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World in Balance-Tour
Ratiopharm-Chef Merckle: "Wir wollen Lösungen anbieten.”
ULM (diz). Um seine im vergangenen Jahr gegründete Stiftung "World in Balance" noch stärker ins Bewusstsein zu rücken, startete Dr. Philipp Daniel Merckle, Chef des Ulmer Generikaherstellers Ratiopharm, in dieser Woche seine Schiffstour durch die Bundesrepublik. Wir sprachen mit Merckle über die Ziele der Stiftung, nahmen aber auch die Gelegenheit wahr, aktuelle tagespolitische Fragen zu stellen. Die Rabattverträge mit den Krankenkassen sieht er als "Experiment mit ungewissem Ausgang".
DAZ Zur aktuellen Lage, Herr Dr. Merckle: Täglich erscheinen Meldungen von Generika-Herstellern, die mit Krankenkassen Rabattverträge abgeschlossen haben. An der Ausschreibung der AOK Baden-Württemberg beispielsweise beteiligte sich Ratiopharm allerdings nicht. Wie zu lesen war, musste Ratiopharm bereits Umsatzeinbußen hinnehmen. Ist die Firma Ratiopharm auf dem Gebiet der Rabattverträge eher zurückhaltend? Wie ist hier die Intention Ihrer Firma?
Merckle: Der Gesundheitsmarkt in Deutschland unterliegt einem Wandel wie selten zuvor und löst deswegen bei vielen Menschen Unbehagen aus. Als Pharmazeut und Kaufmann stehe ich in diesen Wochen im intensiven Austausch mit Apothekern und erkenne daher die Auswirkungen auf den Apothekenmarkt als sehr unglücklich.
Die Gesundheitspolitik will zwar mehr Wettbewerb, hat es aber versäumt, einen geeigneten Ordnungsrahmen hierfür zu setzen. Rabatte aus den Handelsstufen herauszunehmen ist nicht nachvollziehbar; Rabatte dem Kassenwettbewerb unreguliert zur Verfügung zu stellen, wird sich als kurzsichtig erweisen. Mehr Wettbewerbsförderung durch wirkliche Freiheit des unternehmerisch gesunden, verantwortlichen Agierens wäre nötig, im anderen Fall erhalten wir in nicht ferner Zeit Zustände wie in England. Ich beobachte, dass kurzfristige, im Kern richtungslose Effekte jetzt von Krankenkassen und der Gesundheitspolitik als Erfolg gesehen werden. Es ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Statt kluge und weitsichtige Rahmenbedingungen für die Patientengemeinschaft und für einen echten Wettbewerb zu schaffen, werden den Anbietern von ohnehin preisgünstigen Arzneimitteln kaum kalkulierbare Risiken aufgezwungen. Dieser Weg ohne einen gesamtorientierten Wandlungsprozess führt zu einer völlig falschen Systematik und letztlich zu einem instabilen System für die Allgemeinheit – aber auch für die Apotheken und Arzneimittelanbieter.
Am Beispiel des derzeitigen AOK-Vertrags sind in der Umsetzung insbesondere die Apotheken betroffen. Und gerade sie fühlen sich jeden Tag der Versorgung der Patienten doch ganz besonders verpflichtet.
Es fehlt insgesamt, wie im deutschen Steuersystem, an einer neuen Regelung durch klare Sicht – wer ist Arzt, wer ist Apotheker; wer stellt Medizin her und wie kann man jedem ohne diese ungeheure Regulierungsdichte gerecht werden?
DAZ Welche Konsequenzen und Reaktionen sehen Sie durch die neuen gesetzlichen Regulierungen?
Merckle: Zuerst einmal finden sich viele gegängelt und nicht gemeint, vom Patienten bis zum Apotheker. Immer weniger Arzneimittelhersteller sind durch den hohen Entwicklungsaufwand in der Lage, im Markt der biotechnologischen Arzneimittel für qualitätssichere, preiswerte Alternativen und somit für einen wirklich funktionierenden Wettbewerb zu sorgen. Bleiben die Erstanbieter allein auf dem Markt, fehlt der funktionierende Wettbewerb, die Preise können nahezu beliebig hoch sein und das Gesundheitssystem wird eben nicht entlastet.
Auch auf der von mir geführten Ratiopharm-Gruppe lastet ein stärker werdender Druck. Dennoch haben wir Entwicklung und Produktion biotechnologischer Arzneimittel mit rund 100 Mio. Euro pro Präparat in Gang gesetzt; eine eigene Produktionsanlage mit Investitionen in Höhe von 40 Mio. Euro fertig gestellt. Für 70 hoch qualifizierte Fachkräfte wurde damit in Deutschland ein Arbeitsplatz geschaffen. Investitionen, die sich angesichts der aktuellen politischen Entscheidungen zwangsläufig und zunehmend in Frage stellen.
