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DAZ aktuell
Integritas-Mitgliederversammlung
Pflanzliche Zubereitungen – Arzneioder Lebensmittel?
BONN (hb). Den traditionellen Phytopharmaka sowie Lebensmitteln mit pflanzlichen Inhaltsstoffen waren die Referate im öffentlichen Teil der Mitgliederversammlung des Vereins für lautere Heilmittelwerbung am 29. November 2007 in Bonn gewidmet. Im Lebensmittelbereich dreht sich diesbezüglich derzeit alles um die sogenannte Claims-Verordnung. Sie könnte auch auf die Positionierung pflanzlicher Arzneimittel im "traditionellen Segment" erhebliche Auswirkungen haben.
Zunächst zeigte sich der Vorstandsvorsitzende von Integritas Norbert Pahne einigermaßen erleichtert darüber, dass der Verein im Berichtsjahr von Gesetzesänderungen weitgehend verschont geblieben ist. Berührt wurde dessen Arbeit jedoch von der Gesundheitsreform und von den Nachwehen der letzten AMG-Novelle. Im Tagesgeschäft von Integritas, der Werbevor- und Nachkontrolle, konnte erneut die Mehrzahl der Auseinandersetzungen außergerichtlich geklärt werden. Ein besonders drastischer Fall betraf eine Vielzahl von Verstößen gegen heilmittelwerberechtliche Vorschriften. Da der Inserent nicht zweifelsfrei ermittelt werden konnte, waren diese jedoch nicht angreifbar. Alternativ kann es jedoch, so erbrachte die gerichtliche Klärung, auch für die Verlage, in deren Organen solche wettbewerbswidrigen Anzeigen geschaltet waren, zu einer "Störerhaftung" kommen, wobei deren Verantwortlichkeit jedoch nur bei eindeutigen Verstößen zu bejahen ist.
Über den Stand der traditionellen Registrierung pflanzlicher Arzneimittel berichtete im ersten Referat Dr. Friederike Stolte aus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Hierzulande gab es bereits vor Inkrafttreten der entsprechenden europäischen Vorschrift einen geregelten Markt für diese Produktgruppe, denn traditionelle Phytopharmaka sind bekanntermaßen seit Abschluss der Nachzulassung als sogenannte 109a-Präparate in Verkehr. Dennoch müssen diese nun erneut hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 39a bis d AMG überprüft werden, das heißt, sie müssen eine lange Tradition nachweisen, und ihre Wirksamkeit muss plausibel und die Anwendung unschädlich sein. "Traditionsbeleg" bedeutet in diesem Zusammenhang eine medizinische Verwendung über mindestens 30 Jahre, davon 15 innerhalb der EU, entweder für das beantragte Präparat selbst oder für ein entsprechendes Präparat. Alternativ kann auch eine harmonisierte europäische Monographie oder eine Position auf der europäischen Traditionsliste herangezogen werden. Während im Bereich Monographien, vor allem dank der erheblichen Vorarbeiten Deutschlands schon einiges vorhanden ist, steckt die Bezugsliste noch in den Kinderschuhen. Stolte verwies hierzu auf eine allgemeine Vorschlagsliste für Indikationen auf der BfArM-Webseite, die mit den Industrieverbänden diskutiert worden ist.
Bislang hat das BfArM erst sechs Registrierungen erteilt, knapp 30 sind noch in Bearbeitung. Mehrere hundert 109a-Präparate stehen noch zur Bearbeitung an. Stolte rechnet damit, dass der Löwenanteil der Anträge erst kurz vor Ende der Übergangsfrist am 31. Dezember 2008 bei der Behörde eingehen wird.
Dauerbrenner Claims-Verordnung
Die europäische Claims-Verordnung ((EG) Nr. 1924/2006), die im Dezember 2006 verabschiedet worden war und im Sinne des Verbraucherschutzes für mehr Klarheit und Wahrhaftigkeit bei den ernährungs- und gesundheitsbezogenen Angaben zu Lebensmitteln sorgen soll, war auf der Jahresmitgliederversammlung von Integritas bereits mehrfach Thema. Sie ist am 18. Januar 2007 in Kraft getreten und findet seit dem 1. Juli 2007 Anwendung, allerdings nur teilweise. Durch die Übergangsfristen wird die Verordnung voraussichtlich erst in in vier bis fünf Jahren vollständig greifen.
