Management

Kundenbindung als strategische Herausforderung

Wie man ein proaktives Reklamationsmanagement aufbaut

Wenn ein Kunde eine Reklamation vorträgt und diese in der Apotheke nicht angemessen behandelt wird, droht die Gefahr, dass er geht – für immer. Mit einem professionellen Reklamationsmanagement kann ein ärgerlicher Kunde nicht nur zu einem zufriedenen gemacht, sondern überdies noch enger an die Apotheke gebunden werden.
Reklamationen positiv nutzen – sie zeigen, wo in der Apotheke was verbessert werden kann und bieten durchaus Gelegenheit, die Kundenbindung zu erhöhen.
Wie man ein proaktives Reklamationsmanagement aufbaut

"Der Umgang mit unzufriedenen Kunden ist unangenehm, zeitraubend und ärgerlich!" Wer so denkt, ist nicht in der Lage, im reklamierenden Kunden jemanden zu erkennen, der der Apotheke eine zweite Chance gibt.

Die Statistik sagt: Auf einen enttäuschten Kunden, der sich direkt beschwert, kommen ca. 19 Kunden, die dies nicht tun – obwohl sie allen Grund dazu hätten. Leider berichten diese 20 Menschen jeweils (!) knapp elf Bekannten, Verwandten oder Kollegen von ihrer Unzufriedenheit. Das heißt: Das Apothekenteam erfährt von einer einzigen Reklamation – und kann den katastrophalen Rattenschwanz von Kundenunzufriedenheit, der sich dahinter verbirgt, nur erahnen.

Darum ist die Implementierung eines proaktiven Reklamationsmanagements, bei dem die Kunden geradezu ermuntert werden, sich zu beschweren, eine strategische Führungsaufgabe für den Apotheker. Aber wie funktioniert das?

Schritt 1: Ziele formulieren

Zuallererst führt der Apotheker eine Reklamations-Potenzialanalyse durch: Dazu prüft er, welche Reklamationsschätze in der Apotheke gehoben werden können. Ja – richtig gelesen: "Reklamationsschätze": Denn jede Reklamation eröffnet ihm eine Gelegenheit, die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung zu erhöhen.

Strategisch sinnvoll ist es, wenn er zunächst definiert, wie ein ideales Reklamationsmanagement aussehen sollte. Er formuliert also die Ziele, die er erreichen will, und kleidet sie in eine Vision: "Wir bieten unseren Kunden höchste Servicequalität im kundenorientierten Reklamationsmanagement". Die Ziele sollte er aber mit konkreten Zahlen kombinieren, etwa bezüglich der Reduktion der Reklamationsquote.

Schritt 2: Anforderungen definieren

Dann legt der Apotheker einen Reklamations-Soll-Zustand fest – am besten im Team, gemeinsam mit den Mitarbeitern, denn diese sollen später das Reklamationsmanagement mit Leben füllen. Das Team definiert:

  • über welche Einstellung und fachlichen, methodischen, sozialen und emotionalen Beschwerde-Kompetenzen Apotheker und Mitarbeiter verfügen sollten und
  • wie ein Beschwerdegespräch am besten ablaufen sollte.
  • Wichtig ist, dass die Punkte stets in Bezug auf die in Schritt 1 genannten Ziele gesetzt werden.

Schritt 3: Ist-Zustand analysieren

Bei dem Prozess ist es vielleicht richtig, eine Person "von außen" hinzuzuziehen, die nicht wie der Apotheker und sein Team in der Black Box des Alltagsgeschäfts feststeckt. Eine solche Person kann unbefangen und objektiv über den Tellerrand der Apotheke hinausblicken.

Bei der Festlegung des Reklamations-Ist-Zustandes geht es um folgende Fragen:

  • Welchen Stellenwert haben die Reklamationen bei dem Apotheker und den Mitarbeitern?
  • Gibt es so etwas wie ein Begeisterungsfeuer, in dessen Gefolge die Kundenbeschwerde tatsächlich als "zweite Chance" gesehen wird, die der Kunde der Apotheke gleichsam schenkt?
  • Wie läuft ein Beschwerdegespräch in der Regel ab? Das Apothekenteam berichtet über die bisherigen Erfahrungen. Alle erläutern, mit welchen Beschwerdeanlässen und typischen Kundenreaktionen sie immer wieder konfrontiert werden.

