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Umfrage zur eCard
Die elektronische Gesundheitskarte
Das ist umso erstaunlicher, als die eGK in der Anfangsphase lediglich die Versichertenstammdaten einschließlich Zuzahlungsstatus und das eRezept enthalten wird – zweifellos Daten, die vor allem für Apotheker interessant sind. Um die Einstellungen der Apotheker zur eGK zu ergründen und die vorhandene Erkenntnislücke zu schließen, sind quantitative Umfragen unter den Apothekern geplant. Zur Vorbereitung dieser Umfragen wurden im Frühsommer 2007 Experteninterviews mit acht Apothekern geführt, die sich zu diesem Zeitpunkt zur Teilnahme an den sogenannten 10.000er Tests in der Testregion Trier beworben haben. Eine ausführliche Darstellung der Interviews bietet [6]. Im Folgenden wird vorgestellt, was sich die Befragten von der Testteilnahme und der eGK und ihren Funktionen erhoffen und welche Befürchtungen bestehen.
Motivation zur Teilnahme
In den Interviews hat sich gezeigt, dass zwei deutlich unterscheidbare Gruppen von Apothekern an den Tests teilnehmen. Eine Gruppe besteht aus Befürwortern, die intrinsisch zur Teilnahme motiviert ist. Diese Apotheker sehen die eGK als "elegante Lösung", die mit der Arzneimitteldokumentation eine höhere Beratungsqualität ermöglicht, Wechselwirkungen und Dosierungsfehler vermeidet sowie Kontraindikationen anzeigt. Außerdem erleichtere die eGK die Taxierung, und der "blöde Rezeptzettel" falle weg. Eine andere Gruppe besteht hingegen aus Skeptikern, die eher extrinsisch motiviert sind. Sie halten ihre Teilnahme an den Tests aus wirtschaftlichen Gründen für unabdingbar, bei Nichtteilnahme befürchten sie Umsatzeinbußen. Ein Apotheker meinte, Ärzte, die sich am 10.000er Test beteiligen, könnten ihren Patienten die teilnehmenden Apotheken nennen und damit die Entscheidung zur Einlösung der Verordnung beeinflussen. Eben solche Verzerrungen des Wettbewerbes sollen in der Testphase eigentlich ausgeschlossen werden, indem die Patienten neben dem eRezept weiterhin ihre Verordnung in Papierform erhalten und so wie bisher jede beliebige Apotheke aufsuchen können. Die Motivation zur Testteilnahme besteht bei den Skeptikern darin, möglichst frühzeitig an eine neue Technik herangeführt zu werden, die insgesamt als "technische Spielerei" ohne "großen Sinn" oder sogar als Bedrohung wahrgenommen wird. So sieht eine Apothekerin in der eGK eine ihren Berufsstand gefährdende Rationalisierungsmaßnahme: "Eines Tages steckt man dann seine Karte in einen Automaten, der liest das, es gibt einen Kommissionierautomaten, der die Medikamente zusammenholt, der Apotheker kontrolliert ... [sie] vielleicht noch oder es gibt ausgedruckte Gebrauchsanweisungen ... und damit ist es automatisierbar. ... Wir werden damit natürlich auch zum Teil wegrationalisiert."
Das heiße Thema Datenschutz
Die Einteilung in Befürworter und Skeptiker spiegelt sich auch in der Einschätzung des Datenschutzes wider, wobei die skeptischen Apotheker eher schlecht informiert sind, den Schutz der Daten anzweifeln und technische Details zum Teil nicht kennen, wie folgende Aussage illustriert: "Auf dieser Karte werden ja alle möglichen Daten gespeichert. Und ich weiß nicht, wie man sichern will, dass nicht jeder Zugriff auf diese Sachen hat. Denn so gut verschlüsseln lassen sich diese Karten auch nicht." Diesem Apotheker ist offensichtlich nicht bekannt, dass die eGK hauptsächlich ein Schlüssel zu auf Servern gespeicherten Daten sein wird. Auf der Karte selbst werden nur wenige Daten abgelegt. Weiterhin gibt es als Sicherungsmechanismus den Heilberufsausweis, der erst zusammen mit der eGK den Zugriff auf die sensiblen Daten ermöglicht. Zusätzlich werden auch die letzten 50 Zugriffe protokolliert. Ein anderer Apotheker hält den Datenschutz ebenfalls nicht für gewährleistet und meint fatalistisch: "Wir sind leider schon oft viel zu durchsichtig. Also auf das Bisschen kommt es auch nicht mehr an." Dagegen halten die tendenziell besser informierten Befürworter den Schutz der Patientendaten für gewährleistet und vertrauen der Technik.
