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DAZ aktuell
Deregulierung bedeutet nicht zwangsläufig sinkende Preise
Die Bundesregierung und der deutsche Gesetzgeber waren der Auffassung, dass die mit dem GMG zum 1. Januar 2004 erfolgte Preisfreigabe für rezeptfreie Arzneimittel deutliche Preissenkungen in den öffentlichen Apotheken zur Folge hätte. Auch Professor von der Schulenburg, Uni Hannover, hat vor Kurzem in seinem Gutachten über "Kosten und Nutzen der derzeitigen Regulierung des deutschen Apothekenmarktes" die These vertreten, dass Deregulierung und Liberalisierung des Apothekenmarktes automatisch mehr Wettbewerb bedeute und damit zu sinkenden Preisen führe. Doch in ihrem Ende Juni 2005 vorgelegten Bericht zu den Auswirkungen des GMG stellt die Bundesregierung fest, dass "die Preisfreigabe für diese Arzneimittel bisher nicht in größerem Umfang zu Preissenkungen in den öffentlichen Apotheken geführt hat. Viele Verbraucher scheinen bei rezeptfreien Arzneimitteln bekannte Handelsmarken zu bevorzugen und sind möglicherweise wenig preissensibel". Auch das Institut für medizinische Statistik hat zur aktuellen Marktentwicklung im ersten Quartal 2008 festgestellt, dass zwar immer mehr Apotheken unter dem empfohlenen Preis verkaufen, der Großteil der Arzneimittel aber noch auf dem Niveau der Lauertaxe liegt.
Hoffmann machte anhand ausgewählter Beispiele deutlich, dass die Preise nach einer Deregulierung nicht zwangsläufig sinken. Er traf dabei keine willkürliche Auswahl an Beispielen, sondern griff diejenigen europäischen Staaten heraus, die in den letzten fünf bis acht Jahren liberalisiert und dereguliert haben.
Beispiele aus Ländern mit Deregulierung
Seitdem im März 2001 das Fremd- und Mehrbesitzverbot in Norwegen aufgehoben wurde, teilten sich die drei Großhändler Alliance Boots, Celesio und Phoenix den Apothekenmarkt nahezu vollkommen unter sich auf. Untersuchungen des norwegischen Arzneimittelherstellerverbandes zeigten, dass bis Ende 2003 im Vergleich zu April 1999 die Herstellerabgabepreise für OTC-Arzneimittel um 1,7% gestiegen sind, während die Apothekenverkaufspreise im gleichen Zeitraum um 27,2% gestiegen sind. Auch ein Bericht des österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen, das sich mit dieser Frage befasste, stellte im Zeitraum von 1999 bis 2004 bei neun wichtigen OTC-Arzneimitteln Preissteigerungen zwischen 10 und 45% bei den Apothekenverkaufspreisen fest.
Der portugiesische Arzneimittelmarkt hat im September 2005 eine Liberalisierung erfahren. Nichterstattungsfähige OTC-Arzneimittel dürfen dort auch außerhalb von Apotheken verkauft werden, wenn ein Apotheker oder eine PTA anwesend ist. Die Regierung erwartete durch diese Maßnahme erhebliche Preissenkungen von durchschnittlich 20%. Nach Berechnungen des portugiesischen Herstellerverbandes lagen die OTC-Preise 2007 in den Vertriebsstätten außerhalb von Apotheken aber lediglich um durchschnittlich 5% unter dem Abgabepreis in Apotheken – der erwartete Preissenkungseffekt ist demnach auch hier nicht eingetreten.
In Ungarn dürfen seit 2007 bestimmte rezeptfreie Arzneimittel auch außerhalb von Apotheken verkauft werden. Den 2300 Apotheken stehen derzeit etwa 460 Abgabestätten gegenüber, die diese Möglichkeit nutzen. Die Preise liegen hier um etwa 5 bis 10% unter der unverbindlichen Preisempfehlung in Apotheken, wobei es jedoch oft keine echten Vergünstigungen sind, sondern nur verbraucherfreundlich aussehende Preise (statt 1046 ungarische Forint nur 999 Forint; 1 Euro entspricht ca. 248 Forint).
In Italien dürfen seit August 2006 grundsätzlich alle rezeptfreien Arzneimittel auch außerhalb von Apotheken abgegeben werden, wenn auch nur in einem abgegrenzten Teil der Verkaufsstelle und in Anwesenheit eines Apothekers. Nach der alten Regelung mussten die Verkaufspreise auf der Packung angegeben sein, der Apotheker konnte von diesem Preis jedoch bis zu 20% nach unten abweichen. Diese Regelung wurde durch eine freie, aber transparente Preis- und Rabattgewährung ersetzt. Bis Ende 2007 lag der Anteil der außerhalb der Apotheken abgegebenen rezeptfreien Arzneimittel am rezeptfreien Gesamtmarkt bei rund 5%. Die Apotheken gewährten einen durchschnittlichen Rabatt von 11,5%, Vertriebsstätten außerhalb von Apotheken einen Rabatt von 24%.
Wissenschaftliche Studien untersuchten das Preisniveau der USA im Vergleich mit EU-Ländern. Hier wurde deutlich: das Preisniveau in den USA ist am höchsten.
Hoffmann schlussfolgerte aus diesen Untersuchungen und Beispielen, dass es kein Naturgesetz gibt, wonach eine Deregulierung des Arzneimittel- und Apothekenmarktes inklusive der Distribution automatisch zu sinkenden Preisen führt. Die immer wieder aufgestellte Behauptung, in einem liberalisierten Vertriebssystem sei die Arzneimittelversorgung kostengünstiger sicherzustellen, werde dadurch widerlegt. Der BAH-Vorsitzende: "Das deutsche System zur Arzneimittelpreisbildung hat sich bewährt und sollte daher beibehalten werden."
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