Arzneimittel und Therapie

Rosiglitazon unter Verdacht

Erhöht das orale Antidiabetikum Rosiglitazon (Avandia®) das Herzinfarktrisiko? Diese Frage wird zurzeit heftig diskutiert. Im Rahmen einer vor Kurzem veröffentlichten Metaanalyse war ein signifikant erhöhtes Herzinfarktrisiko unter dem Glitazon festgestellt worden, was die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zum Anlass genommen hat, Ärzte und Patienten über potenzielle kardiovaskuläre Risiken zu informieren.

Die im New England Journal of Medicine publizierte Metaanalyse wurde anhand von 42 Studien mit mehr als 28.000 Patienten durchgeführt. Es handelte sich dabei um Studien, in denen Rosiglitazon bei Typ-2-Diabetikern mit Placebo oder anderen Therapien verglichen wurde und die eine Mindestdauer von 24 Wochen hatten. Die Mehrzahl der Studien lief über einen Zeitraum von 24 bis 52 Wochen. In den Rosiglitazon-Gruppen wurden 86 Herzinfarkte registriert, in den Kontroll-Gruppen 72. Danach hatten mit Rosiglitazon behandelte Patienten ein signifikant erhöhtes Risiko für einen Myokardinfarkt von 43% und ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle von 64%, dessen Signifikanz im Grenzbereich lag.

Eingeschränkte Aussagekraft

Dass die Aussagekraft der Ergebnisse eingeschränkt ist, räumen auch die Autoren der Metaanalyse ein. So seien Daten von Studien gepoolt worden, die nicht dazu angelegt gewesen seien, Aussagen zu kardiovaskulären Ereignissen zu treffen. Die Studien variierten zudem in ihrer Länge, der Patientenpopulation und in den Behandlungsregimen. Die Ergebnisse basieren auf einer geringen Zahl von Ereignissen, geringfügige Änderungen hätten auch zu anderen Resultaten führen können.


PPAR-AGONISTEN

Überraschungen sind wahrscheinlich


Rosiglitazon zählt wie Pioglitazon zu den PPAR-gamma-Agonisten, die komplexe biologische Wirkungen haben. Bei den beiden Glitazonen handelt es sich um Insulinsensitizer, die ihre Wirkung vor allem in Fettzellen entfalten sollen. PPAR steht für peroxisome.proliferator activated receptor und beschreibt eine Gruppe von nukleären Rezeptoren, die die Expression von Genen steuern. PPAR-Agonisten können eine Vielzahl von Genen entweder aktivieren oder in ihrer Aktivität hemmen. Das Muster der Genaktivierung und Gensuppression variiert stark unter den verschiedenen PPAR-Agonisten. Darüber hinaus weiß man meist nicht, welche biologischen Effekte die Zielproteine der Gene haben, die über die PPAR-Agonisten beeinflusst werden. Entsprechend häufig wurden daher auch im Rahmen von Untersuchungen mit verschiedenen PPAR-Agonisten unerwartete toxische Wirkungen gesehen. Einige provozierten Krebserkrankungen, andere erwiesen sich als nephrotoxisch oder führten zu einer Rhabdomyolyse. Troglitazon musste wegen seiner Lebertoxizität vom Markt genommen werden. Vor dem Hintergrund der unklaren biologischen Effekte muss daher bei jedem neuen PPAR-Agonisten mit unerwarteten toxischen Wirkungen gerechnet werden. Auch ein Klasseneffekt hinsichtlich unerwünschter Wirkungen muss in Betracht gezogen werden, insbesondere dann, wenn die PPAR-Agonisten strukturell verwandt sind. Daher wird diskutiert, ob das kardiovaskuläre Profil der Thiazolidindione Rosiglitazon und Pioglitazon ähnlich ist. Allerdings konnte in der mit Pioglitazon durchgeführten Proactive-Studie kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko festgestellt werden. Nach nachträglicher Festlegung eines sekundären Endpunktes zeichnete sich hier eine eher protektive Wirkung bezüglich des Herzinfarktrisikos ab. Das Herzinsuffizienzrisiko hatte jedoch zugenommen.

Langzeitstudien sollen Sicherheit belegen

Die methodischen Mängel hebt auch die Herstellerfirma GlaxoSmithKline in einem Statement hervor, das Rosiglitazon rehabilitieren soll. Metaanalysen würden keinen sicheren Weg darstellen, um Schlussfolgerungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu ziehen. Dazu seien große und langfristige Endpunktstudien notwendig, von denen einige seit Jahren liefen und zum Teil schon abgeschlossen und veröffentlicht seien. Genannt wird die ADOPT-Studie (A Diabetes Outcome Progression Trial), in der mit mehr als 4300 Patienten über einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren die Wirksamkeit und Sicherheit von Rosiglitazon mit Metformin und Glyburid verglichen worden war. In dieser Studie waren bei 1454 mit Rosiglitazon behandelten Patienten 24 Herzinfarkte (1,65%) aufgetreten. Danach war im Vergleich zu Metformin (1,38%) und Glyburid (0,97%) die Herzinfarktrate leicht erhöht. Allerdings ist nach Ansicht des Herstellers die Zahl der Ereignisse zu gering, um verlässliche Aussagen zu treffen. In der Präventionsstudie DREAM (Diabetes REduction Assessment with ramipril and rosiglitazone Medication), in der über drei bis fünf Jahre untersucht wurde, ob sich durch Rosiglitazon das Diabetesrisiko senken lässt, wurde kein Anstieg des kardiovaskulären Risikos verzeichnet. Weiterhin verweist GlaxoSmithKline auf die seit 2000 laufende RECORD-Studie (Rosiglitazone Evaluated for Cardiac Outcomes and Regulation of Glycemia in Diabetes), die langfristig das kardiovaskuläre Profil von Rosiglitazon klären soll. Die Studie werde von einem Internationalen Safety-Board bestehend aus unabhängigen Experten überwacht und habe bislang keinen Anlass für einen Studienabbruch gegeben.