Akzeptanz bei Kunden und Kollegen
Hinsichtlich der Akzeptanz der eGK bei ihren Kunden befürchten die Skeptiker vor allem bei älteren Kunden Probleme. Viele Kunden hätten schon heute das Gefühl, sie würden nicht mehr "als Kranker behandelt werden, sondern nur danach, was der Computer ausspuckt." Außerdem kämen ältere Menschen mit dem Papierrezept sehr gut zurecht. Ein Problem für die Erhöhung der Akzeptanz sei die meist negative Berichterstattung in der Presse, die im Kontext der eGK vor allem vom "gläsernen Patienten" berichte, was vor allem ältere Patienten verunsichere. Ein Apotheker rechnet mit einem Zeitverzug, bis alle Kunden die eGK akzeptieren und vergleicht die Einführung der eGK mit jener der Bankautomaten: "Das hat Jahre gedauert, bis der Letzte einsieht, dass man Kosten einspart." Hier seien vor allem die Apotheker gefragt, bei ihren Kunden Überzeugungsarbeit zu leisten. Da aber selbst unter den Bewerbern um die Teilnahme am Test deutlich kritische Stimmen zu vernehmen sind, ist fraglich, ob die Apothekerschaft insgesamt ihre Kunden von der eGK überzeugen wird. So meinte ein Apotheker zur Akzeptanz der eGK unter den Kollegen: "Also eigentlich sehen es alle mehr so als lästiges Beiwerk. … Großen Nutzen sieht man nicht." Nach Aussage eines anderen hielten viele Kollegen das Projekt "ebenso für Utopie wie Wahnsinn", die Karte habe insgesamt "wenig Rückhalt im Moment in der Apothekerschaft."
Kosten und Finanzierung
Im Jahr 2006 hat die Unternehmensberatung Booz-Allen-Hamilton Kosten und Nutzen der eGK ermittelt. Danach kostet die eGK die Apotheker mehr als sie nutzt, so dass die Kosten kompensiert werden müssen. Allerdings wurde sogar in Frage gestellt, ob die eGK volkswirtschaftlich einen positiven Nettonutzen erwirtschaften kann [7]. In einer älteren Kosten-Nutzen-Analyse von Debold & Lux für die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände wurde hingegen noch ermittelt, dass sich Aufwand und Kosten des eRezepts für die Apotheker die Waage halten und dass sich volkswirtschaftlich ein positiver Nettonutzen ergibt [8].
Ausschlaggebend für die tatsächliche Nutzung einer neuen Technologie ist aber nicht die volkswirtschaftliche, sondern die betriebswirtschaftliche Rentabilität. Für die Teilnahme an der Testphase bekommen die Apotheker einen Zuschuss von bis zu 5700 Euro, aber "rechnen tut es sich vielleicht nicht sehr", denn letztendlich "wie bei allen Neuerungen wird ein Teil an uns hängen bleiben". Ein Befürworter der eGK meinte hingegen, die Apotheker müssten ihre persönlichen Interessen zunächst hinten anstellen: "Wir stehen so überzeugt dahinter, dass wir sagen, es ist eine Sache, die auf Dauer gut ist. [Es] geht .. nicht so sehr [darum], dass es sich .. rechnet."
