Arzneimittel und Therapie

Hormonersatztherapie

Nutzen und Risiken sind altersabhängig

Seit den ersten Analysen der Womens Health-Initiative (WHI) wird die Hormonersatztherapie kontrovers diskutiert. Wahrscheinlich kann die Hormonsubstitution weder uneingeschränkt befürwortet noch in Bausch und Bogen verurteilt werden. Einer neue Analyse der WHI-Daten zufolge können Hormone das Risiko von Herzinfarkten in den ersten Jahren nach der Menopause leicht senken; bei älteren Frauen steigt hingegen das kardiovaskuläre Risiko.

Lange Zeit erhielten Frauen nach der Menopause eine Hormonersatztherapie, unter anderem in der Annahme, dadurch das kardiovaskuläre Risiko zu senken. Seit der Veröffentlichung der WHI-Daten wird der Nutzen einer Hormonsubstitution kritisch hinterfragt. Neben einem erhöhten Brustkrebs- und Schlaganfallrisiko wurde unter einer kombinierten Hormonersatztherapie (Estrogene und Gestagene) ein um 24% erhöhtes Risiko für koronare Herzerkrankungen; bei einer Estrogen-Monotherapie ein nicht signifikant erniedrigtes Risiko ermittelt. Diese – wie auch andere – Ergebnisse der WHI werden kontrovers diskutiert, unter anderem wird das relativ hohe Alter der Studienteilnehmerinnen (das durchschnittliche Alter lag bei 63 Jahren) kritisiert. In einer neuen Analyse der WHI-Daten wurde daher das kardiovaskuläre Risiko sowie das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, in Abhängigkeit vom Alter der Frau und dem Beginn einer Hormonsubstitution nach der Menopause ermittelt.

Dazu wurden 396 Ereignisse einer koronaren Herzkrankheit und 327 Schlaganfälle, die unter einer Hormonersatztherapie auftraten, versus 379 Ereignisse einer koronaren Herzkrankheit und 239 Schlaganfälle in der Placebo-Gruppe ausgewertet und mit dem Alter der Frau, der Dauer der Hormonersatztherapie, der Stärke der Beschwerden und dem Beginn der Therapie in Beziehung gesetzt. Dabei konnten folgende Aussagen getroffen werden:

  • Durch die Hormonersatztherapie wird bei Frauen, die früher als zehn Jahre nach der Menopause mit der Therapie begannen, das Herzinfarktrisiko um 24% gesenkt. Liegt die Menopause zu Therapiebeginn 20 Jahre oder länger zurück, erhöhte die Hormonsubstitution das Herzinfarktrisiko um 28%. Mit anderen Worten: Pro 10.000 Frauen verhindert die Hormongabe bei Frauen, deren Menopause bei Therapiebeginn weniger als zehn Jahre zurücklag, sechs Ereignisse einer koronaren Herzkrankheit und führt zu 17 zusätzlichen Infarkten, wenn die Menopause 20 oder mehr Jahre zurücklag. Lag die Menopause zu Therapiebeginn zehn bis 19 Jahre zurück, traten pro 10.000 Frauen vier zusätzliche koronare Ereignisse auf.
  • Die Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse war auch von der Stärke der klimakterischen Beschwerden zu Beginn der Therapie abhängig: Bei Frauen mit starken Wechseljahrsbeschwerden traten in allen Altersgruppen mehr Herzinfarkte auf als bei Frauen, die nicht oder nur mäßig unter klimakterischen Beschwerden litten. Besonders auffällig war dies bei den Frauen zwischen 70 und 79 Jahren, bei denen das koronare Ereignisrisiko um das fünffache erhöht war.
  • Das Schlaganfallrisiko war durch die Hormonersatztherapie unabhängig vom Alter oder der Zeit seit der Menopause um 32% erhöht.
  • Unter der Hormonersatztherapie wurde eine tendenziell sinkende Gesamtmortalität festgestellt, die sich eher bei jüngeren als bei älteren Frauen bemerkbar machte.

Fazit der Autoren

Nutzen und Risiken einer Hormonersatztherapie müssen differenziert betrachtet werden: Es besteht für alle Frauen unabhängig von Alter und Beginn der Therapie ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Im Hinblick auf das kardiovaskuläre Risiko profitieren jüngere Frauen, die kurz nach der Menopause mit der Hormonsubstitution begonnen hatten, geringfügig von der Therapie. Bei Frauen, die erst spät nach Eintritt der Menopause mit der Hormonsubstitution begonnen hatten und insbesondere Frauen, die unter starken klimakterischen Beschwerden litten, haben unter der Hormontherapie ein erhöhtes Herzinfarktrisiko. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation und Krankengeschichte einer Frau scheint eine kurzfristige Hormonersatztherapie kurz nach der Menopause möglich zu sein, für ältere Frauen ist sie hingegen weniger geeignet.

Quelle

Rossouw J., et al.: Postmenopausal hormone therapy and risk of cardiovascular disease by age and years since menopause. J. Am. Med. Assoc. 2007: 297; 145-147.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Die Womens Health-Initiative (WHI) ist die letzte von drei randomisierten kontrollierten Studien zur Untersuchung von Nutzen und Risiken einer Hormontherapie nach der Menopause und wurde 1993 als amerikanische multizentrische Studie begonnen. Sie besteht aus drei in sich zusammenhängenden klinischen Studien und einer Beobachtungsstudie bei nach Meinung der Autoren gesunden postmenopausalen Frauen zwischen 50 und 79 Jahren. Die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Hormonstudie innerhalb der WHI besitzt neben dem Placeboarm (n = 8102) einen Arm mit einer fest kombinierten Hormontherapie (Estrogen und Gestagen) bei Frauen mit intaktem Uterus (n = 8506). Eine dritte Gruppe, das waren Frauen nach einer Hysterektomie, erhielt eine reine Estrogentherapie (n = 5310 für die Verum-Gruppe; n = 5429 für die Placebo-Gruppe). Der kombinierte Arm wurde nach einem mittleren Follow-up von 5,2 Jahren beendet, da nach dem amerikanischen Data and Safety Monitoring Board im Hormonarm die Summe der Risiken den Nutzen überstieg. Der Estrogenarm wurde nach einer mittleren Beobachtungszeit von 6,8 Jahren gestoppt. Es wurden folgende Ergebnisse ermittelt:
  • Anstieg des Risikos für eine koronare Herzkrankheit
  • erhöhtes Risiko für zerebrovaskuläre Insulte und venöse thromboembolische Ereignisse
  • erhöhtes Brustkrebsrisiko
  • erniedrigtes Osteoporoserisiko
  • erniedrigtes kolorektales Risiko
Die Relevanz dieser Ergebnisse wird kontrovers diskutiert. Kritisiert wird unter anderem die Auswahl der Probandinnen (hohes Alter, hohe Inzidenz an arterieller Hypertonie, viele übergewichtige Teilnehmerinnen etc.).
Quelle: Birkhäuser M.: Stellungnahme zur postmenopausalen Hormontherapie nach WHI und HERS. J. Menopause 2004: 3; 7-12.
Risiken abwägen Nutzen und Risiken einer Hormonersatztherapie müssen differenziert betrachtet werden: Unabhängig von Alter und Beginn der Therapie besteht ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, bei jüngeren Frauen, die kurz nach der Menopause mit der Hormonsubstitution beginnen, war das kardiovaskuläre Risiko reduziert.
Foto: Steigerwald

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