Diabetes mellitus

Typ-2-Diabetes mit Gewichtsreduktion und Sport bekämpfen

Die Zahl der Menschen, die an einem Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt sind, ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die Ursache des Typ-2-Diabetes wird zum einen in einer genetischen Prädisposition, zum anderen in den Auslösefaktoren Übergewicht und Bewegungsmangel gesehen. Die Pathogenese des Typ-2-Diabetes besteht aus zwei Komponenten, der Insulinresistenz und einer Insulinsekretionsstörung. Seit vielen Jahren wird postuliert, dass der Typ-2-Diabetes in der Frühphase durch Gewichtsabnahme und vermehrte körperliche Aktivität sehr gut behandelt werden kann. Dies konnte nun in prospektiven klinischen Interventionsstudien eindeutig belegt werden. In dieser Übersichtsarbeit soll diskutiert werden, wie in der täglichen Praxis Patienten mit einem erhöhten Diabetesrisiko identifiziert und der Typ-2-Diabetes in einer frühen Phase diagnostiziert werden kann. Zusätzlich sollen Möglichkeiten der Prävention und der Behandlung des Typ-2-Diabetes durch nicht-pharmakologische Maßnahmen diskutiert werden.

Auch wenn der Typ-2-Diabetes in der Regel über viele Jahre asymptomatisch verläuft, können Patienten mit einem erhöhten Risiko anhand von anamnestischen Angaben identifiziert werden (Tab. 1). Da der Typ-2-Diabetes in Familien gehäuft vorkommt, scheint eine genetische Ursache vorzuliegen. Jedoch sind für den überwiegenden Teil der Typ-2-Diabeteserkrankungen die entsprechenden Gene bisher noch nicht identifiziert worden. Insofern sollte eine familiäre Belastung im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen in der Anamnese abgefragt werden. Aber auch die betroffenen Patienten mit Typ-2-Diabetes sollten darüber informiert werden, damit dieses Thema in der Familie diskutiert und auf entsprechende Früherkennungsuntersuchungen geachtet wird.

Der Typ-2-Diabetes ist der Eisberg einer Reihe an Erkrankungen, die zum metabolischen Syndrom zusammengefasst werden [1;2]. Neben der Insulinresistenz und der Glucosestoffwechselstörung gehören dazu stammbetonte Adipositas, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörung und Hyperurikämie. Sind bei einem Patient kein Diabetes, jedoch andere Komponenten des metabolischen Syndroms bekannt, sollte hier vermehrt auf einen Typ-2-Diabetes geachtet werden. Das Risiko, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken, steigt zwar mit dem Alter (Abb. 1), jedoch können auch Kinder an einem Typ-2-Diabetes erkranken [3]. Frauen, bei denen in der Schwangerschaft ein Gestationsdiabetes aufgetreten ist, haben ebenfalls ein hohes Risiko, im Laufe des Leben an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken.

Um die Gruppe der Personen mit einem erhöhten Diabetesrisiko zu identifizieren, wurde am Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut ein Risikofragebogen entwickelt (Abb. 2), der von den Patienten selbstständig ausgefüllt werden kann und zu weiteren Untersuchungen im Fall einer erhöhten Punktzahl führen sollte.

Wie kann der Typ-2-Diabetes vor der Manifestation diagnostiziert werden?

In der Medizin ist es üblich, Erkrankungen anhand von Leitsymptomen zu diagnostizieren. Im Fall des Typ-2-Diabetes, wie auch bei Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen, verspürt der Patient in der Regel keine Symptome. Da diese Erkrankungen mit einer erhöhten vaskulären Mortalität verbunden sind, müssen sie durch spezielle Vorsorgeuntersuchungen erkannt werden. Der Typ-2-Diabetes kann entweder durch erhöhte Nüchternblutglucosewerte oder durch einen Blutglucosebelastungstest diagnostiziert werden (Tab. 2). Die aktuellen Grenzwerte für die Diabetesdiagnose sind in den Leitlinien den Deutschen Diabetesgesellschaft zusammengefasst [4;5].

