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DGRA-Jahrestagung
Top-Themen: Kinderarzneimittel und elektronische Einreichung
BONN (hb). Die diesjährige 9. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Regulatory Affairs am 12./13. Juni 2007 in Bonn war zwei aktuellen Themenkomplexen gewidmet, der europäischen Verordnung über "Kinderarzneimittel", die im Januar 2007 in Kraft getreten ist und nun schrittweise umgesetzt wird, sowie der "Elektronischen Einreichung in Europa".
Mit der Verordnung über Kinderarzneimittel wird die Erforschung jedes neuen Arzneimittels auch an Kindern zu einem integralen Bestandteil jedes Entwicklungs- und Zulassungsverfahrens. Bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der klinischen Entwicklung, nämlich spätestens bei Abschluss der pharmakokinetischen Studien an Erwachsenen, müssen die Antragsteller hierzu ein pädiatrisches Prüfkonzept (PIP) bei der Behörde zur Genehmigung einreichen, dessen Abarbeitung in der Folge streng überwacht wird. Die Verordnung stellt zwar explizit fest, dass die Erforschung der Kinderindikationen nicht zu einer verzögerten Zulassung für die Erwachsenen führen darf. Dennoch bestehen in der Industrie diesbezüglich einige Befürchtungen. Schließlich darf ein Antrag auf Zulassung insgesamt erst dann vorgelegt werden, wenn die Studienergebnisse entsprechend dem Kinderprüfplan ebenfalls verfügbar sind. Aufschub wird gegebenenfalls gewährt, jedoch ist der damit verbundene bürokratische Aufwand derzeit nur schwer abzuschätzen.
Bestimmte Arzneimittel, wie Generika, "Biosimilars", bekannte Wirkstoffe sowie registrierte Homöopathika und traditionelle pflanzliche Arzneimittel sind von der umfassenden Verpflichtung zur Vorlage des PIP ausgenommen. Darüber hinaus sind weitere Ausnahmen möglich, etwa bei Erkrankungen, die nur bei Erwachsenen vorkommen. Damit auch bekannte Stoffe für die pädiatrische Therapie zugänglich werden, schafft die Verordnung bestimmte Anreize, etwa durch eine Verlängerung des Patentschutzes und einen besonderen Unterlagenschutz. So kann für Arzneimittel ohne Patentschutz optional eine "Pediatric Use Marketing Authorisation (PUMA) erworben werden.
Bei der europäischen Arzneimittelagentur wird ein Ausschuss für Kinderarzneimittel (PDCO) eingerichtet, der sowohl den pädiatrischen Entwicklungsplan beurteilt und genehmigt als auch über Freistellungen und Rückstellungen (Zeitaufschub für die Durchführung) entscheidet. Der Ausschuss wird am 4. Juli 2007 zum ersten Mal tagen und erwartet in den nächsten Monaten mehrere hundert Anträge.
Der Erfolg steht und fällt allerdings mit der Bereitschaft der Eltern, ihre Kinder an klinischen Studien teilnehmen zu lassen. Auch diesbezüglich könnten die neuen, transparenteren Rahmenbedingungen helfen, Vorbehalte und Ängste abzubauen.
Die Bestandsaufnahme im Hinblick auf die elektronische Einreichung von Zulassungsunterlagen bei den Behörden, ein weiteres Mammutprojekt im Rahmen der europäischen Integration im Arzneimittelbereich, erbrachte einen sehr breit gefächerten Status quo in den Mitgliedstaaten der EU. Die ehrgeizige Vorgabe lautet: Bis zum Jahresende 2009 sollen alle Behörden der Mitgliedstaaten dazu in der Lage sein, Zulassungsanträge nur noch in elektronischer Form, und zwar in einem definierten Format (eCTD) entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Tatsächlich sind die meisten Behörden, aber auch die Antragsteller derzeit hierfür nicht einmal annähernd gerüstet. So verlangen die meisten Zulassungsbehörden auch im Falle eines ordnungsgemäßen eCTDs zum Zwecke der Archivierung immer noch Papierformate. Daneben gibt es vielerorts zwar elektronische Einreichungen, jedoch genügen diese nicht den vereinbarten Formatvorgaben. Nachholbedarf besteht darüber hinaus bei der Ausstattung mit der notwendigen Hard- und Software, und auch die für die europäischen Verfahren notwendige Vernetzung der Behörden über den Zugriff auf eine gemeinsame Datenbank liegt offenbar noch in weiter Ferne. Befürchtungen bestehen zudem, dass die Anforderungen in der derzeitigen Experimentierphase in den Mitgliedstaaten auseinanderdriften und dass national gefundene Lösungen sich verfestigen. Um dies zu verhindern, soll so bald als möglich ein europäischer Arbeitskreis zur Harmonisierung der Standards für die elektronische Einreichung eingerichtet werden.
