DAZ aktuell

Verheugen will 2008 noch viel bewegen

BERLIN (ks). Der Vizepräsident der EU-Kommission Günter Verheugen, zugleich Kommissar für Unternehmen und Industrie, hat sich im Pharmasektor für dieses Jahr noch einiges vorgenommen. Auch wenn die Europäische Gemeinschaft nur eine eingeschränkte Regelungskompetenz im Gesundheitssektor hat – Verheugen ist sicher, dass sein Wirken die deutsche und europäische Arzneimittelindustrie leistungs- und zukunftsfähiger werden lässt. Anlässlich der Hauptversammlung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) am 24. Juni in Berlin bekräftigte er zudem erneut, dass er noch in diesem Jahr gesetzgeberische Maßnahmen gegen Arzneimittelfälschungen ergreifen werde.

Anders als man es von den meisten deutschen Gesundheitspolitikern gewohnt ist, machte Verheugen im Kreise der Vertreter der BPI-Mitgliedsunternehmen deutlich, dass eine innovative und wettbewerbsfähige pharmazeutische Industrie für Europa von großer Wichtigkeit ist. In vielem ähnle sie anderen Unternehmen, jedoch weise sie auch einige "besorgniserregende Besonderheiten" auf: Forschung und Produktion würden zunehmend über die EU-Grenzen hinaus verlagert, hinzu komme die Tatsache, dass sich die Sozialversicherungssysteme als "erstaunlich reformresistent erweisen". Verheugen will dieser Entwicklung mit besseren Rahmenbedingungen entgegenwirken. So arbeitet derzeit ein Pharmaforum unter Verheugens Leitung an verschiedenen Bereichen, die der EU noch zugänglich sind – jedenfalls in unterstützender Weise. Dabei geht es insbesondere um Patienteninformationen zu Arzneimitteln, die Preisbildung und die relative Wirksamkeit von Arzneimitteln. Der EU-Kommissar gab sich "sehr zuversichtlich", dass das Forum noch in diesem Herbst seinen Abschlussbericht mitsamt praktischen Empfehlungen vorlegen wird, die die Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie mittelfristig verbessern werden – jedenfalls soweit diese auch rasch auf nationaler Ebene umgesetzt werden.

Arzneimittelfälschungen: Risiko steigt

Überdies soll im Oktober ein "Pharmapaket" präsentiert werden – die wohl letzte große gesetzgeberische Maßnahme seines Hauses in dieser Legislaturperiode, wie Verheugen erklärte. Es werde eine politische Strategie beinhalten, in der "eine überzeugende Vision für die Zukunft des Pharmasektors in Europa" entwickelt werde. Überdies sind konkrete gesetzgeberische Maßnahmen vorgesehen – etwa zur gegenseitigen Anerkennung europäischer Zulassungen. Aber auch das Problem der Arzneimittelfälschungen wird in diesem Paket einen Schwerpunkt darstellen. Verheugen verwies auf den "alarmierenden Zuwachs sichergestellter gefälschter Arzneimittel". Die EU entwickle sich immer mehr zum Zielmarkt für diese Fälschungen und sei nicht mehr nur Durchgangsstation. Er schätze die Risiken mittlerweile als so hoch ein, dass gesetzgeberische Maßnahmen unerlässlich sind. Dies funktioniere allerdings nur im Rahmen der legalen Verteilerkette. Diese genieße ein "großes Vertrauen, das es zu schützen gilt". Um hier erfolgreich zu sein, bedürfe es großer gemeinsamer Anstrengungen aller Akteure in der Vertriebskette, betonte Verheugen. Für alle müssten klare Regeln definiert werden, die auch einzuhalten sind. Identifizierbarkeit und Rückverfolgbarkeit sind für ihn hier die Schlüsselworte. Er ist überzeugt, dass die technischen Möglichkeiten vorhanden sind, diese sicherzustellen. Allerdings werde dies etwas kosten – doch das müsse in Kauf genommen werden, wenn man die Bürger wirksam schützen wolle.

Heißes Eisen: Patienteninformation

Gerne vernahm man es beim BPI auch, dass sich Verheugen weiterhin dafür stark macht, der pharmazeutischen Industrie eine direkte Patienteninformation – die er keinesfalls mit Werbung verwechselt wissen will – zu ermöglichen. Dies sei derzeit wohl das "politisch heißestes Eisen", räumte der Kommissar ein. Die anstehende Debatte im EU-Parlament werde sicherlich schwierig werden. Dennoch ist er überzeugt, dass der Industrie – selbstverständlich kontrolliert und unter klar definierten Vorgaben – ein Recht zur Information zustehen sollte. Derzeit könnten sich lediglich Menschen, die mit dem Internet und der englischen Sprache vertraut sind über solche Websites informieren, die in Ländern ohne ein Informationsverbot existieren. Dies sieht Verheugen als Nachteil für jene, die diese Voraussetzungen nicht mitbringen. Ihnen will er die Informationen auch in der eigenen Sprache und einer Print-Version zuteil werden lassen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.