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Das Prostatakarzinom:Hormonund Chemotherapie

Die Prognose des Prostatakarzinoms hängt entscheidend von dem Erkrankungsstadium ab. Während bei lokal begrenzten Tumoren Operation und Strahlentherapie gute Heilungschancen bieten, soll bei fortgeschrittenen, metastasierten Tumoren eine Hormon- oder Chemotherapie das Tumorwachstum eindämmen. Knochenmetastasen erfordern darüber hinaus eine konsequente Schmerztherapie.

Das Prostatakarzinom ist der häufigste Tumor des Mannes in den westlichen Industrieländern. Bei etwa 49.000 Männern wird jährlich in Deutschland ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Je nach Erkrankungsstadium, Alter und Allgemeinzustand des Patienten benötigen die Betroffenen eine auf sie und ihre Situation abgestimmte Therapie. Bei lokal begrenzten Tumoren zielen operative und strahlentherapeutische Möglichkeiten auf die Heilung ab. Im fortgeschrittenen, metastasierten Tumorstadium stehen dagegen die Verlängerung des Überlebens sowie der Erhalt der Lebensqualität und die Verhinderung von Komplikationen im Vordergrund. Hier nehmen medikamentöse Therapien in Form einer Hormontherapie oder einer Chemotherapie einen wichtigen Stellenwert ein (Abb.1).

Prostatazellen besitzen einen Androgenrezeptor und weisen dadurch ein androgenabhängiges (Testosteron-abhängiges) Wachstum auf. Diese Androgenabhängigkeit besteht zumindest anfangs auch für Prostatakarzinomzellen, was wiederum bei der Hormontherapie ausgenutzt werden kann.

Die Unterdrückung des stimulierenden Effektes von Testosteron auf die Prostatakarzinomzellen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen (Abb. 2).

Zum einen kann auf verschiedenen Stufen des hormonellen Regelkreises die Produktion von Testosteron unterdrückt (Androgenentzug) oder die Wirksamkeit von vorhandenem Testosteron an den Prostatakarzinomzellen direkt blockiert werden (Androgenblockade).

Flare-up-Phänomen beachten

LHRH-Agonisten (Buserelin, Goserelin, Leuprorelin, Triptorelin; Tab.1) wirken dauerhaft stimulierend auf die LHRH-Rezeptoren der Hypophyse, wodurch es zu einer Hemmung der LH-Ausschüttung und damit der Testosteronproduktion kommt. Es handelt sich dabei um Depotpräparate, die in ein-, zwei- oder dreimonatigen Intervallen unter die Haut (subkutan) zu injizieren sind. LHRH-Analoga führen so innerhalb etwa vier Wochen zu einem Abfall der Testosteronwerte in den Kastrationsbereich. Zu beachten ist, dass anfänglich die LH-Ausschüttung und damit der Testosteronspiegel ansteigen (initiales Flare-up-Phänomen). Deshalb sollte zumindest beim metastasierten Erkrankungsstadium anfänglich überlappend ein Antiandrogen (siehe unten) verabreicht werden. Bei ungefähr 10% der Patienten kommt es nur zu einer ungenügenden Unterdrückung des Testosteronspiegels. In solchen Fällen kann ein Wechsel des LHRH-Präparates sinnvoll erscheinen.

Alternative Hodenentfernung

LHRH-Antagonisten (Abarelix) blockieren die hypophysären LHRH-Rezeptoren. Sie bieten jedoch gegenüber LHRH-Analoga keine wesentlichen Vorteile und werden derzeit nur sehr eingeschränkt eingesetzt bzw. befinden sich noch in klinischer Erprobung. Eine mit LHRH-Analoga vergleichbare Möglichkeit der Hormonblockade stellt die operative Entfernung beider Hoden dar (und damit der hauptsächlichen Produktionsstätte des Testosterons). Obwohl es sich hier um einen komplikationsarmen und im Vergleich zur Therapie mit LHRH-Analoga gesundheitsökonomisch günstigen Eingriff handelt, wird er jedoch von der überwiegenden Mehrheit der Patienten abgelehnt.