Pathologische Glucosetoleranz mit Risiken

Vor der Manifestation des Typ-2-Diabetes durchläuft der überwiegende Teil der Patienten eine Zwischenstufe, die als pathologische Glucosetoleranz bzw. im englischen Sprachraum als "impaired fasting glucose" (IGT) bezeichnet wird. Dabei liegt die Nüchternblutglucose im Normbereich und der 2-Stundenwert nach Glucosebelastung zwischen 140 und 200 mg/dl. Es konnte gezeigt werden, dass jedes Jahr ca. 5 bis 10% der Personen mit einer pathologischen Glucosetoleranz einen Typ-2-Diabetes entwickeln. Eine Entwicklung hin zur normalen Glucosetoleranz ist jedoch auch möglich. Die Phase der pathologischen Glucosetoleranz ist aber nicht ganz ungefährlich, da für diese Personen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko beschrieben worden ist. Insofern wurde in den vergangenen Jahren mit Interventionstudien begonnen, bei denen durch Änderung des Lebenstils bzw. pharmakologische Maßnahmen versucht wurde, die Konversion von einer pathologischen Glucosetoleranz zu einem Typ-2-Diabetes zu verhindern.

Welche Änderungen des Lebenstils sind hilfreich?

In einer Vielzahl an epidemiologischen Studien konnten Übergewicht und verminderte körperliche Aktivität als die entscheidenden Auslösefaktoren für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes identifiziert werden [6;7]. So gehören in den USA die Nurses Health Study mit über 84.000 Frauen und die Health Professional Follow-up Study mit über 51.000 Männern zu den größten dieser Studienformen. Diese Studien wurden 1976 bzw. 1986 begonnen, indem anhand von Fragebögen medizinische, Lebensstil- und andere Gesundheitsinformationen abgefragt wurden. In regelmäßigen Abständen wurden diese Personen erneut angeschrieben und das Auftreten von Erkrankungen bzw. das Versterben erfasst. So konnte beschrieben werden, dass das relative Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln, mit steigendem BMI dramatisch ansteigt und mit steigender sportlicher Aktivität abfällt [8] (Abb. 3). Interessanterweise nahm das Diabetesrisiko mit steigendem Alkoholkonsum ebenfalls ab.

Finnische Interventionsstudie liefert den Beweis

Da man bei solchen Studien nicht ausschließen kann, dass weitere Einflussfaktoren eine Rolle spielen, die bei den Fragebögen nicht erfasst werden, wird für den endgültigen Beweis immer eine Interventionsstudie gefordert. So wurde im Mai 2001 die Finnische Diabetes Präventionsstudie publiziert, die schon jetzt als historische Publikation gesehen werden muss [9]. In dieser Studie wurden 522 Personen mit einem pathologischen Glucosetoleranztest in eine Interventions- und eine Kontrollgruppe randomisiert. Die Personen der Kontrollgruppe erhielten generelle Empfehlungen für gesunde Ernährung und körperliche Aktivität zu Beginn der Studie, anschließend in jährlichem Abstand. Die Interventionsgruppe wurde wesentlich intensiver betreut. Dabei wurde eine Gewichtsabnahme von mindestens 5% durch fettarme und ballaststoffreiche Kost angestrebt. Zusätzlich wurden die Personen durch häufige Gespräche motiviert, sich täglich mindestens 30 Minuten lang mittelstark körperlich zu belasten. Nach einem Jahr kam es in der Interventionsgruppe zu einer Gewichtsabnahme, während das Gewicht in der Kontrollgruppe zunahm (Abb. 4a). Auch nach zwei Jahren bestanden signifikante Gewichtsunterschiede zwischen den beiden Gruppen. Auch das Ausmaß an sportlichen Aktivitäten war bei den Gruppen unterschiedlich. Bei der ersten Zwischenanalyse aller neu entwickelten Diabetesfälle wurde die Studie aus ethischen Gründen abgebrochen, da es in der Interventionsgruppe mit 11% im Vergleich zur Kontrollgruppe mit 23% zu einer signifikanten Diabetesprävention um 58% gekommen war (Abb. 4b). Dabei zeigte sich, dass die Diabetesentwicklung umso geringer war, je erfolgreicher die angestrebte Änderung des Lebensstils umgesetzt wurde. Historisch muss die Studie bezeichnet werden, da es erstmals auf Gundlage "Evidenz- basierter Medizin" gelungen ist zu zeigen, dass durch eine Änderung des Lebensstils medizinische Endpunkte verhindert bzw. verzögert werden können.

