Feuilleton

Woher so viel Lyrik um den Wein?*

"Denn eben, wo Begriffe fehlen,

Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein"

(Goethe, Faust I, 4)

Die Charakterisierung und Beurteilung des Weines erfolgt mithilfe organoleptischer Prüfungen. Durch den Mund, die Zunge und den Gaumen zur Ermittlung des Geschmacks, durch die Nase zur Prüfung des Geruchs und mit dem Auge zur Wahrnehmung des Erscheinungsbildes, in erster Linie der Farbe.

Geschmack

Zur Beschreibung des Geschmacks einer Substanz, die in den Mund gelangt, stehen uns nur wenige objektive und exakte Angaben zur Verfügung: süß, sauer, bitter, salzig. Der Begriff süß ist durch Vergleich mit einer allgemein bekannten Größe, etwa einem Stück Würfelzucker, in einer bestimmten Menge Wasser gelöst, halbquantitativ messbar. Auf den Etiketten der für Diabetiker geeigneten Weine ist die Obergrenze des Restzuckers in Gramm pro Liter angegeben. Ansonsten gibt bei guten Qualitätsweinen die Farbe des Weinsiegels einen Hinweis auf den Restzuckergehalt:

  • Gelbes Weinsiegel: bis 4 g/L Restzucker; trocken,
  • Grünes Weinsiegel: bis 18 g/L Restzucker; halbtrocken,
  • Rotes Weinsiegel: lieblich oder süß (bis 45 g/L bzw. über 45 g/L Restzucker).

Die Eigenschaft sauer kann durch den experimentell ermittelbaren pH-Wert genau quantifiziert werden. Zur Ermittlung des Bitterwertes bediene man sich der im Europäischen Arzneibuch gemachten Angaben. Das Adjektiv laugenartig (oder seifig) wird zwar bei den Geschmacksbeschreibungen nicht allzu häufig benutzt, lässt sich aber, ebenso wie sauer, durch den pH-Wert messen.

Bei den Bezeichnungen mild und scharf oder salzig kommen bereits subjektive Komponenten in die Beurteilung. Mit adstringierend sind wir schon bei der Beschreibung einer pharmakologischen Eigenschaft angelangt. Alle weiteren Geschmacksattribute beruhen auf Vergleichen mit bekannten, aber nicht genau definierbaren Erfahrungen, die wir beim Verzehr oder Verkosten von Nahrungs- und Genussmitteln gemacht haben, wobei bevorzugt Früchte, Blumen und Gewürze reflektiert werden.

Geruch

Alle Angaben von süßlich über erfrischend und herb bis Übelkeit erregend sind individuelle Äußerungen und nicht exakt reproduzierbar. Also bleibt zur Beschreibung eines Geruches nur der Vergleich mit früher gemachten und im Langzeitgedächtnis gespeicherten Erfahrungen.

Aussehen

Das optische Erscheinungsbild einer Flüssigkeit, wobei der Farbe die größte Bedeutung eingeräumt wird, lässt sich durch die Namen der Farben ziemlich genau beschreiben. Doch werden auch hierbei Vergleiche mit herangezogen. Denken wir etwa an strohgelb, kirschrot oder himbeerrosa.

Folgerung: Wenn also die wichtigsten Kriterien zur Beurteilung des Weines wie der Geschmack und der Geruch – abgesehen vom leicht und genau bestimmbaren Alkoholgehalt – nur zum geringen Teil zuverlässig zu kennzeichnen sind, wen wundert es dann, dass die fehlenden Adjektive oft zu lyrischen Formulierungen hochstilisiert werden.

Weincharakterisierung

Die Begriffe, die heute zur Beschreibung eines Weines gebraucht werden, lassen sich in drei Kategorien unterteilen, wobei die Grenzen jedoch nicht sehr stringent gezogen werden dürfen. So sind in der ersten Kategorie bereits Angaben enthalten, die im Zusammenhang mit den Eigenschaften der zweiten Kategorie stehen.

  • Aktionen, dynamische Prozesse: Auftakt, Abgang, Perlage.
  • Organoleptische Eigenschaften: Nase und Mund: Aromen, Bukett/Noten, Säure, Süße, Barrique, Tannine, Mineralik. Gaumen: Schmelz, Empfindungen. Augen: Farben.
  • Imaginäre Vorstellungen: Körper, Struktur, Terroir.

Auftakt

Um den ersten geschmacklichen Eindruck beim Verkosten eines Weines zu schildern, werden synonym die Bezeichnungen Ansatz, Antrunk und Auftakt gebraucht. Die immer wieder zu lesenden Adjektive lauten:

Aromatischer – erfrischender – erfrischend-süßlicher – frischer – geschmeidiger – runder – sanfter – saftiger – temperamentvoller – voller – weich-fruchtiger – weicher – wuchtiger Ansatz.

