- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 14/2007
- Mammographie
Arzneimittel und Therapie
Mammographie
Ist ein Brustkrebsscreening bereits ab 40 Jahren sinnvoll?
Profitieren jüngere Frauen von einer Mammographie? In einer zehnjährigen Studie mit mehr als 160.000 Frauen konnte diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden: Kommentatoren der Ergebnisse raten salomonisch zu individuellen Entscheidungen.
Regelmäßige Mammographien schlagen sich bei Frauen zwischen 50 und 70 Jahren in einer Abnahme der Brustkrebsmortalität um rund 25% nieder. Für jährliche Mammographien bei vierzigjährigen Frauen liegen keine so eindeutigen Ergebnisse vor. Neun große Studien weisen eher auf einen Benefit regelmäßiger Mammographien hin, sicher konnte dies jedoch nicht nachgewiesen werden. Nun liegen die Daten einer zehnjährigen Follow-up-Studie vor, in der die Auswirkungen einer jährlichen röntgenologischen Brustuntersuchung bei damals 40-jährigen, heute über 50-jährigen Frauen erneut untersucht wurden.
Die randomisierte, kontrollierte und multizentrische Studie des britischen Institute of Cancer Research in Sutton (Age Trial) wurde zwischen 1991 und 1997 durchgeführt. 160.921 Frauen im Alter von damals 39 bis 41 Jahren wurden im Verhältnis eins zu zwei auf eine jährliche Mammographie (Interventionsgruppe) oder eine reine Beobachtung (Kontrollgruppe) randomisiert. Bis zum 48. Geburtstag sollte von den Probandinnen jährlich eine Aufnahme der Brust gemacht werden. 81% der Frauen wurden mindestens einmal mammographiert; im Durchschnitt wurden rund fünf Aufnahmen von jeder Studienteilnehmerin gemacht. Bei der ersten Mammographie wurde bei 1000 Aufnahmen ein Mammakarzinom (invasiv oder in situ) entdeckt, bei den folgenden Screenings betrug die Rate neu entdeckter Tumore 1 bis 1,6. Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von 10,7 Jahren wurden die gesammelten Daten ausgewertet.
Ergebnisse ohne statistische Signifikanz
- In der Interventionsgruppe waren 105 Frauen an Brustkrebs gestorben, in der Kontrollgruppe 251. Das relative Risiko, an Brustkrebs zu sterben, betrug für mammographierte Frauen 0,83 (95% Konfidenzintervall 0,66-1,04). Somit konnte durch das Screening das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um 17% gesenkt werden.
- Werden diejenigen Frauen, die nicht oder nicht an allen Untersuchungen teilgenommen hatten, aus den Berechnungen ausgeschlossen, betrug die relative Risikoreduktion 24% (RR 0,76; 95% Konfidenzintervall 0,51-1,01). Beide Ergebnisse erreichten keine statistische Signifikanz.
- Die absolute Risikoreduktion betrug 0,40 vermiedene Todesfälle auf 1000 zum Screening randomisierte Frauen. Das heißt also, es müssen 2500 Frauen zum Screening eingeladen werden, um eine Frau vor einem Brustkrebstod zu retten. (NNS = Number needed to screen).
Abwägen von Nutzen und Schaden
Die Reduktion in der Brustkrebsmortalitätsrate bei Frauen in der Interventionsgruppe weist auf einen Nutzen des regelmäßigen Screenings hin, obwohl dieser nicht statistisch signifikant bestätigt werden konnte. Reiht man diese Studie zu weiteren Untersuchungen zum Nutzen einer mammographischen Vorsorgeuntersuchung bei jüngeren Frauen ein, so ergibt eine Meta-Analyse eine Senkung der Brustkrebssterblichkeit um 16%.
Dem wahrscheinlichen Nutzen stehen mögliche negative Auswirkungen einer regelmäßigen Mammographie gegenüber: Das sind die Strahlenbelastung und die psychische Belastung bei unklaren Befunden. In welchem Ausmaß die röntgenologische Untersuchung ein Tumorwachstum induzieren kann, ist nicht genau bekannt, wahrscheinlich ist aber der Nutzen (Auffinden eines Tumors) größer als eine Erhöhung des Krebsrisikos aufgrund der Strahlenbelastung.
In dieser Studie traten bei 23% der Frauen, die alle Mammographien erhalten hatten, falsch positive Befunde auf, die abgeklärt werden mussten (bei über 50-jährigen Frauen sind es lediglich 12%). Dies bedeutet eine starke psychische Belastung der Frau und zieht weitere Untersuchungen und Kosten nach sich.
Salomonischer Kommentar
Ein Kommentator der Studie rechnet aus Daten einer Meta-Analyse Nutzen und Risiko der jährlichen Mammographie gegeneinander auf und kommt zum Schluss, dass der Benefit um das rund Dreieinhalbfache überwiegt (Number needed to screen 1894 vs. Number needed to harm 6456). Er spricht sich aber nicht eindeutig für das Screenig aus, sondern ist der Ansicht, jede Frau solle mit ihrem Arzt selbst entscheiden, was für sie Vorrang besitzt: Das Wachsen eines Mammakarzinoms, das man bei einer Mammographie früh hätte entdeckten können oder das Entwickeln eines Mammakarzinoms Jahre später aufgrund der Strahlendosen bei dem Vorsorgescreening.
