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Fälschungen – bei uns eher die Ausnahme, aber …

Peter Ditzel

Da stehen wir – zum Glück – als Musterland da: Arzneimittelfälschungen spielen bei uns noch so gut wie keine Rolle, wenn ... ja, wenn die Arzneimittel aus einer deutschen Apotheke bezogen werden. Die lückenlose, perfekt organisierte und gut kontrollierte Handelskette vom Hersteller über den pharmazeutischen Großhandel bis hin zur Apotheke bietet so gut wie kein Schlupfloch, um gefälschte Arzneimittel einzuschleusen. Nur mit großer krimineller Energie wäre dies möglich. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes sind seit 1996 in der legalen Verteilerkette nur wenige Fälle (insgesamt 38) von Arzneifälschungen bekannt geworden. Die Gefahr, dass man in Deutschland beim Bezug von Arzneimitteln über die geregelten Vertriebswege an ein gefälschtes Arzneimittel gerät, beträgt weniger als ein Prozent. Das kann sich sehen lassen und spricht für unsere gute Überwachung und das hervorragende Zusammenspiel aller Beteiligten. Brisant wird es erst, wenn sich der Bürger mal eben ins Internet begibt und von Apotheke zu Apotheke surft. Solange er bei einer Versandapotheke mit Sitz in Deutschland bestellt, dürfte er sich noch in Sicherheit wiegen. Fraglich ist nur, ob er auch deutlich erkennt, wo er sich gerade aufhält. Ohne eine gewisse Sensibilität für die Gefahren und mit genug Naivität kann er hier leicht bei einer ausländischen Internetapotheke hängen bleiben, zumal viele von ihnen deutschsprachige Webseiten haben. Spätestens jetzt kann es für ihn sehr gefährlich werden. Experten sprechen davon, dass in Entwicklungsländern 10 bis 30 Prozent der im Handel befindlichen Arzneimittel gefälscht sind. Man muss wissen, dass Arzneimittelfälschungen mittlerweile zu einem äußerst lukrativen Geschäft geworden sind – mitunter profitabler als der Rauschgifthandel. Das Aufdeckungsrisiko für die Fälscher ist relativ gering und im Falle der Aufdeckung sind die Strafen für dieses Delikt in diesen Ländern wesentlich niedriger und harmloser als für Drogenhandel. Über die Gefahren des Arzneimittelbezugs aus dem Ausland via Internet kann vor diesem Hintergrund also nicht genug aufgeklärt werden.

Die pharmazeutische Industrie will nun ihrerseits Maßnahmen ergreifen, damit noch besser und schneller Original von Fälschung unterschieden werden kann. Man möchte ein Arzneimittelidentifikationssystem aufbauen, das sich auf die neuartigen 2D-Bar-Codes stützt, wie sie derzeit immer mehr, beispielsweise bei Post und Bahn, eingeführt werden. Jedes Arzneimittel ist in einer zentralen Datenbank gespeichert. Bei der Abgabe in der Apotheke wird das Präparat gescannt und mit den Daten im Zentralrechner verglichen. Ist die Codenummer nicht vorhanden, schlägt das System Alarm. Die Industrie geht davon aus, mit den ersten Pilotversuchen noch in diesem Jahr beginnen zu können.

Unabhängig von einem solchen Identifizierungssystem müssen WHO, Polizei, Behörden und wir Apothekerinnen und Apotheker verstärkt die Bürgerinnen und Bürger davor warnen, leichtfertig bei ausländischen Internetapotheken einzukaufen. Die ABDA hat dazu Poster und Flyer herausgegeben, die unter der Überschrift "Vorsicht Fälschung!" auf die Gefahren aufmerksam machen. Das Poster ist allerdings in vielen Apotheken auf Kritik gestoßen. Einige monieren, der Kunde werde dadurch eher verunsichert, wenn er in der Apotheke ein Warnschild liest mit der Aufschrift "Vorsicht, Fälschung!". Der Passant und flüchtige Leser könnte auf die Idee kommen, dass es mittlerweile nun auch gefährlich sei, Arzneimittel über die Apotheke zu beziehen. Zumal der eigentliche Inhalt eher im Kleingedruckten steht. So gesehen ist das Poster eher suboptimal. Unsere Kollegen in Österreich hatten zu Beginn des Jahres dagegen eine pfiffigere Aktion gestartet. In einer Anzeigenkampagne machten sie mit einem auffällig gestalteten Motiv auf die Gefährlichkeit der Arzneimittelbestellung im Internet aufmerksam ("Sicher nicht sicher. Medikamente aus dem Internet"). Abgebildet war eine Schwangere, die "die Pille doch schon lang‘ im Internet kauft" – und sichtlich ein gefälschtes Präparat bekommen hat. Der Anzeigenbetrachter erfährt, dass beispielsweise 2005 rund 1,5 Mio. gefälschte Anti-Baby-Pillen ohne Wirkstoff allein in den USA beschlagnahmt wurden: "Die möglichen Folgen kennen Sie", heißt es in der Anzeige. Als kurzen Anzeigentext kann der Betrachter lesen: "Sie kaufen Medikamente im Internet? Sie haben keine Angst vor Fälschungen, Sie brauchen keine Beratung über Wechselwirkungen und es muss auch keiner dafür haften: Sie haben wirklich Mut!" Nicht nur ich fand diese Kampagne des Österreichischen Apothekerverbands aufmerksamkeitsstärker als die deutsche, die manche eher verunsichern könnte. Bilder sagen mehr als Worte.


Peter Ditzel

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