz eiligen Anruf erledigen muss." Merkt der Apotheker, dass diese Unterbrechung Methode hat, vom Kunden vielleicht sogar absichtlich eingesetzt wird, um ihn zu verunsichern, darf er sich nicht scheuen, dieses Verhalten anzusprechen – am besten mit Humor: "Ich muss auch etwas Wichtiges erledigen, nämlich ein Gespräch mit Ihnen. Können Sie das Telefonat nicht später führen?".
Dr. Michael Madel, freier Autor und Kommunikationsberater
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