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- DAZ 36/2007
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Aus Kammern und Verbänden
Pharmaziegeschichte
Symposium zum 75. Geburtstag von Dr. Klaus Meyer
Anlässlich des 75. Geburtstages ihres Ehrenpräsidenten Dr. Klaus Meyer veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (DGGP) am 25. August 2007 ein Symposium. Zahlreiche geladene Gäste waren nach Münster gekommen, um den vier Festvorträgen zu lauschen.
Nach der Begrüßung und einer kurzen Einführung durch Prof. Dr. Christoph Friedrich, Marburg, hielt Dr. Gerald Schröder aus Bremen die Laudatio. Schröder berichtete zunächst über die Entstehung der DGGP in ihrer heutigen Form, an der Meyer maßgeblich beteiligt war: zum einen hatte er verschiedene Ämter inne, zuletzt von 1996 bis 2004 das des Präsidenten und von 1981 bis 2005 das des Vorsitzenden der Landesgruppe Westfalen-Lippe. Zum anderen sorgte er mit anderen dafür, die alle zwei Jahre stattfindenden Tagungen der DGGP straff zu organisieren und die Tradition der Biennalen als Höhepunkt des Gesellschaftslebens zu etablieren. Neben seinem Engagement für die Pharmaziegeschichte hob Schröder Meyers Sammelleidenschaft hervor, die so manches "Schätzchen" pharmaziehistorischer und nicht pharmazeutischer Art vor dem Müll rettete. In seinem beruflichen Leben leitete Meyer von 1962 bis 1996 die von ihm gegründete Wibbelt-Apotheke in Oelde, tatkräftig unterstützt von seiner Frau Maria. Überhaupt wäre ein so starkes Engagement, sei es beruflich, berufspolitisch oder pharmaziehistorisch, ohne den Rückhalt seiner Familie nicht möglich gewesen.
Im Anschluss an die Laudatio referierte Dr. Karl-Heinz Bartels, Lohr, über "Hexer, Hexensalben und die Pharmazie". Die Bedeutung von Hexerei und Hexensalben schlug sich nicht nur in den Hexenverbrennungen des 15. bis 18. Jahrhunderts nieder, sondern zeigte sich auch bei den Verhören von Delinquenten: vermehrt wurden sie nach Salben, Pasten, Pulvern oder Tränken gefragt, um den Tatbestand des "Fahrens durch die Lüfte" oder des Schadenszaubers zu manifestieren. Allein für den Gebrauch von Flug- oder Hexensalben gibt es wissenschaftliche Erklärungen, während das Fliegen als solches als faktisch nicht belegbar gelten muss. Schon früh wurden Salben auf Besen oder Stecken geschmiert, um diese damit flugtauglich zu machen. Bartels stellte die Rezepturen zweier Salben vor, anhand derer er ihre Wirkung erläuterte. Denn die psychotropen Inhaltsstoffe einiger Ingredienzien wie z. B. Tollkirsche, Bilsenkraut, Alraune oder Stechapfel, erzeugen bei Aufnahme durch die Haut Euphorien, Rauschzustände und Halluzinationen vom Fliegen, die so stark sind, dass sie als real erlebt werden. Interessante Einblicke in die Astrologie und die Nomenklatur der in den Salben verwendeten Pflanzen rundeten den Vortrag ab.
Sertürner und Trommsdorff
Prof. Dr. Christoph Friedrich, Marburg, widmete sich in seinem Referat dem Verhältnis des Apothekers Friedrich Wilhelm Sertürner (1783 – 1841) zu Johann Bartholomäus Trommsdorff (1770 – 1837). Beide gelten als Autodidakten, und beide experimentierten mit den einfachen Mitteln der Apotheke. Anhand von Briefen Sertürners an Trommsdorff, erhalten ab 1818, sowie Veröffentlichungen Sertürners ab 1805 in dem von Trommsdorff herausgegebenen "Journal der Pharmazie" belegte Friedrich, dass Sertürner anfänglich eine große Verehrung für Trommsdorff hegte, obwohl ihn dieser in dem 1805 publizierten Artikel über die Entdeckung des Morphins in einer Fußnote aufforderte, den Versuch mit größeren Mengen zu wiederholen. Vielmehr empfand Sertürner die geübte Kritik als hilfreich. In den ab 1818 erhaltenen Briefen ergeben sich zunächst keine Anhaltspunkte für Spannungen. Sertürner berichtete von seinen privaten Angelegenheiten, von beruflichen und wissenschaftlichen Arbeiten und kündigte immer wieder neue Aufsätze für das Journal an. Jedoch kann man einem Brief von 1826 entnehmen, dass Trommsdorff wohl zunehmend auf Distanz zu Sertürner ging; zumindest gab es nach 1826 keine Publikationen Sertürners mehr im Journal, darüber hinaus ist auch kein weiterer Briefwechsel zwischen den beiden mehr überliefert.
Carl Spitzweg und die Cholera
Prof. Dr. Dr. Christa Habrich, München, berichtete über "Carl Spitzweg und die Cholera – ein Zeitzeuge zwischen Panik und Fatalismus". Carl Spitzweg (1808 – 1885), der in seinem Leben immer wieder mit Choleraepidemien konfrontiert wurde, pflegte einen regelmäßigen Briefwechsel mit seinem in Triest lebenden Bruder. Diese Schriftstücke geben Aufschluss über die große Furcht der Bevölkerung vor der Cholera, aber auch über die fatalistische Einstellung Spitzwegs hinsichtlich der eigenen Gefährdung. So schrieb er seinem Bruder, er selbst fürchte sich nicht, trage aber eine Leibbinde zum Schutz, oder aber, er esse noch immer Erdäpfelsalat, obwohl dieser in Zeiten der Epidemien verboten war. Immer wieder riet er ihm zu Furchtlosigkeit, Humor sowie gutem Essen und Trinken. Denn lieber solle man mit gutem Humor sterben als mit schlechtem. Spitzweg selbst ging nach seinem Apothekerexamen häufig auf Reisen, wobei er es möglichst vermied, die Zentren der aktuellen Choleraepidemien anzusteuern. Auch während der in München wütenden Ausbrüche floh er ins Oberland oder später nach Tirol und kehrte erst nach Abklingen der Seuche wieder zurück. Der Theorie, die Cholera werde durch Bazillen übertragen, war Spitzweg durchaus zugetan, auch wenn er immer wieder darüber witzelte. Oft erwähnte er in seinen Briefen die Reinheit des Wassers und der Luft in den Bergen, als Schutz vor der Gefahr, selbst an der Cholera zu erkranken.
Dankeschön für die gute Zusammenarbeit
Zum Abschluss des Symposiums ergriff Dr. Klaus Meyer selbst das Wort. Er bedankte sich bei seinen Weggefährten für die langjährige gute Zusammenarbeit im Dienste der Pharmaziegeschichte und hob die besonders freundschaftliche Atmosphäre innerhalb der DGGP hervor. Auch wenn die Gesellschaft zu den kleineren gehöre, sei sie doch wie eine Familie, deren Mitglieder sich immer wieder auf ein Treffen freuen. Meyer betonte noch einmal den besonderen Rückhalt, den er in all den Jahren durch seine Frau erhalten habe und überreichte ihr einen Blumenstrauß. Damit endete ein sehr gelungener Festakt, der den Verdiensten von Dr. Klaus Meyer entsprach und zugleich allen Zuhörern einen informativen Nachmittag bereitete.
Dr. Susanne Keller
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