Aus Kammern und Verbänden

Apothekenwesen in Belgien

Am 29. und 30. August besuchten neun Mitglieder der Landesapothekerkammer Brandenburg auf Einladung des Präsidenten der Apothekerkammer Nordrhein, Lutz Engelen, eine Apotheke in Belgien, um sich über das dortige Apothekenwesen zu informieren.

Ziel der Reise war die inhabergeführte Apotheke Schunck in Eupen, dem Zentrum der 74.000 Personen zählenden Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, die in den Bereichen Bildung, Kultur, Arbeitsmarktpolitik usw. autonom ist. Die Inhaberin Christine Schunck sowie ihr Vater und Vorgänger Manfred Schunck standen den Besuchern Rede und Antwort.

Zwischen Ethik und Kommerz

Auch in Belgien wird über das Spannungsverhältnis der Apotheke zwischen ethischer Pharmazie und reinem Kommerz diskutiert. Vater und Tochter Schunck haben sich für den pharmazeutischen Weg entschieden. Bereits vor 20 Jahren ließ Manfred Schunck die Sichtwahl hinter Schranktüren verschwinden, und seine Tochter führte nach Erfahrungen, die sie unter anderem in Kanada gesammelt hat, den Einzelberatungstisch mit Sitzgelegenheit ein – ein völlig untypisches Angebot in belgischen Apotheken, das aber von den Kunden gut angenommen wird.

In der Schunckschen Apotheke sind ausschließlich Apotheker für die Abgabe von Arzneimitteln zuständig, denn in Belgien (wie auch in Holland) gibt es als zweiten Apothekenberuf nur noch den Apothekerassistenten, der fachlich zwischen PTA und PKA angesiedelt ist und für eine weitergehende pharmazeutische Fachberatung nicht kompetent ist. Die Schuncksche Apotheke versorgt auch ein Altenheim, dessen Bewohner Christine Schunck oder eine ihrer angestellten Apothekerinnen jede Woche einmal persönlich berät. Für diesen Service erhält sie vom Heim eine Vergütung – allerdings gewähren die belgischen Apotheken den Heimen auf alle Arzneimittel einen Rabatt von 20 Prozent.

Keine Apothekenbetriebsordnung

Manfred Schunck stellte in einem Vortrag die Struktur der Arzneimittelversorgung in Belgien vor. Die Ausbildung zum Apotheker entspricht den europäischen Vorgaben, dauert also mit Studium und Praktikum fünf Jahre. Bis 1973 bestand in Belgien Niederlassungsfreiheit, was zu einer hohen Apothekendichte von etwa 1:2000 führte. Vor 25 Jahren wurde festgelegt, dass der Mindestabstand zwischen zwei Apotheken 1 bis 1,5 km betragen muss und dass in jeder Apotheke ein Apotheker als Leiter anwesend sein muss.

In Belgien gibt es keine Apothekenbetriebsordnung, die Raumgrößen oder Ausstattung vorschreibt, auch muss die Rezeptur nicht in einem eigens dafür abgetrennten Bereich erfolgen. Derzeit gibt es noch für alle Arzneimittel eine Preisbindung und für die Arzneimittel mit einem Verkaufspreis unter 25 Euro prozentuale Aufschläge, die für die Apotheken bei 31 Prozent und für den Großhandel bei zehn Prozent liegt. Bei teureren Präparaten erhalten die Apotheken seit Mitte der 80er Jahre einen fixen Aufschlag von sieben Euro. Hinzu kommen dann noch sechs Prozent Mehrwertsteuer.

Kooperationsapotheken und Rabatte für Patienten

Neben den inhabergeführten Apotheken etablierten sich bereits um 1900 sogenannte Kooperationsapotheken (im Sinne von Genossenschaftsapotheken). Parteien und andere politische Organisationen gründeten eigene Krankenkassen, einen eigenen pharmazeutischen Großhandel und Apotheken für ihre Mitglieder. Am Ende des Jahres erhielten die Mitglieder eine Gewinnausschüttung in Höhe von etwa zehn Prozent ihrer Arzneimittelausgaben. Die inhabergeführten Apotheken zogen nach und gewährten ihren Kunden Rabatte. Die Kooperationsapotheken konnten in Mitgliederrundschreiben für sich werben, während den Apotheken die öffentliche Werbung untersagt ist. Von den früher rund 500 bis 600 Kooperationsapothekern sind inzwischen etwa hundert als Kettenapotheker tätig.