Oft wird vor die Bezeichnung des Auftakts noch ein "im" gesetzt, was zu einer gewissen sprachlichen Eleganz führt. Schließlich klingt "geschmeidig im Ansatz" besser als "geschmeidiger Ansatz".

Der Wein des Jahres – ein Gedicht

Erfrischend im Antrunk,
mit floralem Touch und würzigen Aromen,
feine Pfeffernote,
mit Anklängen von Vanille und Tabak,
stoffig,
mit spritziger und dennoch weicher Säure,
leuchtendes Zwiebelschalenrosa,
seine Mineralität deutet auf den Charakter europäischer Klassiker,
von geschmeidig schönem Schmelz,
mit samtigen Tanninen,
elegante Dichte und geschmackliche Tiefe am Gaumen,
mit endlos langem Finale.

Abgang

Gelegentlich gebrauchen die Önologen anstatt Abgang die Bezeichnung Ausklang, Nachhall und das stärkere Wort Finale , wobei ich eher an eine Symphonie von Mozart oder Beethoven denken muss, was aber gar nicht so abwegig erscheint, denn schließlich stellen die Weine ja organoleptisch zu erlebende Symphonien dar.

"Angenehm frisches Finale" oder "mit langem wuchtigem Finale" oder "kolossales Finale" klingen beispielsweise doch recht gut.

Wie unter Auftakt erwähnt, wird auch das Wörtchen "im" gerne und recht oft eingeschoben.

Im Übrigen findet man meistens die folgenden Adjektive:

angenehm herber – aromatisch im – ausgewogener – belebende Frucht im – bleibende Frucht im – dezente Herbe im – eleganter – frisch im – frischer – fruchtig-frischer – fruchtig-würziger – herrliche Länge im – herrlich erfrischend im – lang anhaltender – lange nachklingend im – langer – mineralischer – mit angenehmer Frische im – mit bleibendem Nachhall – nachhaltig im – saftiger – würzig im – zartwürzig im.

Noch ein bisschen Lyrik:

"delikate Beerenaromen begleiten den Abgang"

"harmonisch fruchtig-würziger Ausklang"

"mit feurig spritzigem Abgang, von Zitrusnoten geprägt".

Perlage

Dieser Begriff dient zur Beschreibung von Champagner, Sekt, Crémant und anderen Schaumweinen. Er ist die französische Bezeichnung für die Perlen in einem Schaumwein. Es herrscht die Vorstellung: je feiner die Perlen, umso höher die Qualität. Man begegnet oft Formulierungen wie:

feine Perlage – herrliche Perlage – frisch und angenehm moussierend – herrlich prickelnd.

Zur Verdeutlichung der Üppigkeit der Weinlyrik im Rahmen der Begriffe Aromen, Bukett und Gaumen kann ich wegen der verbalen Fülle dem geneigten Leser entsprechende Auflistungen nicht ersparen.

Aromen

Ansätze von Flieder und Lakritze erkennbar

ansprechende Frucht

ausgewogene Fülle

Beerenaromen

besticht mit Aromen von Zitrone, tropischen Früchten und Honig

Birnen

Duft nach exotischen Früchten und Vanille

Duft von roten Beeren, sowie von Kirschen

Duft von frischen Feigen mit Anklängen von Mokka und Schwarztee

Eisbonbons

enorme Aromenfülle

Erdbeernoten

es dominieren Brombeere und Himbeere mit dezent würzigen Noten

exotisch und süßlich

frische Semmeln

frisches Bukett mit Limetten

fruchtig mit einem Hauch von Cointreau und orientalischen Gewürzen

fruchtiges Aroma

Fruchtigkeit nach Zitrus und Apfel

Frühlingsblüten

gleicht einem fruchtigen Feuerwerk

harmonische Röstnoten

herrlich eingebundene Holzaromen

komplexes Aromenbild, Waldbeeren mit Anklängen von Vanille und Tabak

Konfitürnoten nach Brombeere und Cassis mit etwas Minze

Litschi

Mandelblüten

Mandeln

medizinal, wie eine Apotheke

mit feinen Grapefruit-Aromen

nach dunklen Beeren

nach exotischen Früchten mit Mango und Banane

nach Zitrusfrüchten, Himbeersorbet und Holunderblüten

nach exotischen Früchten wie Maracuja und Passionsfrucht

Pfirsicharomen

reife Waldfrüchte

rote Beeren

Sternfrucht

Vanille

Wassermelone

Williamsbirne

zarte Anklänge von Rauch und Salz

Zitrusaromen

Zwetschgen mit einem Hauch von Vanille und einer Note Leder.