Antiandrogene greifen anKarzinomzellen und Hypophyse an

Antiandrogene blockieren die Testosteron- und Dihydrotestosteron-Rezeptoren in der Prostatakarzinomzelle und verhindern dadurch deren Wirkung. Pharmakologisch unterscheidet man steroidale (z. B. Cyproteronacetat) von nicht-steroidalen Antiandrogenen (z. B. Bicalutamid, Flutamid) (Tab. 1.). Steroidale Antiandrogene wirken zusätzlich hemmend auf die Hypophyse und senken dort unter anderem auch die Testosteronausschüttung. Im Gegensatz zu steroidalen Antiandrogenen weisen nicht-steroidale Antiandrogene jedoch ein geringeres Nebenwirkungsprofil auf (erhaltene Libido, kein negativer Effekt auf die Knochendichte oder Potenz). Daher werden in der Praxis nicht-steroidale Antiandrogene bevorzugt eingesetzt (Tab. 2).

Der Wirkmechanismus von Östrogenpräparaten wie Diethylstilbestrol ist vielseitig: zum einen wird die LHRH-Ausschüttung erniedrigt, zum anderen kommt es zu einer Hemmung der Testosteronproduktion und zu einer Inaktivierung von Androgenen. Aufgrund zum Teil ausgeprägter Nebenwirkungen auf das Herz- und Gefäßsystem (thromboembolische Komplikationen) werden Östrogenpräparate in der Primärtherapie nicht mehr eingesetzt. Auf sie wird gegebenenfalls erst nach Versagen der primären Hormontherapie zurückgegriffen.

Als weitere Präparate zur sekundären und tertiären Hormonmanipulation sind adrenale Androgeninhibitoren (z. B. Ketoconazol, Aminoglutethimid) zu nennen. Aminoglutethimid führt zu einer Blockierung der Hormon- und damit auch der Androgenproduktion der Nebenniere. Zu beachten ist, dass dadurch auch die körpereigene Cortisonproduktion blockiert wird und Cortison als Tabletten eingenommen werden muss. Das Pilzmittel Ketoconazol hemmt sowohl die Androgensynthese der Nebenniere als auch die des Hodens. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu erwähnen, dass für beide Medikamente dafür keine Zulassung vorliegt.

Stufenplan der Hormontherapie

Beim metastasierten Prostatakarzinom wird zunächst eine Hormontherapie in Form einer sogenannten einfachen Androgenblockade (EAB) mit einem LHRH-Agonisten nach Flare-up-Prophylaxe mit einem nicht-steroidalen Antiandrogen begonnen. Alternativ erfolgt eine komplette oder maximale Androgenblockade (MAB) unter kontinuierlicher Hinzunahme eines nicht-steroidalen Antiandrogens. Die maximale Androgenblockade scheint gegenüber einer einfachen Androgenblockade einen geringen Überlebensvorteil aufzuweisen (ca. 5% nach 5 Jahren). Dieser Vorteil wird jedoch mit einer höheren Rate an Nebenwirkungen erkauft. Im Vergleich zu den nicht-steroidalen Antiandrogenen scheinen steroidale Antiandrogene hinsichtlich des Überlebens und der Nebenwirkungsrate eher von Nachteil zu sein. Eine weitere Behandlungsoption stellt die Monotherapie mit dem nicht-steroidalen Antiandrogen Bicalutamid (150 mg / Tag) dar. Der Vorteil besteht in einer Verbesserung der Lebensqualität, da der Testosteronspiegel nicht unterdrückt wird und es daher in einem geringeren Maße zu Potenz- und Libidoverlust sowie Osteoporose und Anämie kommt (Tab. 2). Allerdings sollte diese Therapie nach derzeitiger Studienlage nur einer selektierten, gut informierten Patientengruppe mit lokal fortgeschrittenem oder geringgradig metastasiertem Prostatakarzinom angeboten werden. Kommt es unter der einfachen Androgenblockade zu einem Fortschreiten der Erkrankung (anhand des im Blut festgestellten PSA-Wertes oder durch Zunahme der Beschwerdesymptomatik), wird die einfache Androgenblockade durch ein nicht-steroidales Antiandrogen zu einer maximalen Androgenblockade erweitert. Bei erneutem PSA-Anstieg kann durch Wechsel des nicht-steroidalen Antiandrogens oder durch erneutes Absetzen des Antiandrogens (Antiandrogenentzugsphänomen) bei einem Teil der Patienten ein erneutes Ansprechen für eine begrenzte Zeitspanne erreicht werden.

