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Kampf gegen die Malaria

Malaria ist eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten. Auf verschiedenen Ebenen werden Konzepte entwickelt, das Wechselfieber zu bekämpfen. Bis Ende 2010 sollen sich im besonders stark gefährdeten Afrika alle Menschen schützen können. "Es sind noch 1000 Tage bis Ende 2010. Wir haben das Wissen. Was wir jetzt dringend brauchen, ist Führungsstil und Engagement. Lassen Sie es uns anpacken!", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki‑Moon kürzlich am Welt-Malariatag.

Erster Welt-Malariatag

Den 25. April 2008 erklärten die Vereinten Nationen zum ersten Welt-Malariatag. Vier Tage zuvor war in Bonn anlässlich einer Malariakonferenz die europäisch-afrikanische Kampagne "Stop Malaria Now" ausgerufen worden. Sie kann auf großen Erfolgen aufbauen: Die Verteilung insektizidbehandelter Moskitonetze und Artemisinin-basierte Kombinationstherapien (ACT) hatten zwischen 2005 und 2007 die Malariainfektionen und die Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren in Ruanda um jeweils zwei Drittel gesenkt. In Äthiopien lag der Erfolg bei 50 bzw. 60%. Das Land hatte, finanziert mit 160 Mio. US-$ der Weltbank, 20 Millionen Moskitonetze in malariaverseuchten Gebieten verteilt, an jeden Haushalt zwei. Dies beweist, dass die Malariabekämpfung effektiv ist, wenn geklotzt und nicht gekleckert wird (vgl. Tab. 1).


Tab. 1: Bekämpfung der Malaria
Maßnahmen
Erläuterung, Bewertung
Impfstoffe
Noch nicht in Sicht; die molekulargenetische Epidemiologie erforscht die Grundlagen
Aufklärung
Wichtig für Verhaltensmaßregeln sowie Medikamentenanwendung und -dosierung
Einfache
Moskitonetze
Polyester- oder Nylonnetze; nützlich, da Anopheles nur in der Dämmerung und nachts aktiv ist
ITN
(insecticide treated nets)
Imprägnierung der Moskitonetze mit Pyrethroiden wie Deltamethrin oder Permethrin; Nebenwirkungen wie Juckreiz und Kopfschmerzen möglich
LLIN (long lasting
insecticidal nets)
Permanent imprägnierte Moskitonetze; Insektizide überdauern auch Waschgänge
Chemoprophylaxe
In Afrika wegen möglicher Resistenzbildung nicht empfohlen
Repellenzien
Räucherstäbchen (mosquito sticks) senken die Zahl der Mückenstiche, nicht aber die Infektionsrate;
DEET (N,N-Diethyl-3-methylbenzamid) ist der Hauptwirkstoff in flüssigen Repellenzien

Vorausgegangen war in Äthiopien die schlimmste Malariaepidemie der Geschichte. Im Jahr 2003 hatten sich dort die Krankheitsfälle innerhalb kurzer Zeit auf 12 Millionen verdoppelt. 100.000 Kinder waren gestorben. Bei einer Mortalität von 1 bis 2% rechnet man in Afrika mit mehr als einer Million Todesfällen jährlich, von denen die meisten Kinder sind. Weltweit leben mehr als 3 Milliarden Menschen in Risikogebieten.

Geschichte des Leidens

Malaria begleitet den Menschen wohl schon seit Beginn seiner Evolution. Hippokrates beschrieb um 400 v. Chr. sowohl die klinischen Symptome der verschiedenen Wechselfieber als auch ihren Zusammenhang mit der Jahreszeit und der Umgebung. Im 19. Jahrhundert breitete sich die Seuche auch in Europa bis nach Skandinavien aus. Damals war die Ebene des Oberrheins vor dessen Begradigung ebenfalls ein Malariagebiet. Bis 1942 konnte die Seuche wieder aus Europa verdrängt werden, zuletzt aus Italien. Ihre Ausrottung schien durch die Initiative der Weltgesundheitsbehörde WHO "Global Malaria Eradication Programme" zwischen 1957 und 1972 nur noch eine Frage der Zeit. Doch die zunehmende Resistenz der Erreger machte diese Hoffnung zunichte.