Noten

blumig, mit Noten von Zitrus

elegante Bittermandelnoten

exotische Noten dominieren

feine Pfeffernote

fruchtig würzige Noten nach Limette und Ananas, dezente Blumendüfte

fruchtige Noten von Beeren mit würzigen Anklängen

Himbeernoten

intensive Pfirsichnote und helle Früchte

mit dezent animalischen Noten

mit dezenten Rauchnoten

mit würzig floralen Noten

vermischt mit Noten aromatischer Kräuter

von Kompott, Kräutern und Tabak

würzige Noten nach Mokka, Thymian und Nelken

würzige Noten nach Nelken, fruchtige Komponenten nach Pflaumen und Kirschen

würzige Noten, gespickt mit Himbeeraromen

würzig-herbe Noten wie Zimt und Moos, auch reiffruchtige wie Datteln und Kompott

  • Aromatik

Dieses Modewort sucht man im Duden und im Brockhaus vergebens, und das Internet googelt nur Wissensmüll und Unsinn hervor. Gemeint ist wohl der durch die Komposition verschiedener Geruchsnoten entstehende, organoleptisch – in diesem Fall durch die Nase – wahrzunehmende Gesamteindruck.

Verursacht wird das Aroma – der würzige Wohlgeruch oder Wohlgeschmack eines Getränks oder einer Speise – durch natürliche, naturidentische oder künstliche Aromastoffe. In Deutschland ist die Anwendung von Aromastoffen durch die Aromenverordnung vom 22. 12. 1981 geregelt. Einige Zitate:

"sehr präsente Aromatik"

"geprägt von Primäraromatik nach Zwetschgen und Kompott"

"volle Fruchtaromatik nach Quitte und Honig"

"Der Schraubverschluss bewirkt, dass viel weniger Aromatik entweicht"

Bukett (Nase, Noten)

"… dem Glas entströmt ein Korb an roten und schwarzen Früchten."

Hunderte von ähnlich entzückenden Ausrufen könnten an dieser Stelle zitiert werden. Wir wollen statt dessen und aus Gründen der Übersichtlichkeit die Lyrik prosaisch zerpflücken.

Bukett: ansprechendes – ausgewogenes – betörendes – delikates – dezentes – elegantes – enorm klares – erfrischendes – facettenreiches – florales – frisches – fruchtbetontes – herrlich duftendes – intensives –

parfümiertes – reiches – rotbeeriges – südliches – verführerisches – vielschichtiges – würziges – zart duftendes – zauberhaftes

Bukett mit

Anklängen von Honig und Birnen

Ansätzen von frischem Brot

Erinnerungen an Minze und grüne Bananen

orientalischen Gewürzen

Spuren von Gewürzen und Karamel

würzigen Ansätzen

Zimtnoten und Eisbonbons

Bukett nach

dunklen Früchten, Brombeeren, Cassis und Peperoni

Kirschen, Pflaumen und Johannisbeeren mit Noten von Schokolade

Limetten, Pfirsichen, Grapefruit, Litschi und Vanille

schwarzen Kirschen, Cassis, Waldbeeren, mit pfeffrig-würziger Note

Stachelbeeren, Ananas und getrockneten Aprikosen

würziger Frucht und Anklängen von Leder mit einem Hauch von Schokolade

Zwetschgenkonfitüre und Vanille mit Noten von Zimt und Pfeffer, dunklen Früchten und Kräutern, Limetten, Blutorangen und Rosenblättern

