Arzneimittel und Therapie

Dengue- und West-Nil-Fieber

"Mehr Fälle in Europa durch zunehmende Reiseaktivität ..."

Mit Beginn der Reisesaison wird verstärkt auf die Gefahren von Dengue- und West-Nil-Fieber hingewiesen. Wer gefährdet ist und ob mit einer Ausbreitung in Deutschland und Europa gerechnet werden muss, darüber haben wir mit Prof. Dr. Thomas Weinke, Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie/Infektiologie/Pneumologie des Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam gesprochen.

DAZ Herr Professor Weinke, welche Rolle spielen das West-Nil- und das Dengue-Fieber in Deutschland? Welche Gefahren gehen von ihnen aus? Muss mit einer Ausbreitung gerechnet werden?

Weinke: Das West-Nil-Virus war in der Vergangenheit vereinzelt in Südeuropa aufgetreten und hat sich in den USA seit 1999 rasant verbreitet. Es wurde daher befürchtet, dass der Erreger unerkannt bereits auch Deutschland erreicht haben könnte. Infektionen wären durch Stiche von verschiedenen Mücken denkbar (unter anderem Culex- und Aedes-Arten), die Kontakt zu infizierten Zugvögeln hatten. Bernhard-Nocht-Institut (BNI), Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Robert Koch-Institut (RKI) haben in einer umfangreichen Studie das Vorkommen des West-Nil-Virus in Deutschland untersucht. Die Ergebnisse des kürzlich beendeten Forschungsprojektes zeigen, dass derzeit kein Infektionsrisiko in Deutschland besteht. Bisher gab es nur einige wenige aus dem Ausland nach Deutschland eingeschleppte Infektionen.

Dengue-Fieber kommt in vielen tropischen und subtropischen Gebieten außerhalb Europas endemisch vor. Die Übertragung erfolgt durch Stechmücken der Gattung Aedes. Aedes-Mücken kommen seit den 70er Jahren zwar auch in Italien vor, Krankheitsübertragungen sind aber in Europa bisher nicht bekannt geworden. Somit besteht aktuell in Deutschland keine Gefahr einer Übertragung. Wichtige Übertragungsgebiete sind Asien (u. a. Thailand, Indonesien, Indien, Sri Lanka) sowie Lateinamerika (Brasilien, Mittel-Amerika), wo es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Epidemien kam. Das Dengue-Risiko ist in den Endemiegebieten saisonal unterschiedlich mit einer Häufung in der Regenzeit. Wegen zunehmender Reiseaktivität in die Endemiegebiete kam es in den letzten Jahren auch zu einem Inzidenzanstieg der nach Europa und Deutschland importierten Fälle. Die Zahl der in Deutschland gemeldeten Fälle lag in den letzten Jahren zwischen 120 und 220 pro Jahr, wobei von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen ist.

DAZ

Wie schützt man sich am besten vor diesen Erkrankungen, sind Impfstoffe in Sicht?

Weinke: Impfstoffe sind derzeit weder gegen das West-Nil-Virus noch gegen das Dengue-Virus verfügbar. Zwar wird an Impfstoffen gearbeitet, doch bleibt es derzeit spekulativ zu sagen, wann diese die erforderlichen klinischen Prüfungen durchlaufen haben und eine Zulassung bekommen werden.

Es ist daher eine konsequente Anwendung von Maßnahmen zur Vermeidung von Insektenstichen erforderlich, um das Risiko von durch Arthropoden übertragenen Erkrankungen erheblich zu verringern. Dies beinhaltet die auch in der Malaria-Expositionsprophylaxe bekannten Möglichkeiten, wie Moskitonetz, den Einsatz von Repellents (Wirkstoffe DEET, z. B. Nobite® oder Icaridin, z. B. Autan®). Auch das Tragen von hautbedeckender heller Kleidung sollte beachtet werden.

DAZ

Bietet eine einmal durchgemachte Infektion mit den Erregern des Dengue- und West-Nil-Fiebers Schutz vor weiteren Infektionen?

Weinke: Beim West-Nil-Virus geht man davon aus, dass eine einmal durchgemachte Infektion eine lebenslange Immunität hinterlässt. Dieser Schutz vor einer Zweitinfektion kann mit zunehmendem Abstand zur Erstinfektion schwächer werden, ist aber über die T-Lymphozyten ("memory cells") boosterbar.

Beim Dengue-Virus sorgt eine durchgemachte Infektion für eine langanhaltende, serotypenspezifische Immunität. Es gibt jedoch keinen Schutz vor einer Infektion mit anderen Serotypen. Eine Zweitinfektion mit einem anderen Serotyp verläuft meist schwerer und kann die Komplikation eines Denguehämorrhagischen Fiebers zur Folge haben.

DAZ

Herr Professor Weinke, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Gespräch führte Dr. Doris Uhl.

Prof. Dr. Thomas Weinke Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie/Infektion/Pneumologie Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH Charlottenstr. 14467 Potsdam
Die überwiegende Zahl der West-Nil-Infektionen verläuft asymptomatisch, etwa 20% der Infizierten entwickeln eine fieberhafte, grippeähnliche Erkrankung, die 3 bis 6 Tage andauert. Zur Symptomatik gehören Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Myalgien, Abgeschlagenheit und ein Exanthem. Nur etwa jede 150. Person erkrankt schwer mit dem Bild einer Meningitis oder Enzephalitis, an der vor allem ältere Patienten versterben können (Letalität der Enzephalitis 15 bis 40%). Wie bei vielen Virusinfektionen ist die Behandlung rein symptomatisch.
Prof. Dr. Thomas Weinke

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