Interpharm 2008

Besinnung auf die heilberufliche Kompetenz

Die Apothekenlandschaft ist in Bewegung: Drogeriemärkte mischen über Kooperationen mit Versandapotheken in der Arzneimittelversorgung mit, die großen niederländischen Medikamentenversender sind bereits in den Händen noch größerer Konzerne. Sollte das Fremdbesitzverbot durch den Europäischen Gerichtshof gekippt werden, steht ein gewaltiger Umbruch bevor. Wie sind die Aussichten für die Apotheke im Jahr 2010? Und kann sie aus anderen Handelsstrukturen und vom Ausland lernen?

Mit diesen Fragen beschäftigten sich Dr. Andreas Kaapke vom Institut für Handelsforschung in Köln und Patrick Hollstein, Apotheker und Redaktionsleiter des Online-Dienstes apotheke adhoc.

Der Einzelhandel hat es nach den Ausführungen Kaapkes derzeit nicht leicht in Deutschland: Die Märkte sind weitgehend gesättigt und schrumpfen sogar. Die Nachfrage sinkt, über neue Absatzkanäle wie das Internet, den Direktvertrieb oder auch Kaffeefahrten erhöht sich der Konkurrenzdruck. Auch die Konsumenten verwirrt die Angebotsvielfalt zunehmend – die Folge ist, dass immer weniger Geld bei den Händlern hängen bleibt. Bei einem Blick auf die typischen Distributionssysteme zeigt sich, dass der nicht organisierte Einzelhandel, der in der gleichen Situation ist wie die Apotheken heute, nur noch in wenigen Branchen eine Rolle spielt – etwa im Handel mit Uhren, Gold oder Juwelen. Verbünde, Franchise- oder Filialsysteme setzten sich demgegenüber durch, die Konzentration schreitet weiter voran. So gibt es etwa im Lebensmittelhandel nur noch große Player, die Top 20 sind allesamt organisiert. Auch der Drogeriemarkt wird von vier großen Ketten dominiert – allein Schlecker hatte 2006 einen Marktanteil von 45,5% nach Umsatz. Das sah 1980 noch anders aus. Damals hatten die Fachdrogerien einen Verkaufsstellenanteil von 86%. Dieser Anteil sank über die Jahre kontinuierlich: 2006 hatten die Drogeriemärkte bereits 81% der Verkaufsstellen in ihrer Hand. Möglicherweise könnte es den Apotheken ebenso ergehen, wenn der Europäische Gerichtshof das Fremdbesitzverbot zu Fall bringt.

Apotheke muss sich als Fachgeschäft positionieren

Kaapkes Prognose für die Zukunft: "Es wird nicht weniger Apotheken geben, aber viele verschiedene Konzepte". Die Apotheker müssen sich darauf einstellen, dass sich verstärkt alternative Vertriebsformen einschalten. Drogerieketten, aber auch Lebensmittelhändler, lecken sich bereits die Finger nach dem profitablen Arzneimittelbereich. Kaapke zufolge hat die Apotheke nur eine Chance, wenn sie sich als das Fachgeschäft für den Arzneimittelvertrieb positioniert. Gerade jetzt sei es dringend notwendig, die heilberuflichen Kompetenzen und ihre Service-Leistungen wie den Nacht- und Notdienst in den Mittelpunkt zu stellen. "Preis und Logistik können andere besser", betonte Kaapke. Zu beachten sei auch, dass Apothekenkunden Vertrauenskäufer und Arzneimittel "kein Besenstil" sind. Zur Bündelung ihrer Kräfte bedürften die Apotheken auch keiner Kette – dazu reiche ein Verbund, so Kaapke. Und der sollte am besten im Hintergrund agieren. Denn zu viele neue Markenzeichen in der Apothekenlandschaft würden das klassische Apotheken A verwässern.

Vorbild Ausland?

Hollstein warf einen Blick auf die Entwicklung der Apotheken im Ausland. In den vergangenen 15 Jahren hat sich in Europa viel verändert. Vor allem in Osteuropa musste man eine Lösung für die staatlichen Apothekenmonopole finden – und dabei gab man sich gerne ganz liberal. Dennoch sind nach Berechnungen von apotheke adhoc lediglich rund 15% der etwa 150.000 Apotheken in Europa im Fremdbesitz. Anders als in Deutschland gibt es in anderen Ländern jedoch häufig Niederlassungsbeschränkungen. Die Frage ist, ob Deutschland aus den Erfahrungen anderer Länder lernen kann. Geht es um die Erreichbarkeit und die Öffnungszeiten muss Deutschland sicherlich keinen Vergleich scheuen. Eine flächendeckende Versorgung und Not- und Nachtdienste sind hier eine Selbstverständlichkeit. In Norwegen, wo es nach der Zulassung der Ketten geradezu zu Apothekerclustern kam, schritt die Regierung ein: Über Subventionen und Verträge sorgte sie dafür, dass die Versorgung in ländlichen Gebieten sichergestellt bleibt. Was die Beratungsqualität betrifft, so gibt es Hollstein zufolge keinen Hinweis, dass diese in anderen Apothekensystemen besser ist – vielmehr punkten hier die unabhängigen Apotheken. Das gleiche gilt für die Produkt- und Service-Vielfalt. Selbst bei den Preisen lässt sich nicht verlässlich sagen, dass Apothekensysteme mit Ketten im Vorteil seien. Denn gerade bei international agierenden Unternehmen ist die Preispolitik nicht nachprüfbar. Fazit: Jedes Apothekensystem hat seine individuellen Besonderheiten – und sie alle sind fragil. Einzelne Elemente als vorbildlich herauszustellen und ins eigene System zu übertragen, ist daher fragwürdig.


ks

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