Kompott duftend – Rumtopf duftend – Vanille und Zimt

Bukett von

Agrumen* und duftenden Blüten

Aprikosen, Pfirsichen und Orangen

Cassis, Johannisbeeren und Dörrobst

dunklen Beeren mit Anklängen von Lorbeer und Fichte

Erdbeeren, Himbeeren sowie Noten aromatischer Kräuter

Kirschen, Pflaumen und roten Beeren

Pflaumen, Lebkuchen und Tabakblättern

rotbeeriger Frucht und würzigen Klängen

Waldbeeren und Zedernholz

Dezentes Bukett nach

Backpflaumen, dunklen Beeren und Lorbeer

Beerenkompott, Rumtopf und Lakritze

frischen Äpfeln und exotischen Früchten mit Haselnussnoten

Johannisbeeren, Kirschen und Orangeat

Johannisbeeren, Pflaumenkompott und Kirschen

Kastanien und Waldbeeren, Noten von Vanille und Rauch

Kirschen, Brombeeren und Konfitüren mit Noten von Schokolade

Kirschen, Paprika und Waldbeeren

Kirschen, Pflaumen und Erdbeeren mit würziger Note

Konfitüre, Cassis und eingemachten Früchten

Limetten und exotischen Früchten

Pfirsichen, Birne und Vanille

Pflaumen, schwarzen Brombeeren und Cassis

Piemontkirschen

schwarzen Beeren und Früchten

Zwetschgen und Orangenschalen

Frisches Bukett mit/nach

floralen Anklängen, sowie Noten von Limette mit etwas Aprikose

Limetten, Sternfrucht und Wassermelone

makelloser Fruchtdichte

würzigen und blumigen Noten

Zitrus, Aprikose und Birne

Fruchtiges Bukett mit/nach

Akzenten von Kamille und Melone

Birnen, Mandelblüten und Eisbonbons

einem Hauch von Cointreau und orientalischen Gewürzen

floralem Touch

Himbeeren, Brombeeren und Erdbeeren

Noten von Limetten und etwas Aprikose

Waldbeeren

Intensives Bukett nach

dunklen Steinfrüchten, Cassis und Heidelbeeren

Limetten und etwas Holunderblüten

Mandarinen, Brennnesseln und Litschi

Pflaumen und Kirschen mit Noten von Mokka

Pflaumen, Kirschen und Zwetschgen

Pflaumen, Preiselbeeren und Konfitüre

Stachelbeeren und Brennnesseln

Stachelbeeren, Litschi und Rosenwasser

Waldbeeren, Himbeeren, Mokka und Vanille

Waldbeeren, Pflaumenkompott und Johannisbeeren

Nase

Die delikate Nase ist fruchtig: mit Brombeere und Johannesbeere, und würzig: mit Pfeffer und Lakritze

florale Akzente in der Nase

komplexe Nase

schmeichelt der Nase

üppig in der Nase

Säure und Süße

angenehm weiche Säure

begleitet von dezenter Süße

dezentes Säurerückgrat

enorme Fruchtsüße

etwas niedrig in der Säure

feine Alterssüße

gut eingebundene Säure

guter Süßteil

markante, frische, aber nicht aufdringliche Säure

mit einer schönen Süße

sehr bekömmliche Säure

sehr hohe Extraktsüße

spritzige und dennoch sehr weiche Säure

Säure: filigrane, hohe, knackige, messerscharfe, milde, nervige, niedrige, sanfte.

Süße-Säure-Spiel: angenehmes, ausgewogenes, harmonisches,

lebendiges, schmeichelndes, spannungsreiches.

Barrique

Im Französischen bedeutete dieses Wort ursprünglich einfach das Fass, wie es auch heute noch in jedem französisch-deutschen und jedem deutsch-französischen Wörterbuch zu finden ist. Dann war es die Bezeichnung des Standardfasses der Winzer mit einem Inhalt von 225 Litern. Später bezeichnete man damit den Ausbau des Weines im Holzfass, wodurch sich der Wein mit Tanninen anreichert, was sich geschmacklich bemerkbar macht. Heute ist das Wort Barrique der Terminus für einen Wein, der in Eichenfässern gereift ist und dadurch ein bestimmtes Holzaroma angenommen hat. Da bereits nach der ersten Lagerung des Weines in einem neuen Fass das Eichenholz den Großteil seiner löslichen Tannine an den Wein abgegeben hat, werden in hochqualifizierten Winzerbetrieben die Fässer nach zwei bis drei Lagerungen durch neue ersetzt. Die damit verbundenen hohen Kosten umgehen heute manche "Weinmacher", indem sie den Wein mit Eichenholzspänen versetzen und diese nach einer gewissen Lagerungszeit, die auch im Edelstahltank erfolgen kann, wieder abfiltrieren. Man kann diesen Prozess auch durch die "Teebeutelmethode" etwas vereinfachen.

Beim Inkrafttreten des Weinhandelsabkommens der EU zum 1. Januar 2006 waren solche Verfahren noch verboten. Seit Oktober 2006 ist in der EU die Verwendung von Eichenholzchips bei der Weinherstellung erlaubt.

Lyrisch formuliert soll die Barrique-Behandlung dem Rotwein eine "Kirsch-Nase" und dem Weißwein eine "Vanille-Nase" verleihen.

Übrigens ist das Wort Barrikade von "barrique" abgeleitet. Während der Julirevolution von 1830 benutzten die Franzosen mit Sand gefüllte Holzfässer zur Errichtung von Straßensperren. Eine andere Deutung geht vom italienischen Wort barricare aus, was zu Deutsch verrammeln heißt.