Bei einer Anfang 2002 publizierten amerikanischen Studie (DPP) [10] führte die Lebensstiländerung zu der identischen prozentualen Diabetesreduktion von 58%. In diesen Studien kam es zusätzlich zu einer Besserung des Blutdrucks sowie der Lipidparameter, so dass durch die Lebensstil-Änderung alle Komponenten des metabolischen Syndroms positiv beeinflusst werden können.

Auch nach der Manifestation des Typ-2-Diabetes spielen nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen eine wichtige Rolle. So wird in den Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft eine dreimonatige Therapie in Form von Änderung des Lebensstils empfohlen. Dass dies auch langfristig erfolgreich sein kann zeigen bereits 1991 publizierte Ergebnisse aus der Malmö Preventive Study [11], wo nach sechs Jahren noch immer 50% der ursprünglich mit Typ-2-Diabetes diagnostizierten Personen nach Lebensstilumstellung (Gewichtsabnahme und vermehrte körperliche Aktivität) in einer kompletten Remission waren.

Welche Rolle spielt die Eigenverantwortung des Patienten bei Typ-2-Diabetes?

Der Typ-2-Diabetes zeichnet sich dadurch aus, dass er in den frühen Phasen symptomlos verläuft. Um betroffenen Personen die Chance zur Eigenverantwortung zu geben, hat sich in der klinischen Erfahrung die Blutglucose-Selbstkontrolle (BGSK) bewährt. Vermittelt man Personen mit Typ-2-Diabetes durch BGSK Kenntnis über Veränderungen ihrer Blutglucosewerte, ermöglicht dies Anpassungen im täglichen Lebensstil. Jedoch gibt es bisher nur wenige prospektive randomisierte Studien, bei denen der Einfluss von BGSK auf den HbA1c untersucht wurde. Diese Studien haben zum Teil erhebliche methodische Schwächen und umfassen sehr kleine Patientenkollektive.

Blutzuckerselbstkontrolle führt zu besseren HbA1c-Werten

Eine kürzlich erschienene Metaanalyse der Cochrane Library [12] sowie ein systematisches Review [13] kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass durch BGSK der HbA1c signifikant absinkt. Zur Rolle der Harnglucose-Selbstkontrolle bei Typ-2-Diabetes gibt es noch weniger Studien, die zusätzlich noch älteren Datums sind und die aktuelle Therapie des Typ-2-Diabetes nicht reflektieren. Der Nachteil besteht darin, dass man nur erhöhte Werte mit einer gewissen Latenzphase nachweisen kann und die Nierenschwelle sehr variabel sein kann. Zusätzlich sind die Zielwerte zur Behandlung des Typ-2-Diabetes, insbesondere bei jüngeren Patienten, in den letzten Jahren gesenkt worden, so dass auch bei negativem Urinbefund therapiebedürftige Blutglucosewerte vorliegen können.

