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Reform der Pflegeversicherung

Vorbild Österreich: Karenzzeit zur Pflege und Sterbebegleitung

Seit 2002 gibt es in Österreich für ArbeitnehmerInnen mit sterbenden Angehörigen oder schwerstkranken Kinder eine so genannte Familienhospizkarenz: eine unbezahlte Freistellung von maximal sechs bzw. neun Monaten, wobei Sozialversicherung und Kündigungsschutz bestehen bleiben. Nachdem eine Evaluierung gute Ergebnisse gebracht hat, plant auch unsere Regierung die Einführung einer "Pflegezeit". ADEXA begrüßt dies und wünscht, Kleinbetriebe von der Regelung nicht auszunehmen.

Die Pflege und Begleitung sterbender Familienmitglieder geht für viele Berufstätige über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus. Dabei stecken die Betroffenen oftmals in einem Zwiespalt: Sie würden einerseits gerne ihre Arbeitszeit verringern oder für einige Zeit ganz pausieren – andererseits haben sie Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes.

In solchen Situationen ist es gut, wenn eine klare gesetzliche Regelung den Angehörigen zumindest einen Teil dieser Ängste nimmt. In Österreich ist der Anspruch auf eine Teilzeit- oder Vollzeitkarenz gesetzlich geregelt. Eine Evaluierung nach zwei Jahren ergab, dass die große Mehrzahl sowohl der Arbeitgeber als auch der KollegInnen ausgesprochen verständnisvoll und wohlwollend bei Anträgen auf Karenz reagiert.

In Deutschland hat die Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" einen Rechtsanspruch für Berufstätige auf Freistellung zur Sterbebegleitung und Pflege empfohlen, wobei – im Unterschied zur österreichischen Regelung – der Staat dem Arbeitgeber die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge erstatten soll. Die FDP hat sich kürzlich auf ihrem Bundesparteitag für das Modell des Nachbarlandes ausgesprochen, und auch die Grünen setzen sich für eine Feistellung wegen Sterbebegleitung ein.

Nun hat auch die Bundesregierung im Rahmen der geplanten Reform der Pflegeversicherung die Einführung einer so genannten Pflegezeit für ArbeitnehmerInnen beschlossen. Der Anspruch soll sechs Monate betragen.

Ausnahme für Kleinbetriebe umstritten

Im Gegensatz zu Österreich, wo es keine Einschränkung nach Betriebsgröße gibt, will die deutsche Regierung allerdings Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern von der Regelung ausnehmen. Damit würde der Anspruch auf Pflegezeit für viele Apotheken nicht gelten. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt verlangt sogar, den Rechtsanspruch nur für Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern einzuführen. Doch nach Angaben des österreichischen Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit gibt es dort keine negativen Erfahrungen mit Kleinbetrieben, da die Karenz nur von einer relativ geringen Zahl an ArbeitnehmerInnen in Anspruch genommen wird. Die Freistellungsregelung bedeutet also keine unkalkulierbaren finanziellen Risiken – weder für die Betriebe noch für den Staat. Dafür hilft sie, die Versorgung schwerstkranker Kinder und sterbender bzw. pflegebedürftiger Menschen in der ihnen vertrauten häuslichen Umgebung zu verbessern und die versorgenden Angehörigen in ihrer belasteten Situation zu unterstützen. Deshalb fordert ADEXA ausdrücklich, solch eine Regelung so bald wie möglich auch hier in Deutschland einzuführen – ohne Einschränkungen nach Betriebsgröße!

Dr. Sigrid Joachimsthaler

Familienhospizkarenz in Österreich

Arbeitnehmer können die Karenz für die Sterbebegleitung eines nahen Angehörigen oder für die Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden schwerstkranken Kindes in Anspruch nehmen und dabei folgende Varianten wählen:
  • Reduzierung der Arbeitzeit
  • Änderung der Lage der Arbeitzeit (z. B. von Spät- auf Frühschicht)
  • unbezahlte Freistellung
Die Dauer beträgt zunächst drei Monate (bei Kindern fünf Monate). Sie kann auf maximal sechs Monate (bei Kindern neun Monate) verlängert werden.
Die Karenz muss schriftlich beim Arbeitgeber verlangt und der Grund dafür glaubhaft gemacht werden. Die Maßnahme kann frühestens fünf Tage nach Zugang der Meldung angetreten werden. Eine vorzeitige Rückkehr ist bereits zwei Wochen nach Ende der Pflege bzw. Sterbebegleitung möglich.
Ab Bekanntgabe bis vier Wochen nach Ende der Sterbebegleitung sind die Arbeitnehmer/innen kündigungs- und entlassungsgeschützt. Sie sind weiterhin kranken- und pensionsversichert. In Härtefällen können sie eine finanzielle Zuwendung beantragen.
w Internet
www.bmg.bund.de – Rubrik Themenschwerpunkte/Pflege
www.bmwa.gv.at – Stichwort Familienhospizkarenz
Foto: Hexal

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