Jetzt ist der Apotheker in der Lage, bei jedem Mitarbeiter – und bezogen auf die eigene Person – festzustellen, wie die Kompetenzen, die im Sollprofil festgelegt wurden, ausgeprägt sind.


Reklamationsmanagement in sieben Schritten

1. Beschwerde annehmen und genau zuhören
2. Den Kunden mit "Stoßdämpfer" beruhigen
3. Problembewusstsein zeigen, Reklamationsursache mit Fragetechnik feststellen
4. Im Dialog Lösung erarbeiten
5. Vereinbarung treffen, Kundeneinverständnis dazu einholen
6. Sich bedanken
7. Vereinbarung umsetzen

Schritt 4: Kompetenzlücken erkennen und ausmerzen

Vor dem Apotheker liegt nun ein sehr differenziertes Bild des bestehenden Reklamationsmanagements und der Reklamationskompetenzen des Teams. Jetzt kann er einen Abgleich zwischen Soll- und Ist-Profil durchführen. Er erkennt rasch die Kompetenzlücken, die geschlossen werden müssen, damit die Apotheke die formulierten Ziele erreicht.

Eine Kompetenzlücke kann darin bestehen, dass es bei einem Mitarbeiter an der Einstellung hapert: Der Apotheker weist ihn dann darauf hin, dass er selbst doch jeden Tag ebenfalls Kunde ist – und sich wahrscheinlich auch schon einmal hoch emotionalisiert beschwert hat. Er verdeutlicht dem Angestellten: "Und genau so geht es Ihren Kunden, die im psychologischen Nebel stehen und sich lauthals bei Ihnen beschweren, aber auf taube Ohren stoßen!"

Der Apotheker sollte seine Mitarbeiter von diesen Situationen ausgiebig erzählen, sie diese Situationen nachspielen lassen, und zwar so hautnah und realistisch wie nur möglich. Ziel ist, dass sie den Gefühlswirrwarr noch einmal nachempfinden, den sie selbst als reklamierende Kunden durchlebt haben. Indem die Mitarbeiter als Betroffene die Perspektive des sich beschwerenden Kunden einnehmen, werden sie die Einstellung gewinnen: "Eine Reklamation – und damit der reklamierende Kunde – ist willkommen, weil sie uns hilfreiche Hinweise gibt, wo und wie wir uns verbessern können!"

Eine weitere Möglichkeit ist, den Mitarbeitern Studien vorzulegen, die beweisen, dass ein Kunde weniger wegen des konkreten Beschwerdeanlasses zur Konkurrenz überläuft. Vielmehr geschieht dies zumeist aufgrund einer unzureichenden Reaktion auf die Beschwerde, bei der auf die emotionale Verfassung des Kunden keine Rücksicht genommen wird.

Des Weiteren sollte der Apotheker auf die unangenehmen Konsequenzen aufmerksam machen, die durch ein unsachgemäßes Eingehen auf Reklamationen entstehen – bis hin zur Existenzgefährdung der Apotheke, deren Kundenstamm so kontinuierlich abnimmt.

Individuelle Kompetenzlücken schließen

Durch das strategisch orientierte Vorgehen erhält der Apotheker zu jedem Mitarbeiter ein detailliertes Kompetenzprofil. Er weiß: Während der Mitarbeiter Müller Unterstützung braucht, um bei Kunden, die aggressiv reklamieren, nicht die Nerven zu verlieren, benötigt die Kollegin Schmidt eine Erweiterung ihrer kommunikativen Kompetenz. Und ihm selbst würde es sicherlich gut tun, die Fragetechnik zu verbessern.

Einer der Vorteile dieser Vorgehensweise liegt in der ganzheitlichen Ausrichtung: Alle Prozesse und Abläufe rücken in den Fokus. Die Optimierung des Reklamationsmanagements steht im Dienst der Verbesserung der Kundenbindung und der Kundenzufriedenheit – und letztendlich der strategischen Entwicklung der Apotheke.


Dr. Freddy Metzmann,
E-Mail: f.metzmann@medigon-consulting.de,
Internet: www.metzmann.intem.de

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