Bei der BGSK muss jedoch bedacht werden, dass es sich um ein diagnostisches und nicht um ein therapeutisches Verfahren handelt. Diagnostische Verfahren in der Medizin lassen sich nicht in einer kontrollierten randomisierten Studie auf ihre Wirksamkeit prüfen. Untersucht werden können nur die therapeutischen Konsequenzen einer diagnostischen Maßnahme. Bei anderen diagnostischen Verfahren wurde deren Bedeutung für Patienten mit Hilfe von Beobachtungsstudien nachgewiesen. Das generelle Problem bei diagnostischen Verfahren liegt in der Motivation von Arzt und Patient, diese durchzuführen. Ein Patient, der auf Vorsorgeuntersuchungen achtet und sich in den empfohlenen Abständen einer Koloskopie unterzieht, verhält sich generell anders als einer, der dies nicht tut. Im Fall einer randomisierten Studie, bei der generell stärker motivierte Patienten aufgenommen werden, müsste ein Teil der Patienten durch das Unterlassen der diagnostischen Maßnahme im Grunde genommen demotiviert werden. Im Fall von BGSK und Typ-2-Diabetes wurde es in den bisherigen Studien nur der Surrogatparameter HbA1c analysiert, nicht jedoch klinische Endpunkte. Um wirklich den kausalen Einfluss von BGSK auf die Langzeitprognose von Patienten mit Typ-2-Diabetes zu analysieren, müsste die Studie zusätzlich geblindet werden. So würden alle Patienten über Jahre angehalten werden, BGSK zu betreiben und nur die Hälfte würde einen reellen Wert angezeigt bekommen, während die andere Hälfte einen Placeboteststreifen erhalten würde. Allein die Tatsache des "sich Stechens" könnte möglicherweise einen Einfluss auf das Verhalten der Patienten haben.

Aus diesen Gründen wurde vom DDZ kürzlich eine Beobachtungsstudie durchgeführt, bei welcher der Einfluss von BGSK auf die Langzeitkomplikationen und das Überleben von Patienten mit Typ-2-Diabetes untersucht wurde. Die Ergebnisse wurden im Februar 2006 in der Zeitschrift "Diabetologia" [14] publiziert. In dieser retrospektiven epidemiologischen Kohortenstudie "Selbstmessung der Blutglucose und Outcome bei Personen mit Typ-2-Diabetes" (ROSSO) wurden aus 192 zufällig ausgewählten hausärztlichen bzw. internistischen Praxen alle Patienten, bei denen im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 1999 ein Typ-2-Diabetes-mellitus neu diagnostiziert wurde, erfasst. Die Datenvalidität wurde durch ein Prüfverfahren mit Hilfe von speziell ausgebildeten Personen, sogenannten Studienmonitoren, überprüft. Die ROSSO- Kohorte umfasst 3268 Patienten mit einer mittleren Beobachtungsdauer von 6,5 Jahren, was mehr als 20.000 Patientenjahren entspricht. Als klinische Endpunkte wurde die Mortalität oder ein kombinierter nicht-tödlicher Endpunkt, bestehend aus Myokardinfarkt, Schlaganfall, Erblindung, Hämodialyse oder Amputation definiert. Insgesamt führten 47% der Patienten im Beobachtungszeitraum für mindestens ein Jahr BGSK durch und wurden im Vergleich zu den Personen ohne BGSK analysiert.

Blutglucoseselbstkontrolle verbessert Langzeitprognose

Im Beobachtungszeitraum traten 120 tödliche und 293 nicht-tödliche Ereignisse auf, wobei die Rate an nicht-tödlichen Ereignissen in der Gruppe ohne BGSK bei 10,4% gegenüber 7,2% in der mit BGSK (p = 0,002) lag (Abb. 5 a). Die entsprechende Rate an tödlichen Ereignissen lag bei 4,6% gegenüber 2,7% (p = 0,004) (Abb. 5 b). Die Gruppe der Patienten mit BGSK wies ein 51% niedrigeres Risiko für tödliche (p < 0,003) und ein 32% niedrigeres Risiko für nicht-tödliche Ereignisse (p = 0,009) auf, wenn Unterschiede in Ausgangscharakteristika der beiden Studiengruppen durch statistische Verfahren, einer sogenannten multiplen Adjustierung, korrigiert wurden. In verschiedenen Subanalysen zeigte sich das Ergebnis zwischen den Gruppen mit BGSK bzw. ohne BGSK sehr stabil. Auch wenn die Patienten ohne Insulintherapie separat analysiert wurden, blieb das Ergebnis sowohl für tödliche wie auch für nicht-tödliche Ereignisse statistisch signifikant. Somit zeigt diese Arbeit zum ersten Mal eine Assoziation von BGSK und einer besseren Langzeitprognose für Patienten mit Typ-2-Diabetes.

