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Landessozialgericht stoppt neue AOK-Rabattverträge
Da es sich um eine Entscheidung im Eilverfahren in zweiter Instanz handelt, ist, so die Auskunft beteiligter Juristen, gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel mehr möglich. Damit können die AOKs auf Basis der Ausschreibungsergebnisse bis zu einer abweichenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren für diese Wirkstoffe auf Basis der Ausschreibungsergebnisse keine neuen Rabattverträge abschließen. Die bereits verlängerte Bindungsfrist der Angebote der Hersteller läuft am 29. Februar 2008 ab.
In der mündlichen Entscheidungsbegründung verwies das Gericht auf erhebliche Mängel im Ausschreibungsverfahren. Nach Ansicht des 5. Senats des LSG Baden-Württemberg war das Kriterium der "Stoffbreite" in der in den Ausschreibungsunterlagen dargestellten Form für die Hersteller keine ausreichende Grundlage zur Bewertung der Preiskalkulation, so dass letztlich eine Zuschlagserteilung vom Zufall abhängen würde. Dies werteten die Richter als eine Ungleichbehandlung und mithin einen Verstoß gegen das Willkürverbot.
Die Klausel, wonach die Hersteller nach Abschluss eines Rabattvertrages im Falle allgemeiner Preisabsenkungen für einen Wirkstoff um mehr als fünf Prozent einen weiteren Rabatt entsprechend der Höhe der Preissenkung gewähren sollten (Preisanpassungsklausel), wurde als Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip gewertet. Derartige Preisanpassungen seien bei Verträgen mit einer Laufzeit von zwei Jahren nicht üblich. Auch hätten die AOKs nur regional beschränkt ausschreiben oder regionale Lose bilden müssen. Der Zusammenschluss der 16 AOKs mit einem Marktanteil von 40 Prozent überschreite kartellrechtliche Grenzen und bilde somit ein Oligopol, das mittelständische Unternehmen bei dem Abschluss von Rabattverträgen benachteilige.
Für eine endgültige Bewertung, was die Stuttgarter Entscheidung konkret für die Zukunft der Rabattverträge bedeutet, muss die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden. Für die Apothekenpraxis bedeutet die Entscheidung jedoch, dass zumindest kurzfristig keine neuen AOK-Rabattverträge mit Sortimentsumstellungen anstehen. So weit keine Rabattverträge bestehen, ist die aut idem-Regelung nach Rahmenvertrag anzuwenden. Sofern weitere Verträge bestehen, wie z. B. bei der AOK Rheinland/Hamburg, sind im Rahmen der zulässigen Regelungen bevorzugt Produkte mit Rabattvertrag abzugeben.
Die AOK Baden-Württemberg bedauerte die Entscheidung in einer ersten Reaktion, insbesondere da sie die deutschlandweite Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen für 2008 faktisch unmöglich mache. Damit verliere das AOK-System bundesweit Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe. Zudem müssten nun die AOK-Versicherten auf Zuzahlungsbefreiungen verzichten, die ihnen die AOK gerne weiter ermöglicht hätte. Das AOK-System werde kurzfristig darüber beraten, wie die Potenziale, die der Gesetzgeber über Arzneimittelausschreibungen grundsätzlich ermöglicht habe, für die Zukunft doch noch gehoben werden könnten.
Dem Vernehmen nach haben nach dieser Entscheidung auch Zielpreisvereinbarungen, wie sie die ABDA vorschlägt, wieder eine Chance. Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben müssten diese dann aber wohl regional zwischen den Landesapothekerverbänden und der jeweiligen AOK geschlossen werden. In dieser Woche solle auch diese Option in einem Gespräch mit der ABDA erörtert werden, hieß es bei der AOK Baden-Württemberg. Marktbeobachter gehen allerdings davon aus, dass Zielvereinbarungen den Krankenkassen bei Weitem nicht die Einsparungen bringen wie mit Herstellern geschlossene Rabattverträge.
Der AOK-Bundesverband forderte inzwischen politische Konsequenzen. Der Gesetzgeber müsse nach Ansicht der AOK jetzt kurzfristig die gesetzlichen Regelungen für Rabattverträge nachbessern, heißt es in einer Pressemitteilung des AOK-Bundesverbandes. Das den Rabattverträgen vorgeschaltete Ausschreibungsverfahren der AOK sei bundesweit das transparenteste und wettbewerbsoffenste Verfahren aller Krankenkassen, erklärte Dr. Herbert Reichelt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Das Gericht habe sich, offenbar mangels konkreter sozialgesetzlicher Vorgaben, für die umfassende Anwendung förmlicher Vergaberechtsvorschriften entschieden.
Unabhängig von notwendigen gesetzgeberischen Initiativen werde die AOK-Gemeinschaft im Interesse ihrer Versicherten alles daran setzen, jetzt auch unter den einschränkenden Bedingungen eine möglichst weitgehende Ausschöpfung der vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven im Arzneimittelbereich zu erreichen, erklärte Reichelt weiter.
Mit der Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg sind nach Einschätzung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) die AOK-Rabattverträge nach dem bisherigen Vergabeverfahren gescheitert. Dies sei ein Schritt hin zu rechtlich berechenbaren Rahmenbe-dingungen. Das Gericht habe in seiner mündlichen Begründung klargestellt, dass Krankenkassen nicht von Ausschreibungspflichten befreit werden könnten und sich nach wesentlichen Grundsätzen des Vergaberechts zu richten hätten. Dazu gehörten Transparenz und die Einhaltung von Gleichheitsrechten. Dieses Urteil habe deshalb grundsätzlichen Charakter, erklärte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp.
"Nachdem sowohl die Zivil- als auch die Sozialgerichtsbarkeit in derselben Rechtssache zum gleichen Ergebnis kommen, ist das juristische Hickhack um die Rabattverträge der AOK zumindest vorläufig beendet", erklärte Peter Schmidt, Geschäftsführer des Branchenverbandes Pro Generika in Berlin. Die Bindungsfrist aus der Ausschreibung der AOK für die Jahre 2008 und 2009 ende am 29. Februar. Sofern die AOK dennoch Rabattverträge über die betreffenden Wirkstoffe abschließen wolle, müsse sie diese erneut ausschreiben.
Nach Einschätzung von Beobachtern ist das vorläufige Ende der neuen AOK-Rabattverträge weitgehend durch die AOKs hausgemacht und durch Unbelehrbarkeit und Selbstüberschätzung einiger AOK-Manager verursacht. Die AOK Baden-Württemberg als Verhandlungsführer in dem Verfahren sei auf alle bislang als Verfahrensfehler bekannten Punkte frühzeitig hingewiesen worden, so ein Industrievertreter. Wäre es den AOK-Vertretern um die Sache und weniger um die derzeit häufiger bei Krankenkassenvertretern anzutreffende Machtdemonstration gegenüber der Pharmaindustrie gegangen, wären die Verträge vermutlich längst in Kraft.
Lesen Sie einen weiteren Bericht in der nächsten Ausgabe der DAZ. .
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