Im Moment werden jedoch entscheidende Weichen für die Praxis gestellt, wie Peter Loosen, Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), darlegte.
Bei den zulässigen Claims wird gemäß der Verordnung in Zukunft unterschieden zwischen:
- ernährungsbezogenen (besondere Eigenschaften bzgl. der Kalorien, bestimmte Nahrungsbestandteile),
- gesundheitsbezogenen und
- solchen mit Bezug auf die Entwicklung und Gesundheit von Kindern oder zur Reduktion eines Krankheitsrisikos.
Hinsichtlich der Anwendbarkeit auf Nahrungsergänzungsmittel sorgen die beiden letztgenannten Punkte für den meisten Konfliktstoff.
Input aus den Mitgliedstaaten
Die Liste der allgemeinen gesundheitsbezogenen Angaben wird derzeit zusammengestellt, ein Mammutprojekt, denn die Claims-Verordung bringt durch den Übergang vom Erlaubnis- zum Verbotsprinzip einen entscheidenden Systemwechsel mit sich.
Bis Mitte 2007 sollte zunächst die Wirtschaft ihre Vorschlagslisten für die Claims einreichen, bis Januar 2008 die zuständigen Institutionen in den jeweiligen Mitgliedstaaten, in Deutschland das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die Listen der einzelnen Mitgliedstaaten werden in der Gemeinschaftsliste aufgehen, die nach Anhörung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von der Kommission drei Jahre nach dem Inkrafttreten der Verordnung verabschiedet werden soll.
Durch die Konsultation mit den einzelnen Mitgliedstaaten in diesem mehrstufigen Verfahren soll sichergestellt werden, dass die derzeit im Binnenmarkt als rechtmäßig verwendbar eingestuften Angaben zur ernährungs-oder gesundheitsbezogenen Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz im Sinne des Bestandsschutzes in der Gemeinschaftsliste berücksichtigt werden. Wie auch immer die Entscheidung im Einzelfall ausgehen wird, im Moment ausgelobte gesundheitsbezogene Angaben auf Handelsprodukten dürfen so lange bestehen bleiben, bis die offizielle Liste für die erlaubten Claims angenommen ist, das heißt bis zum 31. Januar 2010.
Die Spreu vom Weizen trennen
Bis dahin ist es jedoch nach Loosens Bekunden noch weit hin. Der BLL hat seinerseits rund 850 Claims zusammengetragen, davon 400 für Pflanzenstoffe. Anhand von Beispielen machte er deutlich, dass diese zum Teil nicht weit von den traditionellen Indikationen für Phytopharmaka entfernt sind oder sogar noch über diese hinausgehen. Das BVL hatte Ende Oktober ca. 8500 Claims vorliegen (inklusive Doppelmeldungen durch Einzelfirmen und über die Verbände), die nun vor der Weitergabe erst noch durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf Stichhaltigkeit geprüft werden müssen. Streichungen in der Liste soll es hiernach nicht geben, wohl aber Bewertungen als "positiv, negativ oder unklar", denn die abschließende Entscheidung obliegt schließlich der EFSA beziehungsweise der Europäischen Kommission. Bei der europäischen Lebensmittelbehörde scheinen zumindest Grundfragen schon gelöst. So soll es nach Loosen keine fertigen, verbindlichen, sondern nur Beispiel-Formulierungen geben. Allerdings bestehen seiner Einschätzung nach in der EFSA diametral entgegengesetzte Auffassungen, ob der Ansatz bei den gesundheitsbezogenen Angaben im Lebensmittelbereich wegen der erheblich größeren Verzehrsmengen strenger sein sollte, oder moderater als etwa im Arzneimittelbereich.
Sein Verband bewertet den Regelungsansatz der Claims-Verordnung per se als zu restriktiv.
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