QuelleMoss, S.; et al.: Effect of mammographic screening from age 40 years on breast cancer mortality at 10 years`follow-up: a randomised controlled trial. Lancet 368 , 2053-2060 (2006).
Djulbegovic, B.; et al.: Screening mammography at 40-49 years: regret or not regret? Lancet 368 , 2035-2037 (2006).
Apothekerin Dr. Petra JungmayrÜberrascht Sie das Ergebnis, dass eine jährliche mammographische Untersuchung keinen eindeutigen Nutzen für die Erkennung von Brustkrebs hat?
Mickan: Mit "eindeutiger Nutzen" ist in dieser Publikation eine statistisch signifikante Senkung der Brustkrebssterblichkeit gemeint. Es konnte jedoch eine relative Risikoreduktion um 24% im Vergleich zu nicht untersuchten Frauen im Beobachtungszeitraum von 10,7 Jahren festgestellt werden. Dass diese Reduktion nicht höher ausfiel, liegt unter anderem daran, dass die methodische Zuverlässigkeit der Mammographie im Rekrutierungszeitraum von 1991 bis 1997 sicher geringer war als heute und dass die Inzidenz des Mammakarzinoms zwischen 40 und 50 Jahren noch geringer ist als nach dem 50. Lebensjahr. - Alles in Allem also keine überraschende Schlussfolgerung.
DAZÄltere Frauen profitieren von einer Mammographie, jüngere nicht oder nur in geringem Ausmaß. Woran liegt das?
Mickan: An der besseren Transparenz des weniger dichten Drüsengewebes und der statistisch höheren Wahrscheinlichkeit eines positiven Befundes. Da aber zur senologischen Untersuchung neben einer manuellen Tast-Untersuchung die Mammographie und eine Ultraschall-Diagnostik gehört, lässt sich damit die Fehlerquote bei jüngeren Frauen verringern.
DAZTreten bei jüngeren Frauen häufiger falsch positive oder falsch negative Befunde auf als bei älteren Frauen?
Mickan: Eher falsch negative, wegen der schwierigeren Beurteilbarkeit der Mammographiebilder. In Röntgen-dichtem Gewebe können Karzinomverdächtige Strukturen oder auch Vorstufen mit Mikrokalk leichter maskiert sein.
DAZWird bei jüngeren Frauen eine andere Strahlendosis gewählt als bei älteren?
Mickan: Die Belichtungsautomatik der Mammographiegeräte führt wohl zu einer geringfügig höheren Dosis, um die Transparenz zu verbessern. Damit lassen sich die Gewebeunterschiede aber nicht völlig kompensieren.
DAZWie hoch schätzen Sie das Risiko eines strahleninduzierten Tumors ein? Steigt es bei frühen Mammographien an?
Mickan: Da mögliche Strahlenfolgen eine Latenzzeit von zehn bis 20 Jahre haben können, könnte dies für jüngere Frauen von größerer Bedeutung sein als für die ältere Frau. Nach Berechnungen der kumulativen Strahlendosis würde bei einer jährlichen Mammographie über zehn Jahre das Tumorrisiko jedoch nur um rund 0,6% steigen. Das durchschnittliche Risiko einer Frau an einem Mammakarzinom zu erkranken, liegt aber ohnehin bei 10 bis 12%. Andere Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Alkohol etc. verursachen eine vergleichsweise deutlich höhere Risikozunahme.
DAZIst eine Sonographie eine Alternative bei jüngeren Patientinnen?
Mickan: Die Sonographie gehört wie die manuelle Abtastung der Brust und der Lymphbereiche ohnehin zu einer senologischen Untersuchung. Sie kann auch eine Mammographie im jährlichen Abstand ersetzen, sodass diese nur alle zwei Jahre erfolgen muss. Bei strahlendichtem Brustgewebe und bei bestimmten Tumorarten (z. B. lobuläres Karzinom) hat die Sonographie manchmal eine höhere diagnostische Sicherheit im Vergleich zur Mammographie.
DAZWas raten Sie einer 40-jährigen Frau? Mammographie ab 40 oder warten bis 50?
Mickan: Die meisten Studien zum Wert der Mammographiediagnostik haben deren Nutzen bewiesen. Je nach persönlichem Risiko empfehle ich die Mammographie auch schon früher als mit 40 Jahren (etwa bei familiärer Malignombelastung). Da Mammakarzinome eine längere Entstehungsgeschichte über gewisse, mammographisch erkennbare Vorstufen haben, kann deren Frühdiagnostik und folgende Therapie die Erkrankung an einem invasiven Karzinom möglicherweise verhindern. Ob dadurch die Häufigkeit unnötiger diagnostischer Eingriffe und Operationen erhöht wird, ist eine noch nicht endgültig geklärte Frage.
DAZHerr Professor Mickan, vielen Dank für das Gespräch!
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.