In Belgien gibt es eine Art elektronische Kundenkarte für Apotheken. Ein zentraler Rechner, dessen Kosten die Krankenversicherung übernimmt, registriert die Einkäufe der Kunden und berechnet die jeweiligen Rabatte; immer, wenn sich das Rabattguthaben auf fünf Euro summiert hat, wird dieser Betrag als Preisnachlass gewährt. Die Kunden können die Rabatte in jeder Apotheke sammeln. Als Instrument der Pharmazeutischen Betreuung wird die elektronische Kundenkarte bislang noch nicht genutzt.

Kostenerstattung durch die Krankenversicherung

In Belgien werden die Arzneimittel, was ihre Erstattung betrifft, vier Kategorien zugeordnet:

  • A – überlebensnotwendige Arzneimittel wie Insulin oder Krebstherapeutika; diese werden zu 100 Prozent durch die Kasse erstattet.
  • B – wichtige Arzneimittel wie Antirheumatika, Antibiotika; diese werden zu 75 Prozent durch die Kasse erstattet, und der Patient erhält einen Rabatt auf seinen Eigenanteil.
  • C – "Komfortarzneimittel", Arzneimittel, deren Wirkung umstritten ist; diese werden zu 50 Prozent durch die Kassen übernommen (Rabatt auf Eigenanteil).
  • D – Arzneimittel, die nicht erstattet werden (Rabatt auf den Gesamtpreis).

Waisen, Rentner und Invaliden müssen jeweils nur die Hälfte des Eigenanteils tragen.

Keine Kassenärztlichen Vereinigungen

Da auch in Belgien die Kosten im Gesundheitswesen stark anwachsen, wird der politische Druck auf die Ärzte stärker. Da sie aber nicht (wie in Deutschland) an Verträge mit den Krankenkassen gebunden sind, haben diese keine Möglichkeit, über kassenärztliche Abrechnungsstellen auf das Verordnungsverhalten der Ärzte einzuwirken.

Apotheker sind fast AM-Monopolisten

Der Umsatz einer belgischen Apotheke beträgt im Durchschnitt 970.000 Euro. Die effektive Bruttoverdienstspanne liegt bei etwa 20 bis 22 Prozent. Es gibt allerdings kaum außerapothekerliche Konkurrenz wie Reformhäuser oder Drogerien; lediglich Supermärkte und die "Parapharmacies" in Großstädten bieten einige freiverkäufliche Präparate an. Patienten dürfen seit Kurzem ein Präparat per E‑Mail, Telefon oder Fax in einer Apotheke vorbestellen, müssen es dort allerdings persönlich abholen. Nur im Ausnahmefall darf der Apotheker persönlich einem Patienten etwas bringen. Wie sich das Bestellen über Internet im Zuge der Anpassungen an den europäischen Markt künftig gestaltet, bleibt abzuwarten.

Computergestütztes Rezepturmanagement

Nach dem Besuch in Eupen stellte Engelen den Kollegen aus Brandenburg das computergestützte Rezepturmanagement in seiner Apotheke vor, das die niederländischen Qualitätssicherungskriterien und Dokumentationsvorgaben weitgehend erfüllt. Der Computer kontrolliert die Einwaage und stoppt bei Fehleinwaagen den Herstellungsprozess, indem er das ans System angeschlossene Topitec blockiert (die maximal erlaubte Abweichung, z. B. zwei Prozent, wird vorher eingegeben). Der Computer erstellt ein komplettes Herstellungsprotokoll und speichert bestimmte Daten wie Umdrehungszahl oder Rührdauer. Diese können dann bei einer erneuten Rezeptur aufgerufen werden.

Das Besuchsprogramm wurde durch einen Abstecher in das Aachener Couven-Museum, in dessen Gebäude sich früher die Monheimsche Apotheke befand, abgerundet.


Dr. Constanze Schäfer

c.schaefer@aknr.de

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