Die befragten Apotheker rechnen mit Kosten von 5000 bis 12.000 Euro zur Nutzung der eGK in ihrer Apotheke, wobei die jeweiligen Angaben eine große Spannweite umfassen, was darauf hindeutet, dass sie noch nicht genau wissen, was finanziell auf sie zukommt. Dies wird dadurch unterstrichen, dass manche Apotheker die Kosten gar nicht abschätzen können, aber pauschal als "zu hoch" im Vergleich zum Aufwand ansetzen.
Die gegenüber der eGK skeptischen Apotheker sehen die betriebswirtschaftlichen Vorteile bei den Krankenkassen und bei besonders fortschrittlichen Apotheken: "Wer einen Kommissionierautomaten hat, aber das können sich nicht einmal 10 Prozent der Apotheken leisten, [wird] einen Vorteil haben. Und die anderen, dass sie vielleicht den Kunden besser beraten können, dass sie sich damit profilieren können, indem sie die Karte auswerten und mit dem Kunden sprechen. Also ich sehe bei den Apotheken einen geringen Kostenvorteil. Wohl aber durchaus einen Vorteil bei den Kassen."
eRezept und Versichertenstammdaten als Pflichtfunktionen
Die skeptischen Apotheker halten das eRezept nicht für besonders nützlich und betonen die guten Erfahrungen mit den etablierten Verfahren. Aber auch die Befürworter sehen den Hauptnutzen der eGK nicht in den Pflichtfunktionen eRezept und Management von Versichertenstammdaten, sondern in der freiwilligen Arzneimitteldokumentation. Das eRezept und die Versichertenstammdaten erleichterten zwar die Abrechnung mit den Krankenkassen und vermieden Lesefehler und Rückfragen. Als Nachteil wird aber die höhere Abhängigkeit von der Technik gesehen. Mit der eGK könne man bei einem Ausfall der Technik keine Medikamente mehr ausgeben, mit dem Papierrezept habe man dagegen alle Informationen zur Hand. Interessant ist auch, dass das eRezept von manchen als Einfallstor für Versandapotheken gesehen wird: "Auf der anderen Seite soll es ja wohl auch möglich sein, dass ein Patient vom PC zu Hause aus das an einen Anbieter schicken kann. Das heißt, der Patient kommt nicht mehr in die Apotheke selbst. Er kann .. also elektronisch … seine Anforderungen herschicken oder sein Rezept elektronisch übersenden."
Arzneimitteldokumentation
Deutlich positiver ist die Einschätzung der Arzneimitteldokumentation. Die Bewertungen reichen hier von "sehr positiv", über "etwas sehr Gutes" und "lange überfällig". Gerade die Befürworter der eGK sehen in der Arzneimitteldokumentation den höchsten Nutzen: "Heute ist es halt so, dass wir das nicht so einfach überblicken können. Oder man muss wirklich nachfragen, und das machen wir auch. Aber das geht nicht immer." Mit der Arzneimitteldokumentation sei "eine sehr viel mehr auf die Person bezogene Beratung" möglich und so könne man seiner Beratungsfunktion wesentlich besser nachkommen. Die Befürworter begreifen die Arzneimittelfunktion mithin als Instrument zur Kundenbindung. Selbst die skeptischen Apotheker finden die Idee gut, auch wenn es vereinzelt Bedenken gibt, die eingetragene Medikation könne von der tatsächlichen Einnahme abweichen.