Zum Weiterlesen


ADOPT-Studie

Nachhaltige Blutzuckerkontrolle mit Rosiglitazon

DAZ 2007, Nr. 4, S. 44-45.

www.deutsche-apotheker-zeitung.de

FDA prüft weiter

Auch die FDA ist in der Interpretation der Daten aus der Metaanalyse vorsichtig. In ihrem Health Alert spricht sie von einem möglicherweise erhöhten Sicherheitsrisiko und betont, dass Daten anderer Studien im Widerspruch zu denen der Metaanalyse stehen. Die Überprüfung der zur Verfügung stehenden Daten durch die FDA gehe weiter. Einen kausalen Zusammen-hang zwischen Rosiglitazon-Behandlung und kardiovaskulären Komplikationen sieht die FDA zum jetzigen Zeitpunkt als nicht erwiesen an. Auch wisse man nicht, ob es sich um einen Klasseneffekt handelt und ob unter anderen zugelassenen oralen Antidiabetika das Risiko gleich hoch, höher oder niedriger ist als unter Rosiglitazon. Daher empfiehlt die FDA auch nicht, mit Rosiglitazon behandelte Patienten umzustellen. Sie überlässt es den Ärzten, im Einzelfall aufgrund der Datenlage und des individuellen Risikoprofils der Patienten zu entscheiden.

EMEA: kleines erhöhtes Risiko

Kurz nach Bekanntwerden der FDA-Warnung hat auch die europäische Zulassungsbehörde EMEA auf die Metaanalyse reagiert. Sie spricht von einem kleinen erhöhten Risiko für Herzinfarkte und kardiovaskuläre Todesfälle. Die Patienten sollten keinesfalls Rosiglitazon absetzen. Ihnen wird geraten, bei dem nächsten Arztbesuch über die Medikation zu sprechen.

arzneitelegramm übt scharfe Kritik

In einem blitz-arzneitelegramm werden die Presseerklärung der Firma GlaxoSmithKline und die Haltung der EMEA scharf kritisiert. Die EMEA bagatellisiere die Ergebnisse und der Hersteller würde anstelle eines erforderlichen Rote-Hand-Briefes eine abwiegelnde Presseerklärung abgeben. Die Autoren verweisen darauf, dass sowohl in der ADOPT als auch in der DREAM-Studie die Zahl der Herzinfarkte unter Rosiglitazon numerisch häufiger waren als in den Kontroll-Gruppen. Zudem sei das Herzinsuffizienzrisiko in der DREAM-Studie signifikant erhöht gewesen. Dies würde auch nicht dadurch entkräftet, dass in der offenen Langzeitstudie RECORD bislang kein erhöhtes Sicherheitsrisiko gefunden worden sei. Denn bislang seien weder Daten der Studie überhaupt bekannt, noch Kriterien, nach denen über einen Abbruch entschieden werde.

Weiterhin verschweige die Herstellerfirma eine eigene gepoolte Analyse von 42 überwiegend sechsmonatigen Doppelblindstudien mit insgesamt mehr als 14.000 Patienten, nach der das Risiko ischämischer myokardialer Komplikationen unter Rosiglitazon um 30% zugenommen haben soll. Das arzneitelegramm äußert auch Sicherheitsbedenken gegenüber Pioglitazon (Actos®). Zwar seien in der Proactive-Studie (prospective pioglitazone clinical trial in macrovascular events) numerisch weniger Herzinfarkte aufgetreten, das Herzinsuffizienzrisiko sei jedoch signifikant gestiegen. In den Augen des arzneitelegramms hat Rosiglitazon außerhalb von randomisierten klinischen Studien keinen Platz in der Behandlung. Und auch von Pioglitazon wird wegen kardialer Sicherheitsbedenken abgeraten.


Quelle

Nissen, E.; Wolski, K.: Effect of Rosiglitazone on the Risk of Myocardial Infarction and Death from Cardiovascular Causes. N. Engl. J. Med. Online-Publikation vom 22. Mai 2007.

FDA Alert vom 21. Mai 2007 www.fda.gov/cder/drug/infopage/rosiglitazone/default.htm

Diabetesmittel Rosiglitazon – Statement zum Artikel im New England Journal of Medicine. Pressemitteilung der Firma GlaxoSmithKline vom 22. Mai 2007.

EMEA statement on recent publication on cardiac safety of rosiglitazone. Pressemitteilung vom 23. Mai 2007.

Mehr Herzinfarkte unter Antidiabetikum Rosiglitazon. blitz-arzneitelegramm vom 23. Mai 2007.


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