Tannine, Gerbstoffe

Der vom französischen tanin abgeleitete Gruppenname gilt für eine Reihe natürlicher Polyphenole sehr vielfältiger Zusammensetzung. Im Rotwein sind vor allem Procyanidine enthalten, die bei ihrer Hydrolyse und beim metabolischen Abbau Catechine und Gallussäure liefern (nicht zu verwechseln mit Gallensäuren!). Tannine werden u. a. zum Gerben von Tierhäuten (Leder), als Adstringens bei Durchfall und zur Blutstillung verwendet.

Notabene: Tannine (dimere, trimere und oligomere Catechine und Epicatechine) sind auch im schwarzen Tee und in der Schokolade enthalten.

Tannin(e):

angedeutete – angenehme – adstringierende – ausgewogene – dezente – dichte – fein strukturierte – feine – feinkörnige – feinstoffige – harte – herbe – jugendliche – kantige – kräftige – markante – mäßige – massive – milde – mürbe – prägnante – präsente – reichhaltige – reife – runde – saftige – samtenes – sanfte – schmeichelndes – sehr gut strukturierte – seidenweiches – seidige – süße – trockene – volle – weiche – zarte Tanninstruktur

Gerbsäure: dezente – harte – massive

Gerbstoffe: trockene – reife

Mineralik

Das Mineral, die Mineralarten, die Mineralien, das Mineralbad, die Mineralböden, die Mineralfarben, die Mineralfasern, das Mineralfutter, die Mineralisation, die Mineralocorticoide, die Mineralogie, die Mineralöle, die Mineralölsteuer, die Mineralölwirtschaft, die Mineralquellen, die Mineralsäuren, die Mineralsalze, der Mineralstoffwechsel und das Mineralwasser sind genau definierbare Begriffe.

Das Modewort Mineralik ist (nach Gerald Schuster – guck nach unter el mundo de Geraldo) das Wein-Unwort Nr. 2 von 2007. Dazu einige Stilblüten:

eine Spur Flint

erdige Töne

feine Mineralik

leicht mineralisch

Mineralienkonzentrat im Abgang

mineralische Note

mit etwas Kreide

salzige Noten

Schiefermineralik

typische Rieslingmineralik

von mineralischem Aroma

wie Feuerstein

würzig mineralische Noten

Terroir

Die Übersetzung des französischen Wortes terroir lautet Boden oder Ackerboden. Traditions du terroir sind ländliche Bräuche. Der Ausdruck produits de terroir war und ist in Frankreich ein Indiz für regionaltypische Produkte oder Spezialitäten des Landes, die man an Ort und Stelle erwerben oder verkosten kann wie Käse, Wurst, Pasteten, Galettes bretones und andere Köstlichkeiten. Heute gebrauchen Winzer und missbrauchen Weinhändler dieses Wort, um eigene "bodenständige" naturbelassene, ökologisch angebaute Weine zu charakterisieren. Ungewiss bleibt dabei, ob der Boden (Muschelkalk, Schiefer, Basalt etc.) gemeint ist, auf dem der Wein gewachsen, oder das Verhalten des Winzers, ob der Wein von Gott gemacht ist oder von Menschenhand. Neben diesen positiven Aspekten zählen zu "terroir" aber auch Prädikate wie "Essigstich, Milchsäurestich, Geruch nach Pferdestall, nach verbranntem Gummi, nach Kaugummi", wodurch der schwarze Peter dem Weinberg und den Umwelteinflüssen zugeschoben wird.

Gaumen

Meistens liest man "am Gaumen", manchmal wird aber auch "im Gaumen" empfunden.

Am Gaumen:

aromatisch – ausgewogen – ausgewogen – charmant – elegant – erfrischend – frisch – fruchtig – füllig – geschmeidig – harmonisch – komplex – lebhaft – saftig – schmeichelnd – superdicht – vielschichtig – voll – vollfruchtig – vollmundig – weich – würzig.

Hier einige Formulierungen, die man immer wieder lesen kann:

anregende Frucht und Würze

aromatische Länge

ausgesprochen harmonisch

ausgezeichnete Balance, begleitet von anregenden Aromen

bemerkenswert und lange weich

elegante Dichte sowie geschmackliche Tiefe

elegante Harmonie

fruchtige Noten dominieren

gute Gaumenfüllung

im Mund gut strukturiert und voll

mineralisch und elegant

schmeichelnde Fülle und fruchtige Aromen

spielerische Fruchtfülle

tänzerische Balance

unglaublich angenehmes Mundgefühl

von lebhafter Art

weich und gut strukturiert

zuerst relativ schlank

Im Gaumen:

stoffig – süffig – äußerst schmackhaft – frisch würzig im Gaumen mit einem schönen Schmelz.