Blutglucoseselbstkontrolle – aber wie?

Wie sollte man einen Patienten, speziell mit neu diagnostiziertem Typ-2-Diabetes, anleiten, BGSK zu betreiben? Hierzu hat das Deutsche Diabetes-Zentrum kürzlich Handlungsanweisungen publiziert [15], die aktuell diskutiert werden. Wichtig ist, den Patienten zu zeigen, wie sich die Blutglucose bei der aktuellen Lebensführung verhält. Somit sehen die Handlungsanweisungen vor, dass die Patienten nach der Manifestation bzw. Diagnose eines Typ-2-Diabetes oder beim Nachweis eines erhöhten HbA1c -Wertes die Blutglucose vor und 1,5 bis 2 Stunden nach den Hauptmahlzeiten bestimmen. Dabei sollte die Blutglucose prä- und postprandial (1,5 – 2 Stunden) nach den Hauptmahlzeit bestimmt werden. Häufig sind die Patienten bereits nach einem Tagesprofil von der Höhe der Blutglucosewerte überrascht. Anschließend sollten die Patienten an einer strukturierten Schulung teilnehmen und dann versuchen, die Inhalte umzusetzen. Nach wenigen Tagen kann der Erfolg dieser Maßnahmen durch ein erneutes Blutglucosetagesprofil überprüft werden. Man sollte dann die Patienten auffordern, die Auswirkungen ganz bestimmter Nahrungsmittel auf die Blutglucose prä- und postprandial zu testen, dies wird gerne als Erlebnis-gesteuerte Blutzuckermessung bezeichnet. Man kann die negativen Auswirkungen einer Tafel Schokolade sicher in der Schulung ausführlich darstellen, das persönliche "Experiment" hat jedoch deutlich stärkere Auswirkungen auf das künftige Verhalten. Der positive Einfluss von abendlichem Sport kann auf der anderen Seite durch verbesserte Blutglucosespiegel am Morgen belegt werden. Nach dieser Schulungsphase benötigen motivierte Patienten in der Regel nur noch zwei bis drei Nüchternmessungen in den ersten Wochen. Manche Patienten verzichten ganz auf weitere Blutglucosemessungen, andere benötigen nach eigenen Aussagen die regelmäßige Überprüfung. Diese persönlichen Erfahrungen aus der klinischen Praxis zeigen sehr deutlich, dass BGSK nicht nur eine diagnostische, sondern auch ein Motivationsinstrument ist. Weitere Studien werden sicher notwendig sein, um die optimale Testfrequenz zu ermitteln. Dabei wird es sicher wichtig sein, die persönliche Einstellung des Patienten zu berücksichtigen.

Bedeutung für die Arbeit des Apothekers

Bei der Beratung durch den Apotheker sollten Personen mit Typ-2-Diabetes unbedingt auf das therapeutische Potenzial nicht-pharmakologischer Maßnahmen hingewiesen werden. Verwandte von Personen mit Diabetes oder Personen, die an Komponenten des metabolischen Syndroms erkrankt sind, sollten den Hinweis erhalten, sich beim Hausarzt einer Diabetes-Vorsorgeuntersuchung in Form eines oralen Glucosetoleranztest (OGTT) zu unterziehen. Dabei reicht die Bestimmung des Blutzuckers in der Apotheke nicht aus, da nur durch den OGTT ein Diabetes mellitus ausgeschlossen werden kann. Außerdem sind dafür validierte Messverfahren notwendig, die bei den häufig in der Apotheke verwendeten Geräten zur Blutglucose-Selbstkontrolle nicht gewährleistet ist. Diese Geräte können aber beim manifesten Typ-2-Diabetes eine wichtige Rolle bei der Motivation zur Änderung der Lebensführung des Patienten spielen. Hier können in der Apotheke nicht nur Hilfe bei der technischen Bedienung der Geräte, sondern auch wichtige Ratschläge für die Durchführung von Blutzuckertagesprofilen oder die Erlebnis-gesteuerte Blutzuckermessung gegeben werden.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Stephan Martin

Deutsche Diabetes-Klinik

Deutsches Diabetes-Zentrum

Leibnizzentrum für Diabetesforschung

an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Auf’m Hennekamp 65

40225 Düsseldorf

Literatur

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[11] Eriksson, K.F., Lindgarde, F.: Prevention of type 2 (non-insulin-dependent) diabetes mellitus by diet and physical exercise. The 6-year Malmo feasibility study. Diabetologia 34:891-898 (1991).