Um die Nebenwirkungen der Hormontherapie zu minimieren und gegebenenfalls die Zeit bis zur Entwicklung eines hormonrefraktären Prostatakarzinoms zu verlängern, wurde das Konzept einer zeitweise durchgeführten, sogenannten intermittierenden Androgenblockade (IAB) entworfen. Im Gegensatz zur kontinuierlichen Androgenblockade (KAB) wechseln hierbei je nach PSA-Verlauf therapiefreie Intervalle mit Behandlungsintervallen. Bisher ist jedoch der Stellenwert der intermittierenden Androgenblockade im Hinblick auf Langzeitergebnisse (Gesamtüberlebenszeit) nicht endgültig definiert.

Androgenblockade sofort oder verzögert?

Ob eine Androgenblockade sofort bei asymptomatischen oder erst verzögert bei symptomatischen Patienten begonnen werden sollte, wurde lange Zeit (und wird) kontrovers diskutiert. Ein sofortiger Behandlungsbeginn kann tumorbedingte Komplikationen und das Voranschreiten der Prostataerkrankung deutlich reduzieren, ist andererseits aber mit Nebenwirkungen assoziiert. Hinsichtlich des Gesamtüberlebens ließ sich nur ein minimaler Unterschied zwischen sofortiger oder verzögerter Androgenblockade feststellen. In der Praxis wird eine Androgenblockade meist frühzeitig eingeleitet.

Unter Hormontherapie können Prostatakarzinomzellen selektiert werden, die androgenunabhängig wachsen und für den weiteren Krankheitsverlauf entscheidend sein können. Dennoch bleiben in diesem androgenunabhängigen Stadium eine Subpopulation von Tumorzellen weiterhin für Androgene empfindlich und daher kann in einigen Fällen durch Ausschalten der Nebennierenandrogene durch Ketoconazol oder vergleichbare Substanzen im Rahmen einer sekundären und gegebenenfalls tertiären Hormonmanipulation ein klinisches Ansprechen beobachtet werden. Obwohl hierzu insgesamt wenig aussagekräftige Studien im Hinblick auf die Gesamtüberlebenszeit vorliegen, können diese relativ nebenwirkungsarmen Behandlungsformen vor Einleitung einer Chemotherapie durchgeführt werden.

Chemotherapie beihormonrefraktärem Karzinom

Kommt es unter sekundärer bzw. tertiärer Hormonmanipulation zum Fortschreiten des Prostatakarzinoms (hormonrefraktäre Erkrankung), kann betroffenen Patienten nach ausführlicher Beratung eine Chemotherapie angeboten werden. Als Standard gilt derzeit im metastasierten hormonrefraktären Stadium die Therapie mit Docetaxel, das in zwei groß angelegten Studien (TAX 327 und SWOG 9916) seine Wirksamkeit im Hinblick auf Schmerzreduktion und Verlängerung des Gesamtüberlebens bewiesen hat. Docetaxel wird in dreiwöchentlichen Zyklen (75 mg / m2) oder wöchentlich (30 mg / m2 ; drei aufeinander folgende Wochen mit einer Woche Pause) verabreicht. Während die dreiwöchentliche Gabe einen etwas größeren Überlebensvorteil zeigt, weist die wöchentliche Docetaxel-Gabe ein günstigeres Nebenwirkungsprofil auf. Darüber hinaus wurde durch die Chemotherapie eine signifikante Schmerzreduktion und daraus folgernd eine signifikante Erhöhung der Lebensqualität im Vergleich mit den damaligen Standardtherapeutikum Mitoxantron beobachtet. Die häufigsten Nebenwirkungen einer Therapie mit Docetaxel stellen Veränderungen des Blutbildes, Magen- und Darmprobleme, Haarausfall und allgemeine Schwäche dar. Daneben werden Nagelveränderungen, Wassereinlagerung, Hautausschläge und Muskelschmerzen beobachtet. Zur Verminderung der Nebenwirkungen soll der Patient vor allem vor und am Tag der Chemotherapie Cortisonpräparate einnehmen.

