Interpharm Hamburg

Europa im Systemvergleich

Deutsches Apothekensystem vergleichsweise liberal

Wie erfolgt die Preisbildung von Arzneimitteln in anderen EU-Ländern? Wie ist der Fremd- und Mehrbesitz geregelt, die Niederlassungsfreiheit, der Versandhandel? Einen Überblick verschaffte Dr. Eckart Bauer, ABDA, Berlin, mit einem kursorischen Systemvergleich der Arzneimitteldistribution in Europa, fokussiert auf die wichtigsten Teilbereiche und die EU-Kernländer.

Der Ausgabendruck in den größten EU-Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Großbritannien und auch in den skandinavischen Ländern ist in etwa gleich, im Hinblick auf die angesetzten Instrumente zur Kostendämpfung werden jedoch durchaus unterschiedliche Wege begangen. So besteht zwar eine allgemeine Tendenz, die Wirkstoffverordnung zu fördern, jedoch liegt der diesbezügliche Anteil in Großbritannien bei fast 80 Prozent und auch Deutschland nimmt in Bezug auf den Generikaeinsatz eine Vorreiterrolle ein. In anderen Ländern wie etwa Frankreich und Spanien sind die Nachahmermärkte jedoch noch kaum entwickelt.

Einkaufsrabatte der Apotheken werden ausnahmslos kritisch gesehen, zum Teil verboten, eingeschränkt oder auch abgeschöpft. So wurden die norwegischen Apotheker zeitgleich mit der Liberalisierung des Apothekenbesitzes verpflichtet, Einkaufsvorteile an die Sozialversicherung weiterzuleiten. Auch in den Niederlanden ist dies die Praxis. In der Regel gilt, je größer der Gewinn, desto mehr werden die Zügel angezogen. Beispiele für Ausweichreaktionen der Apotheken gibt es ebenfalls zuhauf.

Unter dem Strich kommt kein europäisches Land ohne Eingriffe in die Preisbildung bei Arzneimitteln aus, und alle nehmen darüber hinaus auch Einfluss auf die Apothekenentgeltung, wobei sich die hieraus ergebende Gesamtbelastung der Apotheken nicht verlässlich beziffern lässt.

Das große "Politikum" Versandhandel nimmt in der europäischen Vertriebspraxis bei Weitem nicht den Anteil ein, der aufgrund der öffentlichen Aufmerksamkeit, mit dem dieses Thema bedacht wird, angenommen werden könnte. Lediglich die Briten erlauben den Arzneiversand bereits seit Jahren, jedoch ist der Marktanteil nach wie vor gering. Ähnliches gilt für die Niederlande. Auch hier konnte der Versandhandel (Anteil von unter einem Prozent) bislang nicht recht Fuß fassen. Sehr restriktiv gehen die Spanier hiermit um: Mit der Festschreibung der Apothekenpflicht im Arzneimittelgesetz von 2006 wird diesem Vertriebsweg von vornherein keine Chance eingeräumt.

Der Fremd- und Mehrbesitz hat in einigen, meist angelsächsischen Ländern wie Großbritannien und Irland aber auch in den Niederlanden, eine lange Tradition. Zu teilweise rasanten Kettenbildungen kam es im Zuge der chaotischen Privatisierungen der Apotheken im Baltikum, d. h. Estland, Lettland, Litauen sowie unter anderem in Tschechien und in Polen. Gerne würden zum Beispiel die Esten das Rad wieder zurückdrehen und Ketten verbieten. Ob dies gelingt, ist fraglich. Aber auch das andere Extrem ist in der EU Realität. So hat der Europäische Gerichtshof selbst den Staatsbesitz der Apotheken, wie in Schweden, nicht kritisiert, und es gibt keine Aussage, dass der Fremd- und Mehrbesitz etwa geboten sei.

Niederlassungsfreiheit herrscht nur in wenigen Ländern, wie Deutschland, Irland und den Niederlanden.

Bauer zog aus diesen zahlreichen Einzelaspekten den Schluss, dass sich das deutsche Apothekensystem im Vergleich mit nahen und entfernteren Nachbarn recht liberalisiert und wettbewerbsorientiert gestaltet. hb

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