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Interpharm 2008
Mit MASTER Interaktionen erkennen und vermeiden
Es gibt mittlerweile eine Reihe von Studien, die eindeutig die Relevanz von Interaktionen sowie den Zusammenhang mit dem Alter der Patienten belegen. Unter anderem wurde in einer 2007 durchgeführten Untersuchung der Arzneimittelverbrauch und die Menge der aufgetretenen Interaktionen bei Patienten mit Fettstoffwechselstörungen im Alter über 75 Jahre und unter 54 Jahre verglichen. Die älteren Patienten nahmen im Schnitt 5,8 Arzneimittel ein, die jüngeren nur 3,8. Interaktionen traten bei den über 75-Jährigen in 18,4 Prozent der Fälle auf, bei den unter 54-Jährigen nur in 7,9 Prozent der Fälle.
Interaktionen im Fallbeispiel
Wie vielfältig das Interaktionspotenzial bei älteren Patienten ist, zeigt der 2007 in der Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlichte Fallbericht eines 78-jährigen Patienten, der wegen Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes stationär aufgenommen wurde. Seine Anamnese wies eine vor 15 Jahren erfolgte Nierentransplantation, einen Typ-2-Diabetes, Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz und einen beginnenden Alzheimer auf. Die Medikation umfasste Cyclosporin, Prednison, Warfarin, Digoxin, Furosemid, L-Thyroxin, Losertan, Gliclazid, Donepezil, Laktulose, Calciumcarbonat, Vitamin D und Ginkgo biloba. Wegen einer Bronchitis wurde stationär zudem Clarithromycin angesetzt.
"Mehrere potenzielle Interaktionen können dabei auftreten", so Klotz: Die Kombination aus
- Clarithromycin und Warfarin kann zu einer verstärkten Antikoagulation führen.
- Ginkgo biloba und Warfarin erhöht die Blutungsgefahr.
Clarithromycin und Cyclosporin führt zu einem Anstieg der Cyclosporinspiegel und erhöht damit die Nephrotoxizität.
Calciumcarbonat und L-Thyroxin bewirkt eine Verminderung der Absorptionsrate von L-Thyroxin und senkt somit dessen Wirkspiegel.
Fokus Pharmakodynamik
Im von Klotz vorgestellten Fallbeispiel wurde nicht speziell auf pharmakodynamische Wechselwirkungen fokussiert, sondern das Gesamt-Wechselwirkungspotenzial betrachtet. Eindrucksvoll zeigte sich dabei die Vielfalt der möglichen Interaktionen, die bei einem einzigen Patienten auftreten können. Im weiteren Vortrag ging Klotz speziell auf pharmakodynamische Wechselwirkungen ein. Ein klassisches Beispiel für eine pharmakodynamische Wechselwirkung, die vermehrt ältere Patienten betrifft, ist die Kombination aus Sildenafil und organischen Nitraten mit dem damit verbundenen Risiko eines lebensbedrohlichen Blutdruckabfalls. Weitere Beispiele für Arzneimittelkombinationen, bei denen es zu pharmakodynamischen Interaktionen kommen kann, sind in Tabelle 1 aufgeführt.
Tab. 1: Beispiele für klinisch relevante pharmakodynamische Wechselwirkungen | |
Gleichzeitige Gabe von |
Klinische Konsequenz |
Hypnotika bzw. Psychopharmaka + Ethanol |
Herabgesetzte Vigilanz; bei Überdosierung Atemdepression, Koma |
Narkotika + Opioide bzw. Benzodiazepine oder Barbiturate oder Propofol |
Verstärkt narkotische und atemdepressive Wirkung |
Selektive Serotoninwiederaufnahme-Hemmer + MAO-Hemmer (z. B. Moclobemid) bzw. + Johanniskraut-Extrakte |
Serotoninsyndrom mit flush, Hyperthermie,
Verwirrtheit, Hyperaktivität, Tremor, Kopfschmerzen, Blutdruckanstieg und Krämpfen
|
Halothan + Sympathomimetika |
kardiale Arrhythmien |
Digitalisglykoside + Hypokaliämie (durch Saluretika oder Laxanzien) |
verstärkte Glykosidwirkung |
Spironolacton + KCl |
kardiale Arrhythmien |
Aminoglykoside + Furosemid |
erhöhte Ototoxizität |
β-Blocker + Verapamil oder Diltiazem |
Bradykardie, AV-Block |
NSAR + ACE-Inhibitoren |
Einschränkung der Nierenfunktion |
Albuterol + β-Blocker |
Abnahme der bronchodilatierenden Wirkung |
Problem bekannt – aber nicht beachtet
Problematisch ist Klotz zufolge, dass pharmakodynamische Wechselwirkungen in der Therapie häufig nicht ernst genug genommen bzw. nicht beachtet werden. So weiß man z. B. seit Langem, dass es bei gleichzeitigem Einsatz von Digitalispräparaten und Diuretika oder Laxanzien zu einem Abfall des Kaliumspiegels und einer Erhöhung der Digitalistoxizität kommt. Trotz dieses Wissens werden in der Praxis jedoch nur bei ca. einem Drittel der Patienten unter Digitalisbehandlung Kalium-sparende Diuretika eingesetzt oder bei Verwendung anderer Diuretika eine begleitende Kaliumsubstitution durchgeführt.
Datenbanken unvollständig
Weiterhin ist es für Ärzte und Pharmazeuten natürlich auch ein Problem, bei der Vielfalt der möglichen Interaktionen stets den Überblick zu behalten. Ohne Unterstützung durch entsprechende Interaktionsdatenbanken ist es praktisch unmöglich, das gesamte Wechselwirkungsspektrum abzudecken. Leider, so Klotz, kann man sich aber auch auf diese Datenbanken nicht vollständig verlassen. In einer 2004 veröffentlichten Studie wurden vier Interaktionsdatenbanken – Evaluation of Drug Interactions (EDI), Drug Info Facts (DIF), Drug Interactions Analysis & Management (DIAM) und Micromedex – auf ihre Vollständigkeit hin überprüft. Ergebnis: Von 406 so genannten "major" Interaktionen waren zwar alle in mindestens einem der vier Programme gelistet, aber nur vier in allen vier Programmen.
Das MASTER-System
Als Hilfestellung, wie Interaktionen besser erkannt und vermieden werden können, nannte Klotz das MASTER-System. Es setzt sich folgendermaßen zusammen:
- M inimum an Arzneimitteln verwenden
- A lternative Medikamente einsetzen
- S tarte mit niedriger Dosis/langsame Dosissteigerung
- T itriere Dosierung nach Wirkung (therapeutisches Monitoring)
- E rkläre dem Patienten mögliche Probleme
- R egelmäßige Überwachung von Patient und Arzneimittelwirkung.
ral
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