Knochenmetastasen erfordernkonsequente Schmerztherapie

In fortgeschrittenen Stadien des Prostatakarzinoms treten oftmals Knochenmetastasen auf. Symptome wie neu aufgetretene Knochenschmerzen, plötzliche Einschränkungen in der Mobilität oder Sensibilitätsstörungen sollten weiter diagnostisch abgeklärt werden. Für die Therapie stehen grundsätzlich medikamentöse, strahlentherapeutische und operative Optionen zur Verfügung. Neben einer konsequenten Schmerztherapie nach dem WHO-Stufenschema nehmen Bisphosphonate in Kombination mit Vitamin D und Calciumpräparaten einen festen Stellenwert in der medikamentösen Therapie ein. Bisphosphonate hemmen den Knochenabbau und stabilisieren so den Knochen. Einerseits verhindern Bisphosphonate das Auftreten von Komplikationen durch Metastasen am Knochen (pathologische Brüche, Rückenmarkskompression) und wirken auch dem durch die antiandrogene Therapie bedingten verstärkten Knochenabbau entgegen. Andererseits kann eine Bisphosphonat-Therapie Schmerzen durch Knochenmetastasen verringern. Während sowohl die schmerzreduzierende Wirkung als auch die Verringerung des Knochenabbaus (Osteoporose) als Folge einer Hormontherapie für eine Reihe von Bisphosphonaten (Clodronat, Pamidronat, Zoledronat) gezeigt werden konnte, wurde bisher nur für Zoledronat ein wesentlicher Vorteil hinsichtlich der Verhinderung von Skelettkomplikationen durch Knochenmetastasen nachgewiesen. Zoledronat wird vierwöchentlich als 15-minütige Kurzinfusion verabreicht. Dabei muss die Dosis in Abhängigkeit der Nierenfunktion angepasst werden. Da unter der Therapie mit Bisphosphonaten ein Absterben von Knochen (Osteonekrose) im Kieferbereich beschrieben wurde, sollte vor Beginn einer Therapie eine zahnärztliche Untersuchung und gegebenenfalls eine Zahnsanierung durchgeführt werden. Bei neu aufgetretenen Zahnbeschwerden unter Bisphosphonat-Therapie sollte die Therapie unterbrochen und ein Zahnarzt aufgesucht werden.

Ausblick

Gerade das hormonrefraktäre Prostatakarzinom ist Gegenstand intensiver Forschung. Im Rahmen von verschiedenen Studien werden derzeit unterschiedliche Substanzen, Substanzkombinationen als auch Dosierungsintervalle untersucht. In der VITAL-2- Studie wird die Chemotherapie mit einer Impfstrategie gegen das Prostatakarzinom ergänzt. Die ASCENT-2 Studie untersucht die Gabe von Docetaxel in Kombination mit hochdosiertem Vitamin D. Weitere Studien verwenden zum Teil Substanzen, die den Stoffwechsel der Prostatakarzinomzellen stören sollen. In einer durch die Deutsche Krebsgesellschaft geprüften Studie (AUO-Studie AP 40/04 bzw. PRINCE-Studie) wird die intermittierende Gabe von Docetaxel mit der kontinuierlichen Gabe hinsichtlich des Überlebens und der Lebensqualität verglichen. Sollte sich eine intermittierende Gabe als gleich gut erweisen, ist gut vorstellbar, dass die Toxizität der Behandlung und daraus folgend die Lebensqualität von Prostatakarzinompatienten durch ein derartiges Protokoll eine Verbesserung erfährt. Um modernere und nebenwirkungsärmere Protokolle entwickeln zu können und damit die Lebensqualität und das Überleben von Prostatakarzinompatienten zu verbessern, ist es jedoch wichtig, dass Patienten in laufende Studien eingebracht werden.

Literatur

EAU Guidelines 2007. Tumorzentrum München – Urogenitale Tumoren 2003

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Tobias Maurer

Urologische Klinik und Poliklinik

der Technischen Universität München,

Klinikum rechts der Isar

Ismaninger Str.

81675 München
metastasiertes Prostatakarzinom Die Abbildung zeigt ein Prostatakarzinom mit iliakaler Lymphknotenmetastase (11C-Cholin-PET-CT-Untersuchung)
Foto: T. Maurer/TU München
Bei fortgeschrittenem, metastasiertem Prostatakarzinom wird versucht, das Wachstum der Krebszellen mithilfe einer Hormon- oder Chemotherapie einzudämmen.

(Im Bild: Prostatakarzinom-Zellen unter dem Rasterelektronenmikroskop)

Foto: SPL/Agentur Focus
Abb. 1: Multimodale Therapiekonzepte beim metastasierten Prostatakarzinom
Abb. 2: Hormoneller Regelkreis (Hypothalamus – Hypophysen – Gonaden – Achse) beim Prostatakarzinom mit medikamentösen Einflussmöglichkeiten

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