"Kick Malaria out of Zambia – Sleep under a treated Mosquito Net."


Aufdruck auf T-Shirts in Sambia

Die Krankheitserreger

1882 hatte der französische Militärarzt Alphonse Laveran (1845–1922; Medizinnobelpreis 1907) den Einzeller Plasmodium falciparum, ein Sporentierchen (Apicomplexa, früher: Sporozoa) der Ordnung Haemosporida, in Algerien entdeckt. Der britische Arzt Sir Ronald Ross (1857–1932; Medizinnobelpreis 1902) konnte 1897 durch Anfärben der Plasmodium-Oozysten nachweisen, dass Plasmodien im Darm der weiblichen Gabel- oder Fiebermücken (Anopheles ssp.) parasitisieren. Wird ein Mensch von einer infizierten Mücke gestochen, gelangen die infektiösen Sporozoiten innerhalb von etwa einer halben Stunde über die Blutbahn in die Leberzellen. Mit dieser hohen Geschwindigkeit entgehen sie der Phagozytose durch die Immunzellen in der Haut. Die Plasmodien vermehren sich in der Mücke sexuell (Sporogonie), im Menschen aber asexuell, indem die Sporozoiten sich zu vielkernigen Schizonten entwickeln, die in einkernige Merozoiten zerfallen, aus denen sich in den befallenen Erythrozyten wieder neue Schizonten entwickeln (Schizogonie). Neben Fieber und Anämie ist die Splenomegalie, die Vergrößerung der Milz, ein Hauptsymptom der Malaria. Dies hatte der schottische Militärchirurg James Dempster schon 1847 in Indien erkannt und die Splenomegalie als Grad der Malariaendemizität benannt. Dieser Milzindex wird noch heute durch Tasten oder sonographisch bei Kindern ermittelt.

In endemischen Malariagebieten ist der größte Teil der Bevölkerung infiziert, allerdings meistens nur mit Plasmodium vivax oder P. ovale, die die Malaria tertiana verursachen, oder mit P. malariae, dem Erreger der Malaria quartana; dabei handelt es sich um milde Formen der Malaria. Nur ein kleiner Teil der Bewohner entwickelt die schwere Malaria tropica, die durch P. falciparum ausgelöst wird.

Medikamentenresistenzen

2002 wurde die DNA-Sequenzierung von P. falciparum abgeschlossen – sein Erbgut verteilt sich auf 14 Chromosomen, die Mitochondrien und den Apikoplasten, eine Art Plasmid. Seither werden Medikamentenresistenz-Gene identifiziert und ihre Expression erforscht.

Verschiedene Faktoren fördern die Selektion resistenter Stämme. Dazu gehören lang andauernde Medikation, inadäquate Dosierung und Wirkstoffe mit langer Halbwertszeit wie Sulfadoxin und Pyrimethamin (Kombipräparat: SP, Fansidar®).

Das 4-Aminochinolin Chloroquin ist eines der häufigsten konsumierten Medikamente überhaupt. 1988 sind alleine in Afrika 190 Tonnen Chloroquin-Base verbraucht worden. Die Verbreitung der Chloroquin-Resistenz ist heute identisch mit der von P. falciparum und beträgt beispielsweise in Nordghana 60%. Bei SP gibt es vor allem in Südostasien und Südamerika und mit steigender Tendenz auch in Afrika resistente Stämme. Es wird dennoch als Chloroquin-Ersatz genutzt. In Deutschland ist es wegen seiner Nebenwirkungen nicht mehr zugelassen. Stark angestiegen ist die Resistenz gegen Mefloquin (Lariam®) in den 1980er-Jahren in Thailand. Das hochpreisige Medikament wird vor allem von Reisenden prophylaktisch genommen (s. Tab. 2). Malarone®, ein Kombinationspräparat aus Atovaquon und Proguanil, ist seit 2001 zur Therapie und Prophylaxe der unkomplizierten Malaria zugelassen und wird als Stand-by-Medikament empfohlen.