[12] Welschen, L.M., Bloemendal, E., Nijpels, G., Dekker, J.M., Heine, R.J., Stalman, W.A., Bouter, L.M.: Self-monitoring of blood glucose in patients with type 2 diabetes who are not using insulin. Cochrane.Database.Syst.Rev.CD005060, (2005).

[13] Welschen, L.M., Bloemendal, E., Nijpels, G., Dekker, J.M., Heine, R.J., Stalman, W.A., Bouter, L.M.: Self-monitoring of blood glucose in patients with type 2 diabetes who are not using insulin: a systematic review. Diabetes Care 28:1510-1517 (2005).

[14] Martin, S., Schneider, B., Heinemann, L., Lodwig, V., Kurth, H.J., Kolb, H., Scherbaum, W.A.: Self-monitoring of blood glucose in type 2 diabetes and long-term outcome: an epidemiological cohort study. Diabetologia 49:271-278 (2006).

[15] Martin, S., Kolb, H., Scherbaum, W.A.: Role of self-monitoring of blood glucose in Type 2 Diabetes. Diabetes Stoffwechsel und Herz. 2006. Diab.Stoffw.Herz 15: 45-54 (2006).

Tab. 1: Risikomarker für Typ-2-Diabetes
Genetische Prädisposition
Metabolisches Syndrom
   Insulinresistenz
   Glucosestoffwechselstörung
   Adipositas
   Arterielle Hypertonie
   Dyslipoproteinämie
   Hyperurikämie
Gestationsdiabetes
Tab. 2: Diabetes mellitus: Diagnostische Kriterien
Venöse Plasmaglucose
mg/dl (mmol/l)
Nüchtern
   Diabetes
   IGT

> 126 (> 7,0)
> 110 (> 6,1)
OGTT 2h
   Diabetes
   IGT

> 200 (> 11,1)
> 140 (> 7,8)
Zusammenfassung
Der Typ-2-Diabetes entwickelt sich zunehmend zu einem gesundheitsökonomischen Problem, da die Erkrankungshäufigkeit sowie die diabetischen Folgeerkrankungen kontinuierlich ansteigen. Vor der Manifestation des Typ-2-Diabetes kommt es zu einer pathologischen Glucosetoleranz, die durch einen Blutglucosebelastungstest diagnostiziert werden kann. Erfreulicherweise konnte durch prospektive Interventionsstudien gezeigt werden, dass die Progression zum Typ-2-Diabetes durch eine Gewichtsnormalisierung und vermehrte körperliche Aktivität verhindert oder zumindest verzögert werden kann. Auch nach Manifestation des Typ-2-Diabetes kann eine nicht-medikamentöse Therapie zu einer Normalisierung der diabetischen Stoffwechsellage führen.
In einer kürzlich publizierten Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Eigenverantwortung in Form von Blutglucose-Selbstkontrolle (BGSK) bei Personen mit Typ-2-Diabetes einen erheblichen Einfluss auf die Langzeitprognose hat. In der großen epidemiologischen Kohortenstudie ROSSO wurden die Verläufe von über 3000 neu-diagnostizierten Personen mit Typ-2-Diabetes über 6,5 Jahre analysiert. Patienten, die die Blutglucose-Selbstkontrolle durchführten, hatten ein 51% niedrigeres Risiko für tödliche und ein 32% niedrigeres Risiko für nicht-tödliche Ereignisse im Vergleich zu den ohne diese diagnostische Maßnahme.
Insgesamt ergibt sich ein hohes therapeutisches Potenzial nicht-medikamentöser Interventionen bei Typ-2-Diabetes.

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