Kommentar
Risiken und Nebenwirkungen bedacht?
Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Arzneimittelherstellern sind im Zuge der neuen Gesundheitsreform möglich geworden. Und sie werden fleißig abgeschlossen. Doch es gibt auch Fehlentwicklungen.
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) ist zum 1. April 2007 eine gesetzliche Änderung in Kraft getreten, die es Krankenkassen und Herstellern ermöglicht, Rabattverträge abzuschließen. Da der Apotheker zeitgleich zur bevorzugten Abgabe des rabattierten, wirkstoffgleichen Arzneimittels verpflichtet worden ist und hiervon nur abweichen darf, wenn kein Rabattvertrag vorliegt oder der pharmazeutische Unternehmer seine Lieferunfähigkeit feststellt, sind in der Folge eine große Anzahl solcher Verträge abgeschlossen worden. Zurzeit haben rund 200 Krankenkassen mit 55 Herstellern Verträge über mehr als 18.000 Arzneimittel unterschrieben. Auf den ersten Blick stellen Rabattverträge einen interessanten Weg dar, die Arzneimittelpreise bei gleicher Qualität weiter zu senken, da gerade im Generika-Segment die Schere zwischen günstigen und teuren wirkstoffgleichen Medikamenten immer noch sehr groß ist. Werden die Rabattverträge allerdings im Kontext des bestehenden Systems betrachtet, fallen Risiken und Nebenwirkungen auf, zu denen zur Abwechslung mal nicht Arzt und Apotheker befragt werden sollten.
Transparenz und Preissensibilität gehen verloren Die ehemals hohe Transparenz des Arzneimittelmarktes geht verloren, da die Verträge als privatwirtschaftliche Vereinbarungen der Geheimhaltung unterliegen. Für die beteiligten Leistungserbringer kann dies proble-
matisch werden, wenn sie nicht wissen, bis wann die Verträge laufen. Auch geht die Sensibilität für Preise verloren, und es kann generell die Strategie leiden, günstige Generika zu verordnen. Die Auswirkungen auf die Steuerungsinstrumente wie Richtgrößen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Festbetragssystem und Bonus-Malus-Regelung sind zudem gravierend, wenn nicht mehr klar ist, welcher Preis denn als "Referenzpreis" zu bezeichnen ist. Für Hersteller kann es unter Umständen strategisch sinnvoll sein, eher auf den Rabatt- als auf den Preiswettbewerb zu setzen. Einsparpotenziale sind nicht garantiert Es ist zudem kurzsichtig, nur auf eine kostengünstige Arzneimittelauswahl zu setzen und die Verordnungsmengen außen vor zu lassen, da die Ausgaben nicht nur aus dem Preis, sondern auch aus der Menge bestehen. Die Einsparungen, die sich nach Schätzungen auf circa 310 Millionen Euro belaufen (entspricht 0,03 Beitragssatzpunkten), werden außerdem wohl eher gering ausfallen, da ein guter Teil durch Boni an Ärzte, Zuzahlungsverzichte für Patienten, Vertragscontrolling und Datenbereinigung sofort wieder verschlungen wird. Wird von Seiten der Krankenkasse die Option genutzt, Patienten von der Zuzahlung im Rahmen von Rabattverträgen zu befreien, muss zudem darauf geachtet werden, dass das primäre Ziel, die Ausgabenseite der Krankenkassen zu entlasten, nicht konterkariert wird, wenn der Zuzahlungsverzicht größer ausfallen sollte als ein anfallender Rabatt.
Abschließend kann – trotz aller Kritik am Instrument der Rabattverträge – festgehalten werden, dass der Arzneimittelmarkt weiterhin stark in Bewegung ist. Im Vergleich der Monate Januar und Mai 2007 haben die "drei Großen" (Hexal, Ratiopharm, Stada) im Schnitt 15 Prozent an Umsatz verloren. Im Gegensatz dazu haben die Rabattpartner der AOK deutlich hinzugewonnen. Für die nähere Zukunft ist die Politik gefordert, sich für einen Weg zu entscheiden: Sind zentrale Instrumente wie Festbeträge, Wirtschaftlichkeitsprüfungen oder aber die Bonus-Malus-Regelung gewünscht oder sollten eher dezentrale Maßnahmen wie Rabattverträge oder kassenspezifische Vertragslisten zum Einsatz kommen? Ein Nebeneinander beider Maßnahmen erhöht die Regelungsdichte und führt eher dazu, dass die Markttransparenz sinkt und sich die unterschiedlichen Instrumente gegenseitig beeinflussen und eventuell sogar aushebeln. Eine obligatorische Evaluation sollte diesen neuen Weg begleiten, damit mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig erkannt und abgestellt werden können.
Gerd Glaeske, Matthias S. Pfannkuche, Falk Hoffmann
Gerd Glaeske, Arzneimittelexperte, Professor am Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen, E-Mail glaeske@zes.uni-bremen.de Co-Autoren: Matthias S. Pfannkuche und Falk Hoffmann, beide sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen.Nachdruck aus "Dr. med. Mabuse", Nr. 169 September/Oktober 2007, mit freundlicher Genehmigung des Verlags
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.