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Arzneimittelversorgung

GEK-Chef: ABDA lenkt Apotheker in die falsche Richtung

BERLIN (ks). Die Arzneimittelausgaben sind im vergangenen Jahr nur noch moderat gestiegen – auch bei der Gmünder Ersatzkasse (GEK). Grund hierfür ist vor allem das Arzneimittel-Sparpaket AVWG, das seit dem 1. April Wirkung zeigt. GEK-Chef Dieter Hebel setzt daneben auch weiterhin auf Kostenersparnisse durch Kooperationen mit Versandapotheken. Holländischen Versendern sagt er eine goldene Zukunft voraus: Die "falsche Lobbyarbeit der ABDA" bei der Gesundheitsreform werde ihnen noch mehr Vorteile als bisher verschaffen, sagte Hebel bei einem Pressegespräch am 29. Januar in Berlin.

Nach den bisherigen Schätzungen des BKK-Bundesverbandes haben die gesetzlichen Krankenkassen im letzten Jahr 2,1 Prozent mehr für Arzneimittel ausgegeben als 2005 – damals lag die Steigerungsrate noch bei rund 16 Prozent. Die GEK vermeldet für 2006 gar nur einen Anstieg um 0,9 Prozent. Drastische Preissenkungen im generischen und im festbetragsgeregelten Bereich konnten die Kostensteigerungen für neue Arzneimittel damit weitgehend ausgleichen, erklärte Hebel. "Trotz aller Unkenrufe" habe seine Kasse zudem ihre durchschnittlichen Umsatzanteile mit Versandapotheken auf 7,2 Prozent steigern können. Ohne Berücksichtigung der hier erzielten Einkaufsvorteile wäre die Kostensteigerung bei der GEK um 0,3 Prozent höher ausgefallen, sagte Hebel. Für das laufende Jahr hat er sich einen Versandhandelsanteil in "zweistelliger Höhe" zum Ziel gesetzt.

Enttäuscht ist der GEK-Chef über die Entwicklung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG): "Wir waren freudig erregt, als der Gesetzentwurf die Einführung von Höchstpreisen vorsah", so Hebel. Doch nun hat sich die Große Koalition darauf besonnen, doch an den Festpreisen festzuhalten. Die Apothekerlobby habe die Regelung "erfolgreich abgewehrt und damit verhindert, dass der Wettbewerb endlich auch in den Apothekenmarkt einzieht". Dass es nun auf einen um 30 Cent erhöhten Zusatzrabatt für die Apotheken hinausläuft, ist für Hebel ein anrüchiger "Ablasshandel". Er ist überzeugt, dass dieser den Pharmazeuten schlussendlich mehr schaden als nutzen wird: "Die Folgen dieser falschen, von der ABDA zu verantwortenden Politik werden Umsatz- und Arbeitsplatzverluste bei den Apotheken sein". Da sie gegenüber ausländischen Versandapotheken weiterhin benachteiligt seien, würden diese verstärkt in den Markt drängen.

Glaeske: Nur Strukturreformen wirken

Rückendeckung erhält die GEK von Professor Gerd Glaeske, Mitglied des Sachverständigenrats im Gesundheitswesen. Auch er lobt die Maßnahmen des AVWG und kritisiert, dass das GKV-WSG "weit hinter dem zurückbleibt, was es hätte tun können". Seines Erachtens ist es der Schlüssel zur Kontrolle der Arzneimittelausgaben, auf Anreize zu setzen, die den Beteiligten tatsächlich Vorteile bieten. Dies habe der Sachverständigenrat bereits in seinem 2005 veröffentlichten Gutachten ausgeführt. Die mit dem AVWG eingeführte Möglichkeit der Zuzahlungsbefreiung für besonders günstige Arzneimittel und die Bonus-Malus-Regelung für Vertragsärzte sind für Glaeske richtige Schritte gewesen. Sie setzten an der Struktur an und seien nicht bloße Kostendämpfungsmaßnahmen, die sich viel zu oft umgehen ließen – Stichwort: Generikapreisschaukel – und deren Wirkung rasch verpuffe. Vor allem bei den teueren Generikaherstellern purzelten im vergangenen Jahr die Preise – für Glaeske ist dies "eine Wiedergutmachung an der GKV für vorher deutlich überhöhte Preise". Er ist überzeugt, dass sich die Situation zugunsten der Kassen und Versicherten weiter verbessern wird, wenn in diesem Jahr die Bonus-Malus-Regelung greift: Wenn nämlich die Leitsubstanzen zuzahlungsbefreit werden, hätten auch die mit diesen konkurrierenden Me-too-Präparate keine Chance mehr.

4,80 Euro sind genug

Angesichts des sichtbaren Erfolges der strukturellen Maßnahmen des AVWG hat Glaeske wenig Verständnis, dass die Regierung diesen Weg mit dem GKV-WSG nicht fortsetzt. Er hätte sich gewünscht, dass Arzneimittelpreise künftig verhandelt werden, ehe sie auf den Markt kommen. Eine "vierte Hürde" hätte zudem den Anreiz für Pharmaunternehmen verstärkt, echte Innovationen auf den Markt zu bringen. Auch der Verzicht auf die Einführung eines Höchstpreissystems für Arzneimittel zeuge von "wenig Mut und der Macht der Lobbyisten". Der nun auf 5,80 Euro reduzierte Fixzuschlag sei nach wie vor zu hoch, betonte Glaeske. Er verwies auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen aus dem Jahr 2002, wonach den Apotheken ein Honorar von 4,80 Euro pro verordnetem Arzneimittel ausreichen würde. Mit einer solchen Absenkung könnten die Distributionskosten im Kassenbereich auf 3 Mrd. Euro gesenkt und der Apothekenmarkt "bereinigt" werden. Das Problem der ABDA sei, dass sie bei ihrer Lobbyarbeit stets auf den Erhalt der rund 21.500 Apotheken abziele. Gäbe es nur noch 16.000 Apotheken, würden die Apotheker auch mit solchen Einsparungen nicht schlechter stehen, so Glaeske.

Der Pharmaexperte glaubt zudem, dass das Fremdbesitzverbot in Deutschland nicht mehr lange halten wird. Die Strukturen für Ketten seien von Apothekenkooperationen längst angelegt worden. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis es alle Arten von Apotheken in Deutschland geben wird. Glaeske ist überzeugt: "Apotheker betreiben zum Großteil eine verantwortungsvolle Arzneimittelversorgung – das wird sich auch nicht durch andere Organisationsformen ändern."

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