Tab. 2: Verfügbare Arzneistoffe gegen Malaria (Auswahl)
Gruppe
Wirkstoffe
Chinolinderivate
Chinin, Chinidin, Chloroquin, Amodiaquin, Mefloquin, Halofantrin, Primaquin, Atovaquon
Dihydrofolatreduktase-Inhibitoren
Proguanil, Pyrimethamin
Artemisinin u. Derivate
Artemisinin, Artemether, Artesunate
Antibiotika und
Dihydropteroatsynthetase-Inhibitoren
Tetracycline (z. B. Doxycyclin), Makrolide, Sulfonamide (Sulfadoxin), Dapson

Neue Hoffnung durch ACT

Eine Alternative für diese Malariamittel ist das 1972 aus dem Chinesischen Beifuß (Artemisia annua) isolierte Qinghaosu oder Artemisinin. Durch chemische Modifikationen entstanden die heute gebräuchlichen Derivate Dihydroartemisinin, Artesunate, Artemether und Arteether, gegen die bisher keine Resistenzen vorliegen. Sie reduzieren schlagartig die Zahl der Plasmodien. Ein mit ihnen kombinierter Wirkstoff vernichtet die übrigen Plasmodien (artemisinin combined therapy, ACT). Einfach anzuwenden sind die fixen Kombinationen von Artesunate mit Amodiaquin oder Mefloquin; die Therapie dauert nur drei Tage, bei einer Dosis von zwei Tabletten täglich.

Abwehrmechanismen des Menschen

Die Schwere einer Malaria hängt wesentlich vom Resistenz- und Immunitätsstatus des Menschen ab. Manche Infizierte sterben nach wenigen Tagen, andere erkranken trotz jahrelangen Befalls mit dem Parasiten nicht.

Ausgangspunkt der Malariahypothese des schottischen Genetikers John Haldane (1892–1964) von 1949 war die Beobachtung, dass erbliche Erythrozytenanomalien, die vor der Malaria schützen (weil die Schizogonie in den Erythrozyten unterbleibt), nur in endemischen Malariaregionen vorkommen (s. Tab. 3). Der Mensch hat allerdings nur dann einen Vorteil von einer solchen Anomalie, wenn das dafür verantwortliche Gen heterozygot vorliegt, denn im homozygoten Fall verursacht es eine Anämie.


Tab. 3: Faktoren der (relativen) Resistenz gegen Malaria
Faktor
Wirkung
Sichelzellanämie
Die Mutation von Hämoglobin S; dadurch geringere Vermehrung von P. falciparum in den Erythrozyten
Alpha-Thalassämie
Mutation von Hämoglobinsynthese-Genen; Schutzmechanismus ist nicht geklärt
Glucose-6-Phosphatdehydrogenase (G6PD)-Mangel
Bei G6PD-Mangel tritt Malaria seltener auf; Schutzmechanismus ist nicht geklärt
HLA-Genotypen
(MHC-Polymorphismus)
Humane Leukozytenantigene (HLA) sorgen für eine spezifische Immunantwort; die Variabilität der codierenden Gene und damit das Spektrum an Antigenen ist bei Afrikanern besonders hoch
ICAM-1 (Interzelluläres Adhäsionsmolekül)
Plasmodien haben eine hohe Affinität zu ICAM-1; dadurch milderer Krankheitsverlauf
IL-10/TNF-α-Quotient
Risikomarker; ein niedriger Quotient ist mit einer schweren Malariaanämie assoziiert
Induzierbare Stickstoff-
monoxidsynthase (iNOS)
Eine Punktmutation in der Promotorregion des iNOS-Gens schützt manche heterozygoten Träger durch erhöhte NO-Spiegel vor der Malaria tropica
Blutgruppen
Duffy-Blutgruppenepitope sind wichtige Erythrozytenrezeptoren für P. vivax ; Blutgruppe A hat ein signifikant höheres Risiko für Malaria tropica

Generell haben Afrikaner einen weit höheren Genpolymorphismus als Europäer, weil sie sich in ihrer Evolution mit mehr Infektionskrankheiten auseinandersetzen mussten; zudem treten bei ihnen die codierenden Gene häufiger heterozygot auf. Das gilt auch für die Humanen Leukozytenantigene (HLA), die zum Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC) gehören und ebenfalls eine wichtige Rolle für die Malariaresistenz spielen.