Schmelz:

ausgewogen, mit Schmelz und fruchtigen Aromen

feiner Schmelz

feines Tannin mit viel Schmelz

feinwürziger Schmelz

geschmeidig schöner Schmelz

saftiger Schmelz

schöner Schmelz

viel Schmelz, verwoben mit feiner Frucht

zarter Schmelz

Farben

Es geht dabei um die visuellen Eigenschaften des Weißweins, des Rotweins und des Rosés. Auffallend ist, dass Bezeichnungen wie blass gelblich oder blass grünlich, die für weitaus die meisten Weißweine zutreffen würden, nicht gebraucht werden. Warum wohl? Weil sie zu wenig poetisch klingen und einen negativen Touch beinhalten.

Blaurot, dichtes, intensives

Blauviolett, sehr junges

Granat

Granatrot

Granatviolett, tintiges

Himbeerrot, dichtes, glänzendes, leuchtendes

Kirschrot, intensives, dunkles, mit Blauschimmer

Purpur, jugendliches

Purpurrot

Rot, tiefes

Rotschwarz, dichtes

Rubin, tiefes, dichtes, klares

Rubingranat, jugendliches

Rubinrot, funkelndes, dunkles, leuchtendes, transparentes, undurchsichtiges, mit violetten Reflexen

Schwarz, fast (gemeint ist ein sehr dunkles Blau-Rot)

Schwarz, tintig

Schwarzviolett

Ziegelfarbig am Rande

Bernsteinfarbig

Gelb, helles mit grünen Reflexen

Gelb, leuchtendes, strahlendes

Goldgelb, helles ("brillantes Goldgelb funkelt im Glas")

Grüngelb

Hellgelb, leuchtendes, mit grünem Schimmer

Strohgelb, glänzendes, klares, mit grünlichen Reflexen

Zitronengelb, zartes

Himbeerrosa, leuchtendes

Rosa, strahlendes, zartes

Zwiebelschalenrosa, leuchtendes

ein Hauch Grün

mit grünem Schimmer

Grüngelb

grünlich

lichtes Grün

Körper – Struktur

Von α (a wie ausgewogen) bis ω (w wie würzig)

abgerundet – anregend – aromatisch – ausgewogen - außerordentlich viskos – charaktervoll – charmant – dicht und viskos – elegant-enormes Volumen im Mund – fein – feine Eleganz – feingliedrig – finessenreich – fleischige Noten - frisch – fruchtig-frisch – füllig – geschmeidig – getragen von angenehmer Frische – gut strukturiert – harmonisch – harmonisch mit einem schönen Schmelz, elegant – komplex – kräftig – kraftvoll – lebendig – noch verschlossen – ölige Textur – opulent – perfekte Harmonie – reich an Frucht und Temperament – saftig – sehr blutig – sehr maskuline Struktur – spannend – stoffig – strukturreich – vielschichtig – vollmundig – von vielschichtiger Komplexität – warm – weich – würzig unterlegt.

Einige Stilblüten:

ein Muskelprotz – feine Süße und Frucht gibt dem Körper Fülle – Frische und Eleganz prägen die Struktur – füllig, aromenreich, voller Charme – sehr komplex im Mund, fleischig und rund.

