Interpharm Hamburg

Immunsystem

Die Kunst, zur richtigen Zeit richtig zu reagieren

Wie schafft es das gesunde Immunsystem gegen "fremd" aber nicht gegen "eigen" zu reagieren? Und was passiert, wenn sich die Immunreaktion in eine Autoimmunerkrankung entwickelt? Diese Fragen beantwortete Prof. Dr. Angelika Vollmar, München, in ihrem Eröffnungsvortrag, der zeigte, dass das Wissen über die Mechanismen der immunologischen Toleranz in den letzten Jahren enorm gestiegen ist.

Im Normalfall stellt ein funktionierendes Immunsystem sicher, dass Pathogene spezifisch beseitigt werden und in der Folge ein immunologischer Schutz aufgebaut wird. Fremdes, aber Harmloses, wird toleriert, körpereigene Strukturen werden unversehrt gelassen. Entscheidend für eine adäquate Reaktion des Immunsystem ist die Erkennung: Makromoleküle der Erreger werden von den Antigenrezeptoren auf T- und B-Zellen als Antigene erkannt. Durch spezifische Reaktionen der Antigenrezeptoren kommt es zur Bildung löslicher Antikörper. Die Folgen sind einerseits die Antikörper-vermittelte Abwehr, andererseits die Zell-vermittelte Abwehr. Die Herausforderung für das intakte Immunsystem besteht darin, dass wir im Laufe des Lebens mit unzählig vielen möglichen Antigenen konfrontiert werden und jedes Antigen dabei spezifisch erkannt wird. Das Immunsystem meistert diese Situation indem antigenunabhängig nach dem Zufallsprinzip Antigenrezeptoren generiert werden.

Doch wie kann gewährleistet werden, dass der Körper nur auf "fremd" reagiert? Hier liegt des Rätsels Lösung in körpereigenen Toleranzmechanismen. Das sind Prozessen, die zur Eliminierung oder Neutralisierung selbstreaktiver Lymphozyten führen. Die Entwicklung von T- und B- Zellen, die körpereigene Antigene erkennen, kann nicht verhindert werden, da T-und B-Zellrezeptoren unabhängig vom Antigenkontakt durch einen zufallsgesteuerten Prozess entstehen. Dass autoreaktive Lymphozyten zu einer Gewebezerstörung führen, das kann aber über verschiedene Toleranzmechanismen unterbunden werden: Die sogenannte zentrale Toleranz, bei der bereits in die Entwicklung der T- und B-Zellen eingegriffen wird, in der die T-Zellen lernen, zwischen "eigen" und "fremd" zu unterscheiden. Nur solche T-Zellen dürfen im Körper zirkulieren, die nicht die körpereigenen Proteine erkennen. Das sind nur 1 bis 2%, alle anderen werden im Thymus aussortiert und einem kontrollierten Zelltod zugeführt. Diese zentralen Toleranzmechanismen eliminieren viele autoreaktive T-Zellen. Trotzdem gibt es immer noch viele reife Lymphozyten, die Autoantigene erkennen. Aber in der Regel kommt es nicht zu deren Aktivierung, denn hier greifen die Mechanismen der peripheren Toleranz: Aktive Mechanismen, die durch die sogenannten regulatorischen T-Zellen (Treg-Zellen) vermittelt werden. Die Balance zwischen der Aktivität von autoreaktiven T-Effektorzellen und diesen regulatorischen T-Zellen ist entscheidend für den Ausgang einer Immunreaktion. Die Hoffnungen gehen dahin, so Vollmar, dass von einem besseren Verständnis dieser Interaktionen therapeutische Einflussnahme auf Autoimmunerkrankungen erwartet werden. Umweltfaktoren oder die genetische Suszeptibilität können dazu beitragen, dass natürlich vorkommende autoreaktive Zellen die Überhand gewinnen, inflammatorische Zytokine ausgeschüttet werden und so Autoimmunerkrankungen und Entzündungen die Folge sind. Regulatorischen T-Zellen kommt daher eine Schlüsselrolle bei der Aufrechterhaltung der Immuntoleranz zu. Die Herausforderung der Zukunft besteht darin, diese Erkenntnisse in therapeutische Strategien umzusetzen. ck

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