Mensch und Plasmodien haben sich, seitdem P. falciparum humanpathogen ist (seit ca. 10.000 bis 100.000 Jahren), ständig gegenseitig beeinflusst (Koevolution). Der ausgeprägte MHC-Polymorphismus bei Afrikanern, der mit einer hohen regionalen Variabilität einhergeht, kann sich jedoch kaum durch Mutationen in dieser relativ kurzen Zeitspanne entwickelt haben; vermutlich stammen die entsprechenden Gene von Tieren und sind von Viren auf den Menschen übertragen worden (Transspezieshypothese).

Malaria im Netz

Malaria Journal www.malariajournal.com

Malaria Foundation International www.malaria.org

Roll Back Malaria Partnership www.rbm.who.int

Ärzte ohne Grenzen e. V. www.aerzte-ohne-grenzen.de/Medizin/Malaria.php

Reisemedizin www.netdoktor.de/krankheiten/reisemedizin/malaria.htm

Vektorbekämpfung der Bayer AG www.bayervector.co.za

Zambia Malaria Foundation www.malaria.org.zm

Viele Klone mit unterschiedlicher Virulenz

P. falciparum ist sehr anpassungsfähig, denn es verfügt über einen hohen Polymorphismus seiner Antigene. Durch die Genotypisierung lassen sich verschiedene Klone unterscheiden, die nicht selten gemeinsam einen Menschen befallen. So sind in einem thailändischen Patienten sieben P. falciparum -Klone identifiziert worden. Vieles deutet darauf hin, dass die Evolution des Erregers vom Konkurrenzkampf verschiedener Klone bei Mischinfektionen getrieben ist. Zudem hat sich gezeigt, dass auch Koinfektionen mit P. malariae und P. vivax den Verlauf der Malaria tropica beeinflussen.

Der schnelle Antigenaustausch und die differenzierte Expression vieler Gene, die den Phänotyp stark variiert, machen es äußerst schwierig, einen Impfstoff gegen P. falciparum zu entwickeln. Eine Vakzine wirkt immer nur gegen einen Erreger-Typ mit einem bestimmten Merkmal (Antigen); während dieser durch die Antikörper der Vakzine zurückgedrängt wird, vermehren sich andere Erreger-Typen, die dieses Antigen nicht besitzen, umso stärker.

 

Literatur

Ray Chambers et al.: Responding to the challenge to end malaria deaths in Africa. Lancet 371 , 1399-1401 (2008).

David Conway: Molecular Epidemiology of Malaria. Clinical Microbiology Reviews 20 , 188-204 (2007).

Julia Goesch: Malaria: Der Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf das Prophylaxeverhalten von Müttern in Gabun. Diss. Universität Tübingen, 2007.

Andreas Knobloch: Therapie der unkomplizierten Malaria tropica mit Chloroquin und Sulfadoxin-Pyrimethamin bei Kindern in Tamale, Ghana. Diss. Humboldt-Universität Berlin, 2005.

Jürgen May: Einfluss von Genen der MHC-Klasse II und anderer polymorpher Gene auf Epidemiologie und klinische Manifestation der Plasmodieninfektion. Habilitationsschrift Humboldt-Universität Berlin, 2000.

Babett Schwöbel: Plasmodium falciparum: Resistenzbestimmung durch molekulare Resistenzmarker sowie in vivo Sensitivitätstests. Diss. Universität München, 2004.

 

 


Dr. Uwe Schulte

Händelstraße 10,

71640 Ludwigsburg

schulte.uwe@t-online.de

 

 

 

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