Interpharm 2008

Neue Therapieansätze beim Brustkrebs

In den vergangenen Jahren ist in westlichen Industrienationen die Brustkrebsinzidenz gestiegen, die Mortalität aber gesunken. Dies ist Prof. Dr. Dr. Manfred Kaufmann, Frankfurt, zufolge hauptsächlich einem veränderten Bewusstsein, besseren präventiven Maßnahmen und individuellen Therapien zu verdanken.

Das Wissen in der Senologie verdoppelt sich alle zwei Jahre. Dies zeigt nicht nur Auswirkungen auf die Therapieerfolge, die sich in steigenden Überlebensraten niederschlagen, sondern auch auf die Art der Behandlung. Betrachtete man früher eine Brustkrebserkrankung als primär lokale Erkrankung (Modell nach Halsted), deren Behandlung folglich in einer radikalen Mastektomie bestand, so führte die Vorstellung von Fisher, der im Mammakarzinom eine systemische Erkrankung sah, zu anderen Therapieansätzen. Die relativ neue Erkenntnis über den Nutzen einer neoadjuvanten Chemotherapie führte wiederum dazu, dass in vielen Fällen auch bei großen Tumoren eine brusterhaltende Therapie durchgeführt werden kann.


Risikofaktoren für Brustkrebs


  • Alter
  • Menarche unter zwölf Jahren
  • keine oder späte Gravidität
  • familiäre Belastung
  • wenig Bewegung
  • Rauchen
  • Alkoholkonsum
  • Übergewicht
  • Dichte der Brust bei der Mammographie
  • Hormonersatztherapie
  • Ernährungsgewohnheiten (wenig Obst und Gemüse, reichlicher Verzehr von gegrilltem Fleisch)

Brusterhaltende Therapie ist Standard

In den meisten Fällen ist heute eine brusterhaltende Therapie möglich, die zu keinen schlechteren Überlebensraten führt wie eine Mastektomie. Kontraindikationen sind ein inflammatorisches Mammakarzinom, eine multizentrische Ausbreitung des Tumors, der Wunsch der Patientin und Kontraindikationen für eine nachfolgende – unbedingt erforderliche – Bestrahlung. Die sogenannte Sentinelbiopsie, bei der der Wächterlymphknoten auf einen Befall mit Tumorzellen hin untersucht wird, ist eine weitere Verfeinerung der Operation. Ist dieser Lymphknoten tumorfrei, kann auf eine weitere Entnahme tiefer liegender Lymphknoten verzichtet werden, was zu kleineren Operationswunden und weniger Komplikationen (keine Lymphödeme) führt. Möglicherweise kann durch eine intraoperative Strahlentherapie die Behandlung weiter differenziert werden. Eine einmalige intraoperative Bestrahlung könnte die heute noch notwendige mehrwöchige Radiotherapie überflüssig machen. Dieses Verfahren wird bereits in klinischen Studien geprüft.

Systemische Therapie

Bei der systemischen Therapie unterscheidet man die endokrine Behandlung, die Chemotherapie und die zielgerichteten Therapien. Ist das Mammakarzinom rezeptorpositiv, wird eine Hormontherapie durchgeführt. In der Prämenopause wird die körpereigene Hormonbildung durch die Gabe von GnRH-Analoga ausgeschaltet, in der Postmenopause kommen Aromatasehemmer oder Fulvestrant zum Einsatz. Tamoxifen kann in der Prä- und Menopause gegeben werden. Bei der postmenopausalen endokrinen Behandlung gibt es verschiedene Ansätze:

  • Switch (Beginn mit Tamoxifen, dann – in der Regel nach zwei bis drei Jahren – Wechsel auf einen Aromatasehemmer; Gesamtbehandlungsdauer fünf Jahre)
  • Extended (fünf Jahre lang Tamoxifen, dann Wechsel auf einen Aromatasehemmer)
  • Up-front (Beginn mit einem Aromatasehemmer)

Die Effektivität der einzelnen Aromatasehemmer (Anastrozol, Exemestan, Letrozol) unterscheidet sich laut Kaufmann nicht. Es gibt aber Hinweise, dass Aromatasehemmer etwas besser wirken als Tamoxifen.

Von einer Chemotherapie profitieren vor allem Frauen mit hormonrezeptornegativen Tumoren.


Prognostische Parameter


klassische Prognosefaktoren
  • axillärer Lymphknotenstatus
  • primäre Tumorgröße
  • Grading
  • Estrogen- und Progesteronrezeptorstatus
  • HER2-Status
  • Alter der Patientin bzw. Menopausenstatus
  • Gefäßinvasion
  • Resektion in sano

prädiktive Faktoren
  • Rezeptorstatus
  • Menopausenstatus
  • HER2-Status

Zielgerichtete Therapien

Der erste Ansatz einer zielgerichteten Therapie beim Mammakarzinom bestand in der Ausschaltung der Ovarfunktion durch eine Entfernung der Eierstöcke. Heute wird der Einfluss der Estrogene durch Tamoxifen, GnRH-Analoga oder Aromatasehemmer unterbunden. Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung zielgerichteter Medikamente war das Erkennen einer Überexpression von HER2-Rezeptoren bei etwa 20 bis 30% der Mammakarzinompatientinnen und die Entwicklung des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab, der extrazellulär die HER2-Überexpression blockiert. Weitere Neuentwicklungen sind der Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib und der Angiogenese-Hemmer Bevacizumab. Sie werden in Abhängigkeit der Tumoreigenschaften ausgewählt (so hat etwa eine Trastuzumab-Gabe nur bei einer HER2-Überexpression einen Sinn) und sollen Signalwege hemmen, die das Zellwachstum fördern. Kombinationen dieser neuen Substanzen miteinander und mit herkömmlichen Zytostatika können dazu beitragen, dass ein metastasierendes Mammakarzinom zu einer zwar nicht mehr heilbaren, aber chronischen und über lange Zeit behandelbaren Erkrankung wird. 


pj

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