Wie undefinierte und unscharfe Begriffe der Weinlyrik zu gedanklichen Spaziergängen und lehrreichen Exkursionen anregen können
Begriff
Deutungsversuche
animalische Noten
In Gedanken geht man dabei durch den Zoo. Aber die Düfte, die dem Affenhaus, den Raubtierkäfigen oder den Eulen-Volieren entströmen, können wohl nicht gemeint sein. Das Wort Pferdemist taucht jedoch gelegentlich auf.
aromatische Kräuter,
Noten von Kräutern
Basilikum, Bohnenkraut, Estragon, Fenchel, Kerbel, Koriander, Lorbeer, Maggikraut, Majoran, Oregano, Piment, Petersilie, Quendel, Rosmarin, Safran, Salbei, Schnittlauch, Thymian; alle kommen in Frage!
Beerenaromen
Beeren im botanischen Sinne sind Tomate, Tollkirsche, Banane und Gurke, wie auch Stachelbeere, Heidelbeere, Johannisbeere, Preiselbeere und Weintraube, während Himbeere und Brombeere Fruchtstände kleiner Steinfrüchte sind. Die Erdbeere ist eine Scheinfrucht mit fleischiger Blütenachse, auf der winzige Nüsschen sitzen. Wer hätte das gedacht?
Beerenkompott
Aus echten Beeren wie Heidelbeeren, Johannisbeeren, Preiselbeeren oder Stachelbeeren sowie "falschen Beeren" wie Brombeeren, Erdbeeren oder Himbeeren zubereitet. Man hat die Auswahl. – Der Name Kompott ist vom lateinischen compositum = Zusammengesetztes abgeleitet.
dunkle Beeren
Brombeeren, Heidelbeeren, Holunderbeeren, schwarze Johannisbeeren
dunkle Früchte
Reife Feigen, Pflaumen, Schlehen und Zwetschgen
exotische Früchte
Für unsere Großeltern waren das noch Ananas, Apfelsine, Pampelmuse, Banane, Datteln und Feigen. Heute ist die Liste viel länger: Avocado, Cherimoya, Durian, Granatapfel,
Grenadilla, Guave, Jackfrucht, Karambole (Sternfrucht), Kiwi, Kumquat, Litschi (Rambutan), Longane, Mango, Mangostane, Melone, Nashi, Opuntie (Kaktusfeige), Papaya, Passionsfrucht (Maracuja), Physalis, Pomelo, Sharonfrucht (Kaki), Tamarillo, Ugli
exotische Noten
Hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Die Nase mag spazieren gehen durch einen orientalischen Basar, einen türkischen Harem, einen tropischen Regenwald oder eine indische Gewürzplantage.
Gewürze
Alles, was man in den Regalen der Supermärkte findet
helle Früchte
Äpfel, Birnen, weiße Pfirsiche, weiße Weintrauben
Konfitüren
Warum nicht auch Marmeladen?
Nelken
Hier erhebt sich die Frage, ob die Blumen (Dianthus caryophyllus u. a.) oder die Gewürznelken (Syzygium aromaticum, Myrtaceae) gemeint sind (beide enthalten Eugenol). Wahrscheinlich das Letztere, weil der Duft intensiver ist.
orientalische Gewürze
Anis, Bockshornklee, Chili, Curry, Ingwer, Kardamom, Kreuzkümmel, Kurkuma, Muskat, Pfeffer, Vanille, Zimt
reife Waldfrüchte,
Waldbeeren
Brombeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Preiselbeeren
rote Beeren,
rotbeerige Frucht
Erdbeeren, Himbeeren, rote Johannisbeeren, Vogelbeeren; keine Brombeeren, denn wenn sie rot sind, sind sie noch "grün"
schwarze Beeren
Total schwarze Beeren gibt es nicht, es sei denn, sie sind vertrocknet; → dunkle Beeren.
schwarze Früchte
Sind mir noch nicht begegnet, außer den fast schwarzen Brombeeren. Aber unter "schwarzen Früchtchen" könnte ich mir was vorstellen.
tropische Früchte
Siehe "exotische Früchte"

Blumen und Früchte

In den Bezeichnungen der Aromen, Bukette und Noten, die vorangehend aufgelistet sind, werden auffallend wenige Blumen und Blüten, jedoch zahlreiche essbare Früchte und die verschiedensten anderen Objekte genannt, die zur Umschreibung von Gerüchen und Geschmacksrichtungen dienen.

Blumen:

Flieder, Holunderblüte, Kamille, Lavendel, Mandelblüte, Rosenblätter und Veilchen (mehr war nicht zu finden).

Früchte:

Wenn man die Früchte Revue passieren lässt, die zur Beschreibung eines Weinaromas herangezogen werden, so fällt auf, dass der überwiegende Teil zur Familie der Rosaceae mit den Gattungen Malus, Prunus, Pyrus, Rubus und Fragaria gehört. Es folgen dann die Zitrusfrüchte (Rutaceae) und die Gattung Ribes (Grossulariaceae). Alle anderen Pflanzenfamilien sind jeweils nur einmal vertreten.

