Seite 3

Missklänge bei den Bremer Stadtmusikanten

Eigentlich sollte man meinen, die Bremer haben aus ihrem Märchen der Bremer Stadtmusikanten gelernt, dass man mit Einigkeit und Zusammenhalt auch große Widrigkeiten überstehen kann. Das Ende schon fast vor Augen, taten sich im Märchen Esel, Hund, Katze und Hahn zusammen, setzen sich gemeinsam vielen Gefahren zur Wehr und überlebten. Und wenn sie nicht gestorben sind … Zwar kann ich verstehen, wenn man heutzutage nicht mehr allzu viel Zeit hat, Märchen zu lesen, doch für so manchen Bremer Kollegen oder so manche Kollegin wäre es sicher nicht verkehrt gewesen, wenn man sich an das Hausmärchen erinnert hätte …

Was in Bremen geschah: Schon seit einiger Zeit gibt es dort ein Gesundheitsnetzwerk, ein Zusammenschluss von mehreren Bremer Apotheken. Sie wollen ihren Kunden Dienstleistungen und sinnvolle Ergänzungen über das übliche Angebot einer Apotheke hinaus erbringen, auch den Versand und die Zustellung von Arzneimitteln in Bremen, Bremerhaven und den Randgebieten. So weit, so gut. Die Aktivitäten der Sanicare-Versandapotheke, insbesondere die Zuzahlungsgutscheine, die Sanicare über Krankenkassen verteilen lässt – und das mit gerichtlicher Genehmigung –, ist dem Gesundheitsnetzwerk allerdings ein Dorn im Auge. Da halten wir dagegen, lautete die Parole.

Vorauszuschicken ist: Der Bremer Apothekerverein und der Landesapothekerverband Niedersachsen hatten mit der Handelskrankenkasse (HKK) ein Hausapothekenmodell vereinbart, bisher allerdings mit mäßigem Erfolg. Der Bremer Apothekerverein hat denn auch den Vertrag mit der HKK bereits fristlos gekündigt, was die Kasse nicht akzeptierte – eine ordentliche Kündigung ist erst zum Jahresende möglich. Das Gesundheitsnetz allerdings initiierte eine Gutscheinaktion mit der Kasse: Die HKK-Versicherten, die sich ins Modell eingeschrieben haben und einschreiben, bekamen von ihrer Kasse einen Zuzahlungsgutschein über fünf Euro (maximal drei Gutscheine pro Quartal pro Patient), einzulösen bei Vorlage einer Verordnung in den Gesundheitsnetz-Apotheken. Das brachte dem Hausapothekenmodell – wie könnte es auch anders sein – einen enormen Zulauf: die Teilnehmerzahl stieg von 90 auf 900. Die Versicherten stürzten sich auf die Gutscheine. Das musste die anderen Apotheken in Bremen vergrätzen, wenn Kunden, mit ihrem HKK-Gutschein wedelnd, in die Gesundheitsnetz-Apotheken abwanderten. Der Krach war da, Abmahnungen und Gerichtsstreitigkeiten folgten.

Mittlerweile sieht es für beide Seiten der Apotheker nicht allzu gut aus. Auch im Gesundheitsnetz mehrt sich die Einsicht, dass bei dieser Gutscheinaktion letztlich nur Patienten und Kassen profitieren, an eine Win-win-Situation für die Apotheke ist nicht mehr zu denken. Wie auch, wenn Apotheken von ihren 5,80 Euro, die ihnen am verordneten Arzneimittel noch bleiben, gleich 5 Euro für den Zuzahlungsgutschein abdrücken müssen. Das hält man nicht lange durch.

Woran man im Netz wohl nicht dachte: Zuzahlungsgutscheine als Marketingaktion bringen zwar Kunden, aber man kommt aus einer solchen Falle schlecht heraus. Denn solche Aktionen locken Begehrlichkeiten bei Patienten und Krankenkassen, die nur schwer zu stoppen sind. Als Werbegag sind Zuzahlungsgutscheine einfach zu teuer und nicht kalkulierbar.

Ganz zu schweigen davon, wie solche Aktionen bei Gesundheitspolitikern ankommen, wenn die Apotheke auf fünf Euro ihres Honorars verzichten kann. War das Jammern bei der Erhöhung des Kassenzwangsrabatts von 2 auf 2,30 Euro da glaubhaft? Oder kommen die Gesundheitsnetzwerker etwa auch mit 80 Cent Honorar aus?

Den Netzverantwortlichen dämmert inzwischen, was hier losgetreten wurde. Man überlegt, wie man die Gutscheinaktion zurückdrängen und in andere Modelle, z. B. Rabatte bei OTC-Arzneimitteln für HKK-Versicherte umdrehen kann. Für einen zweifelhaften kurzfristigen Erfolg wurde hier viel aufs Spiel gesetzt. Jetzt bleibt wohl nur noch der radikale Schnitt: Schluss mit den Gutscheinaktionen, sonst hält das die Apotheke nicht lange aus.

Was lehren uns die Bremer Vorgänge: Sie führen wieder einmal deutlich vor Augen, dass Lockangebote wie Gutscheine und ähnliches nichts bringen. Die lieben Mitbewerber machen es nach, die Preise gehen in den Keller – am Schluss haben alle gleich wenig. Das ist falsch verstandener Wettbewerb. Die echten Bremer Stadtmusikanten – die vom Märchen – wussten, dass Einigkeit stark macht. Sie schlugen ihre Feinde gemeinsam in die Flucht – jeder mit seinen Fähigkeiten. Die Bremer Stadtmusikanten aus den Apotheken dagegen müssen sichtlich erst noch lernen, wie man durch ein richtiges Zusammenspiel stärker wird.

Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.