Walter Cyran-Medaille geht an Rolf Bass
Die Walter Cyran-Medaille der DGRA 2007 wurde im Rahmen der Jahrestagung verliehen an Prof. Dr. med. Rolf Bass. Sie kommt Personen zu, die sich auf dem Gebiet Regulatory Affairs besondere Verdienste erworben haben. Bass ist apl. Professor für Pharmakologie und Toxikologie an der Charité, Universitätsmedizin Berlin, und Direktor und Professor (BfArM a.D.). Den diesjährigen Preisträger würdigte der DGRA-Vorsitzende Dr. Ulrich Granzer.
Rolf Bass wurde in Berlin geboren. Dort erwarb er im Jahr 1967 auch sein Abschlußexamen als Mediziner. Es folgte ein dreijähriger Post-doc-Aufenthalt an der Johns Hopkins University, Baltimore, USA, sowie weitere pharmakologische, toxikologische und klinische Forschung an der Abteilung für Toxikologie und pränatale Pharmakologie der Freien Universität Berlin, wo er im Jahr 1984 zum Professor ernannt wurde.
Bereits im Jahr 1979 hatte Bass die Leitung der Abteilung Präklinik des Instituts für Arzneimittel des Bundesgesundheitsamtes übernommen. Im Jahr 1984 wurde er Vorsitzender der Arbeitsgruppe Unbedenklichkeit des Ausschusses für Humanarzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur in London (Safety Working Party des CPMP) und war in dieser Funktion wesentlich an der Entwicklung und Implementierung des präklinischen Programms im Rahmen der Internationalen Harmonisierung der Zulassungsanforderungen (International Conference on Harmonisation, ICH) beteiligt. Von 1995 bis 2000 war Bass Leiter der Abteilung für die Beurteilung von Humanarzneimitteln (Human Medicines Evaluation Unit) bei der EMEA. Besonders hervorzuheben ist darüber hinaus seine aktive Rolle in der Unterstützung der Beitrittskandidaten in Mittel- und Osteuropa (Central and Eastern European Countries Drug Regulatory Authorities (CADREAC)) in der Vorbereitung auf das regulatorische Umfeld der Europäischen Union im Pharma-Bereich. Zurück in Deutschland, widmete Bass sich ab dem Jahr 2000 zunächst der Nachzulassung und danach dem Aufbau einer neuen Abteilung für Europäische und Internationale Angelegenheiten im BfArM und war Mitglied im Ausschuss für Humanarzneimittel (CPMP) bei der EMEA. Offiziell beendete er seine Tätigkeit im BfArM in der Jahresmitte 2006 mit Erreichen der Altersgrenze.
Last not least koordinierte Rolf Bass als "Resident Twinning Adviser” in den Jahren 2004 bis 2006) zwei europäische Förderprojekte (Twinning-Projekte) in Warschau, mit denen den polnischen Zulassungs- und Überwachungsbehörden eine wesentliche Unterstützung bei der Implementierung des europäischen Arzneimittelrechts zuteil wurde.
In seiner Dankesrede warf der Preisträger einige Schlaglichter auf seine reichhaltige berufliche Tätigkeit als überzeugter Europäer und "Regulator". So erinnerte er an berühmt-berüchtigte Firmenanhörungen zur Arzneimittelsicherheit im damaligen BGA, an die Einführung der "Notice to Applicants" (NtA), deren häufige Neufassungen seitdem "Generationen von Behörden- und Industriemitarbeitern regelmäßig verzweifeln oder hoffen lassen", an die Geburt des "pharmazeutischen Europa im Jahr 1995", an Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, die aus seiner Sicht "ein Lehrstück dafür geworden sind, dass persönlicher und Kommissionshochmut vor dem Fall kommt!". Daneben hob er den 10-jährlichen Rhythmus zur Überarbeitung der europäischen Gesetze hervor, der die "Mitgliedstaaten regelmäßig hinterher hetzen lässt, während die Kommission bereits die nächste Runde eingeläutet hat", sowie den drastischen Anstieg bei der Bürokratie, den Kosten und den Business-Hürden", und last not least den "chamäleonhaft wechselnden Status des BfArM und die Aussichten auf die Mutation zur DAMA". Aus Bass´ Sicht geht die Arzneimittelpolitik in Europa in den letzten Jahren "weg von der früheren Maxime "Neue und bessere Arzneimittel für Einige" hin zu der neuen Maxime "Alte und billigere Arzneimitteln für Alle" – angetrieben und beschleunigt von den neuen Mitgliedstaaten. Er ermutigte die "Regulatory Affairs-Experten in den Behörden und Unternehmen, sich bei anstehenden Neuerungen immer wieder frühzeitig in die Diskussion einzubringen und so ihre Chance zu wahren, die Rahmenbedingungen für ihre Arbeit aktiv mitzugestalten.
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