Früchte von Rosaceen:

1. Steinobst (Prunus):

Aprikose, Marille P. armeniaca

Kirsche P. avium, P. cerasus

Mandel P. dulcis syn.P. amygdalus

Mirabelle P. domestica ssp. syriaca

Nektarine P. persica var. nectarina

Pfirsich P. persica

Pflaume P. domestica

Sauerkirsche, Weichsel P. cerasus

Schlehe P. spinosa

Schwarzkirsche P. avium

Zwetschge P. domestica

2. Kernobst und (Schein-) Beeren:

Apfel Malus sylvestris

Birne Pyrus communis

Brombeere Rubus fruticosus

Erdbeere Fragaria vesca

Himbeere Rubus idaeus

Quitte Cydonia oblonga

Williamsbirne Pyrus communis

Zitrusfrüchte (Rutaceae):

Bergamotte Citrus bergamia

Blutorange Citrus sinensis

Grapefruit Citrus maxima

Kumquat Fortunella margarita

Limette Citrus aurantiifolia

Mandarine Citrus reticulata

Orange Citrus sinensis

Zitrone Citrus limon

Beeren der Gattung Ribes (Grossulariaceae):

Cassis, Schwarze Johannisbeere R. nigrum

Rote Johannisbeere R. rubrum

Stachelbeere R. uva-crispa syn. R. grossularia

Weitere Früchte:

Ananas Ananas comosus , Bromeliaceae

Banane Musa × paradisiaca syn. M. × sapientum , Musaceae

Dattel Phoenix dactylifera , Palmae

Feige Ficus carica , Moraceae

Heidelbeere Vaccinium myrtillus , Ericaceae

Holunderbeeren Sambucus nigra , Caprifoliaceae

Litschi Litchi sinensis , Sapindaceae

Mango Mangifera indica , Anacardiaceae

Melone Cucumis melo , Cucurbitaceae

Passionsfrucht, Maracuja Passiflora edulis , Passifloraceae

Physalis Physalis alkekengi , Solanaceae

Sternfrucht, Karambole Averrhoa carambola , Oxalidaceae

Verschiedenes

Botanisches:

Basilikum, Brennnessel, Fichte, Holzaromen, Lorbeer, Minze, Moos, Nelken, Peperoni, Pfeffer, Schwarztee, südfranzösische Kräuter, Tabak, Thymian, Vanille, Zedernholz, Zimt.

Essbares und Trinkbares:

Backpflaumen, Bittermandeln, Bitterschokolade, Blütenhonig, Brot (frisches), Cointreau, Dörrobst, Eisbonbons, Espresso, Eukalyptus, feines Mousse, Getreide, Gewürznelken, grüne Paprika, Haselnüsse, Honig, Hustenbonbons, Käse, Kakao, Karamel, Kastanien, Kompott, Lakritze, Lebkuchen, Marmelade, Mokka, Orangeat, Orangenschalen, Pfeffer, Pilze, Rumtopf, Sauerkraut, Schinken, Schokolade, Schwarzbrot, Selchfleisch, Semmel (frische), Sherry, Speck, Süßholz, Toast, Walnuss, Weißbrot.

Was noch bleibt, sind:

Botrytis, Brettanomyces, feuchte Erde, Firn, Gummi, Kaugummi, Kirschkerne, Laub, Leder, Haselnusstöne, Hefeton, Heublumen, Nagellackentferner, neues Holz, Petrol, Rosenwasser, Stroh-Aromen und

chemisch definierte Verbindungen:

Aceton, Essigsäure, Ethylacetat, Glycerin, Menthol, Milchsäure.

Schlussbemerkung

Nachdem wir von der Fülle und Üppigkeit der Aromen, der Bukette, der Noten, der Nasen, der Tannine, der Säuren, der Mineralik, der Farben, der Körper und Strukturen in ihrer außerordentlichen, bemerkenswerten, betonten, feinen, guten, leichten, markanten, raffinierten, schönen, wuchtigen oder zarten Art fast erschlagen wurden, wollen wir zum Schluss den Begriff Lyrik im önologischen Interesse noch etwas zurechtbiegen.

Die Lyrik ist eine Dichtungsgattung, in der subjektives Erleben, Gefühle, Stimmungen, Emotionen oder Reflexionen – also alles, was der Mensch beim Weintrinken empfindet – mit sprachlichen Formmitteln ausgedrückt werden. Wenn auch der Reim, die Metrik oder der Vers in den önologischen Lobgesängen meist fehlen, bleibt das Wesen der Lyrik doch erhalten. Wie schrecklich, wenn die Winzer und Händler ihre kostbaren Getränke auch noch in laienhafter Versform anböten!

Aromen von Kirsche und Pflaumen

erreichen betörend den Gaumen.

Früchte vom Reich der Agrumen,

buhlen um Düfte von Blumen.

Vom Ananas besticht der Hauch,

das Zwiebelschalenrosa auch.

Cassis, Birne, Limetten

sind unseres Weines Facetten.

Käse, Paprika und Pfeffer

machen diesen Wein zum Treffer.

Aufhören, aufhören, aufhören!


Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. rer. nat. Dr. h. c. Herrmann J. Roth
Friedrich-Naumann-Str.33,
76187 Karlsruhe
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