Schlussfolgerungen
Mithilfe der Experteninterviews konnten unter den Bewerbern Befürworter und Skeptiker identifiziert werden. Vermutlich gibt es auch eine Gruppe expliziter Gegner der eGK. Allerdings war nicht zu erwarten, diese Apotheker unter den Bewerbern um die Teilnahme am Test zu finden, so dass hier weiterer Forschungsbedarf besteht. Die Befürworter sind intrinsisch motiviert, besser informiert, sie haben kaum Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Sie begreifen die freiwilligen Funktionen der eGK als Möglichkeit zur Steigerung der Beratungsqualität und Sicherheit der Arzneimitteltherapie. Extrinsisch motiviert und schlechter informiert sind hingegen die Skeptiker, die Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Sinnhaftigkeit der eGK insgesamt haben. Beiden Gruppen gemein ist die Einschätzung, dass die Pflichtfunktionen einen geringen Nutzen haben. Für die flächendeckende Einführung der eGK könnte problematisch werden, dass sich selbst unter den jetzigen Teilnehmern am Test viele Skeptiker finden. Da aber Apotheker zusammen mit den Ärzten die wichtigsten Ansprechpartner der Patienten hinsichtlich der eGK sein werden, ist zunächst die Akzeptanz der eGK bei den Leistungserbringern zu erhöhen. Dazu aber sind ergänzende quantitative Umfragen nötig, die die aus den Experteninterviews gewonnenen Erkenntnisse vertiefen. Insbesondere sollte festgestellt werden, welche Informationsdefizite bestehen und wie weit die ermittelten Einstellungskomplexe auch bei nicht an den Tests beteiligten Apothekern verbreitet sind.
Literatur
[1] Berufsverband Deutscher Internisten et al. (Hrsg.) (2007): Gemeinsame Erklärung zum Projekt elektronische Gesundheitskarte, <http://www.hausaerzteverband.de/pdf/2007_08_05erklaerung%20zum%20projekt%20egk2.pdf>, Stand: 08.05.2007.
[2] NAV-Virchow-Bund (Hrsg.) (2007): Ende der Gefälligkeiten: Ärzte boykottieren die E-Card, <http://www.nav-virchowbund.de/index.php?topid=1&groupid=10&subgroupid=0&contentid=1399>, Stand: 07.02.2007.
[3] Braun, H.; Hahn, A.; Heinz, A.; Jacob, R.; Mehmet, Y.; Reinecke, J. (2007): Akzeptanz der elektronischen Patientenakte - erste Ergebnisse der Nutzerbefragungen, in A. Jäckel (Hrsg): Telemedizinführer Deutschland 2008, Bad Nauheim, S. 81 - 84.
[4] Wegweiser GmbH (Hrsg.) (2005): Monitoring ehealth Deutschland 2005/2006, in Wegweiser GmbH (Hrsg.): Jahrbuch eHealth Deutschland, S. 16 - 82.
[5] ZTG Zentrum für Telematik im Gesundheitswesen (Hrsg.) (2007): Akzeptanz der eGK_Ergebnisse der Befragung, <http://www.ztg-nrw.de/content/wissen/umfrage/akzeptanz_der_egk/e3173/index_ger.html>, Stand: 29.10.2007.
[6] Bussmann, A.; Eiffes, C.; Eiffes, F.; Gleiche, S. (2008): Apotheker und ihre Einstellungen zur elektronischen Gesundheitskarte, in H. Braun, A. Heinz, Y. Mehmet (Hrsg.): Die elektronische Gesundheitskarte und die ePatientenakte Rheinland-Pfalz aus Sicht der Projektteilnehmer - Eine qualitative Untersuchung, Trier, im Druck.
[7] Bernnat, R. (2006): Endbericht zur Kosten-Nutzen-Analyse der Einrichtung einer Telematik-Infrastruktur im deutschen Gesundheitswesen, <http://www.ccc.de/crd/whistleblowerdocs/20060731-Gesundheitstelematik.pdf>, Stand: 31.07.2006.
[8] Debold & Lux/Secunet Security Networks AG (Hrsg.) (2001): Kosten-Nutzen-Analyse: Neue Versichertenkarte und Elektronisches Rezept, <http://debold-lux.com/pdf/kna.pdf>, Stand: 18.05.2001.
Anschrift der Verfasser:
Andreas Heinz,
Universität Trier
Arbeitsgruppe Angewandte Sozialforschung (AGAS),
DM 16, 54286 Trier,
E-Mail: heinzan@uni-trier.de
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