Durch die gesetzlichen Regulierungen verschieben sich zeitgleich mit der Kassenthematik auch andere Wettbewerbsinstrumente. Zum Beispiel sind ab dem 1. April 2007 Rabatte auf den Abgabepreis verschreibungspflichtiger Medikamente der Arzneimittelunternehmen jetzt auch an Großhändler ohne Ausnahme unzulässig. Verträge zur Gewährung solcher Rabatte sind pharmazeutischen Unternehmen zukünftig nur noch mit Krankenkassen oder deren Verbänden erlaubt. Aus diesen Gründen hat Ratiopharm sämtliche zuvor bestehenden Vereinbarungen mit Großhändlern den neuen gesetzlichen Vorgaben konsequent angepasst. Davon betroffen sind auch die Kooperationen von Großhändlern mit Apotheken. Hier wird zunächst einmal gar nicht verstanden, wer sich gesetzestreu und konsequent verhält.
Der Wegfall eines weiteren Wettbewerbsinstruments darf für die Arzneimittelanbieter doch nicht dazu führen, das entsprechende Gesetz womöglich durch andere Leistungen zu umgehen. Ich möchte meinen Kunden Lösungen anbieten, die wir konsequent vertreten können und auf eine dauerhafte Partnerschaft ausgelegt sind.
DAZ Herr Dr. Merckle, nachdem das Magazin "Stern" vor zwei Jahren anprangerte, dass Ratiopharm zu sehr auf Ärzte einwirke, haben Sie die Notbremse gezogen und fahren jetzt einen – nennen wir es – ethischen Kurs. Sie haben im vergangenen Jahr in Ihrem Betrieb für eine neue Philosophie gesorgt: weg von den üblichen Werbemitteln eines Unternehmens und hin zu einer Bewegung, überschrieben mit "World in Balance". Welche Absichten verfolgen Sie konkret mit Ihrer Stiftung "World in Balance"?
Merckle: Im Kern geht es mir um eine neue Sicht der Arbeitswelt, der Industrie, um Integrität und damit auch um eine integre Unternehmensführung. Die Produkte aus meinem Haus stehen für etwas. Was wirklich wichtig ist, wenn wir Menschen hier auf der Welt gemeinsam leben und gemeinsam Sorgen haben und Chancen ergreifen, hat meine Mitarbeiter und Forscher gerade in dieser Zeit ganz besonders bewegt, in der wir – stellvertretend für eine ganze Branche vielleicht – mit Argwohn oder Unterstellungen zu kämpfen hatten; einer Zeit, in der es auch für mich als Unternehmer um die Kernfrage ging, was hinter dem Oberflächlichen in unserer Gesellschaft an gemeinsamen Möglichkeiten steht. Meine Antwort heißt: Was wirklich zu tun ist, neben der für mich selbstverständlichen Sicherstellung der erstklassigen Qualität unserer Produkte auch in Zukunft, und wofür ich mit World in Balance symbolhaft den Anstoß gebe, ist ein grundlegend neues Bewusstsein zu schaffen für Klugheit, Balance und Wissen in der Welt. Weltwissen für unsere Jugendlichen – auch Arbeitsehre für Ärzte und Apotheker, einen Weg gegen Bürokratisierung und Verwirtschaftung zu gehen – eine wirklich konsequente, unternehmerische Haltung. Daran mangelt es doch überall.
DAZ "World in Balance" – mit diesem Namen verbindet man große Ziele, länderübergreifend. Wäre es aber nicht auch sinnvoll, ein wenig kleiner zu beginnen, etwa mit "Germany in Balance"? In unserem Land gibt es mit Sicherheit noch sehr viele Baustellen, die einer Bearbeitung bedürfen.
Merckle: Gerade die Art, in der wir etwas machen, ist entscheidend. Es geht mir bei World in Balance nicht um gesellschaftliches Engagement zum Selbstzweck oder um einen Pausenfüller zu unseren Produkten. Mit World in Balance möchte ich als Unternehmer das Unbehagen aufgreifen; – ganz konkret auch in den systembedingten Schwächen des deutschen Gesundheitswesens. Dadurch resultiert auch unsere Haltung z. B. zur Preisschaukel im vergangenen Dezember, zur Musterabgabe bei Ärzten und zum Thema Großhandelskooperationen. Das sind für mich Beispiele für Baustellen, die einer klaren Haltung bedürfen.
DAZ Jetzt starten Sie eine Schiffstour durch die Metropolen, auf der Sie "World in Balance" noch bekannter machen wollen. Was ist hier geplant?
Merckle: Mit dieser Tour durch sieben Städte in ganz Deutschland – zusammen mit Freunden und Gleichdenkenden – möchte ich glaubhafte und beständige Signale setzen und das Bewusstsein der Allgemeinheit für Ungleichgewicht und notwendige Harmonie schärfen. Dabei ist es wichtig, sich persönlich einzusetzen und gemeinsam etwas in Bewegung zu bringen, buchstäblich mit an Bord sind Gesine Schwan, Arved Fuchs und Lothar Späth, die jeder mit einer eigenen Sichtweise das Ziel einer Welt im Gleichgewicht vorstellen und voranbringen. Der hochbegabte Pianist Mark Ehrenfried wird zwischen den Beiträgen zeigen, was Aufbruch ist: Gerade für junge Menschen, die Sehnsucht nach einer anderen Zukunft haben. Ich freue mich auf die Begegnung und den Austausch mit den Gästen.
DAZ Herr Dr. Merckle, vielen Dank für das Gespräch.
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