Arzneimittel und Therapie

Harnsteinleiden

Spontane Ablösung durch Alpha-Blocker und Calciumantagonisten

Standard in der Therapie von Harnsteinleiden ist heute die Entfernung oder Zertrümmerung der Steine mit minimalinvasiven Verfahren, die aber kostenintensiv und nicht risikolos sind. Grundsätzlich besteht auch die Chance, dass ein Stein von alleine abgeht. Möglicherweise erhöhen Alpha-Blocker und Calciumantagonisten die Wahrscheinlichkeit für eine spontane Ablösung.

Harnsteinleiden sind ein häufiges, schmerzhaftes und nicht ungefährliches Problem. Das Lebenszeitrisiko, einmal ein Harnsteinleiden zu entwickeln, beträgt in Europa 5 bis 12%. Die Kosten für die Entfernung der Steine sind beträchtlich.

Die Behandlung des Harnsteinleidens erfolgt heute in der Regel durch Zertrümmerung und Entfernung der Steine mit minimalinvasiven Methoden. Nur in wenigen Ausnahmesituationen ist eine offene Operation zur Steinentfernung notwendig. Minimalinvasive Verfahren zur Steinentfernung sind:

  • extrakorporale Stoßwellenbehandlung
  • direkte instrumentelle Nierensteinentfernung mit perkutaner Litholapaxie
  • Harnleiterspiegelung mit Steinentfernung (Ureterrenoskopie)

Trotz dieser Fortschritte muss beachtet werden, dass auch diese minimalinvasiven Verfahren nicht risikolos sind und die Rezidivgefahr relativ hoch ist. Bei 4 bis 50% der Patienten ist eine erneute Behandlung nötig.

Chance auf Spontanablösung

Bei Harnsteinleiden besteht immer auch die Chance, dass der Stein spontan abgeht. Wenn keine akute Indikation zur Steinentfernung besteht, zum Beispiel bei obstruktiver Pyelonephritis oder Menschen mit nur einer Niere und die Schmerzen erträglich oder behandelbar sind, kann der Versuch, eine Spontanablösung abzuwarten, gerechtfertigt sein. Die Wahrscheinlichkeit hängt stark von der Größe des Steins und auch von der Lokalisation ab. Für Steine im distalen Harnleiter, die kleiner als 5 mm sind, sind Spontanablösungsraten von 71 bis 98% beschrieben.

Schon lange wird überlegt, ob dieser spontane Prozess durch Arzneimittel unterstützt werden kann. Zwei Arzneistoffgruppen kommen dafür in Frage: Alpha-Blocker wie Tamsulosin, sonst eingesetzt bei benigner Prostatahyperplasie, sollen den Muskeltonus rund um die Harnleiter senken. Ähnliches können Calciumantagonisten durch Blockade der Calciumionenkanäle bewirken.

Alpha-Blocker und Calciumantagonisten fördern den Spontanabgang

Obwohl es kleine Studien mit guten Erfolgen zur Therapie mit Alpha-Blockern oder Calciumantagonisten in Kombination mit Glucocorticoiden bei Harnsteinleiden gibt, wird die Therapie kaum versucht. Eine große Studie fehlt bislang. Nun wurden die Daten von neun kleineren Studien in einer Metaanalyse zusammengefasst. Insgesamt hatten 1261 Patienten eine medikamentöse Therapie erhalten. Demgegenüber standen 291 Kontrollpatienten. Die Wahrscheinlichkeit für eine spontane Ablösung des Steins war bei den medikamentös behandelten Patienten um 65% größer. Dies bedeutet, dass von vier so behandelten Patienten, einer seinen Harnstein spontan verlieren würde.

Qualitativ hochwertige Studie nötig

Die Aussagekraft der vorliegenden Metaanalyse wird durch die große Heterogenität der analysierten Studien eingeschränkt, da verschiedene Arzneistoffe, in unterschiedlicher Dosierung und über verschiedene Zeiträume gegeben wurden. Auch die Frage, ob die zusätzliche Gabe von Glucocorticoiden das Behandlungsergebnis weiter verbessert, kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden.

Angesichts der Risiken und Kosten, die auch minimalinvasive Verfahren verursachen, wäre eine qualitativ hochwertige Studie zum Einsatz von Alpha-Blockern und Calciumantagonisten bei Harnsteinleiden sehr sinnvoll. Die unerwünschten Wirkungen einer solchen medikamentösen Therapie scheinen gering zu sein. In der vorliegenden Metaanalyse wurden diese allerdings nur am Rande untersucht. <

Quelle

Hollingsworth, J.M.: Medical therapy to facilitate urinary stone passage: a meta-analysis. Lancet 368, 1171-1179 (2006).

Caughey, A.B.: Medical therapy for urinary stone passage. Lancet 368 , 1138-1139 (2006).

Bichler, K.H.; et al.: Behandlung des Harnsteinleidens. Med. Monatsschr. Pharm. 26 , 272-277 (2003).

Apothekerin Bettina Martini
Entstehung: Harnsteinleiden (lat.: Urolithiasis) entstehen durch feste Gebilde (Konkremente) in den ableitenden Harnwegen, also in den Nieren (Nierensteine), im Harnleiter (Harnleitersteine, Uretersteine) und gelegentlich auch in der Harnblase (Blasensteine). Harnsteine können entstehen, wenn Mineralsalze ausgefällt werden, die normalerweise im Urin gelöst sind, beispielsweise Calciumcarbonat, Calciumphosphat und Calciumoxalat. Bei einem hinreichend großen Säuregehalt des Urins bilden sich zunächst kleine Kristalle, die sich allmählich zu größeren Gebilden zusammenfügen.
Ursachen: Die Ursachen sind unterschiedlich, zum Beispiel können Steine infolge einer Entzündung der Nieren oder der ableitenden Harnwege, aufgrund einer zu engen Harnröhre oder als Folge von Gicht und Zuckerkrankheit oder durch Genuss von übermäßig viel Oxalsäure in bestimmten Lebensmitteln, entstehen.
Symptome: Harnsteine bleiben häufig lange Zeit unbemerkt und werden erst (meist unter extrem starken, krampfartigen Schmerzen [Kolik]) auffällig, wenn sie sich im Nierenbecken oder im Harnleiter verklemmen. Steine aus Calciumsalzen können im Röntgenbild, Steine aus Harnsäure ("Uratsteine") mit Ultraschall sichtbar gemacht werden.

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