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DAZ aktuell
Schwere Vorwürfe gegen Originalhersteller
Die Sektoruntersuchung wurde im Januar 2008 eingeleitet, um zu ermitteln, warum weniger neue Arzneimittel auf den Markt gebracht wurden und warum sich der Markteintritt von Generika in einigen Fällen anscheinend verzögert hatte. Dabei wurden viele Dokumente sichergestellt, in denen sich Hinweise auf Behinderungen und Absprachen finden. So führt der Zwischenbericht aus, dass Generikahersteller beispielsweise durch die Einreichung mehrerer Patente für ein und dasselbe Arzneimittel (sogenannte Patentcluster) behindert würden; in einem Fall waren es dem Bericht zufolge 1300. Auch die Anstrengung von Prozessen oder Vergleichsabschlüssen bei Patentstreitigkeiten erschwerten den Markteintritt von Generika. So wurden dem Bericht zufolge fast 700 Verfahren gegen Generikahersteller eingeleitet, die sich im Schnitt über fast drei Jahre erstreckten; in mehr als 60 Prozent der Fälle hätten die Generikahersteller letztlich Recht bekommen. Zudem haben den Untersuchungen zufolge Originatoren mit Generikaherstellern in der EU mehr als 200 Vereinbarungen zur Beilegung von Streitigkeiten abgeschlossen. Mehr als 10 Prozent dieser Vereinbarungen sahen Beschränkungen für die Markteinführung der Generika vor, wobei die Originalpräparatehersteller im Gegenzug Zahlungen – insgesamt mehr als 200 Mio. Euro – an die Generikahersteller leisteten. Auch Interventionen bei nationalen Behörden, bei denen Generikahersteller Zulassungen beantragen, gehörten zu den Verzögerungstaktiken der Originalhersteller.
Einsparungen in Milliardenhöhe verspielt
Derartige Praktiken träfen nicht nur die Generikaunternehmen, sondern führten auch zu erheblichen Mehrkosten für die Krankenversicherungsträger und schmälerten die Anreize für Innovationen. Eine Stichprobe von Arzneimitteln, für die der Patentschutz zwischen 2000 und 2007 in 17 Mitgliedstaaten auslief, habe gezeigt, dass in dieser Zeit zusätzliche Einsparungen von rund drei Mrd. Euro hätten erzielt werden können, wenn Generika ohne Verzögerungen auf den Markt gebracht worden wären. Im Durchschnitt vergingen laut Bericht bis zur Markteinführung von Generika rund sieben Monate. Selbst bei den am meisten verkauften Arzneimitteln sei es im Schnitt zu einer Verzögerung von vier Monaten gekommen. Dem Zwischenbericht zufolge verfolgen die Unternehmen auch defensive Patentstrategien, die vor allem darauf abzielten, Wettbewerber an der Entwicklung neuer Arzneimittel zu hindern.
Anhörung bis 31. Januar
EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes kündigte an, die Ergebnisse nun mit den betroffenen Parteien zu erörtern und die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die öffentliche Anhörung läuft bis zum 31. Januar 2009. Der Abschlussbericht soll im Frühjahr 2009 vorgelegt werden. "Noch stellt sich die Frage nicht, doch die Kommission wird ohne Zögern Kartellverfahren einleiten, wenn der Verdacht besteht, dass Unternehmen die Kartellvorschriften verletzt haben", betonte Kroes. Sie verwies darauf, dass der Wettbewerb auf den Pharmamärkten von essenzieller Bedeutung sei, damit erschwingliche und innovative Arzneimittel zur Verfügung stehen und gewährleistet ist, dass die Steuer- und Beitragszahler für ihr Geld die bestmöglichen Leistungen bekommen.
Zwiespältige Reaktionen in der Industrie
Der Branchenverband Pro Generika begrüßte die Kritik der EU-Kommission. Geschäftsführer Peter Schmidt betonte, dass das Arzneimittel-Patentsystem ein komplexer und integraler Teil der Gesundheitswirtschaft sei. Die Mitgliedsunternehmen von Pro Generika respektieren geistiges Eigentum und die Patentrechte daran ohne Wenn und Aber. "Sie sehen allerdings mit großer Sorge, dass Originatoren nicht zuletzt wegen stockenden Nachschubs an innovativen Produkten mit allen Mitteln versuchen, ihre Patente auszuweiten und zu schützen. Sie schrecken dabei auch vor offensichtlichem Rechtsmissbrauch nicht zurück", so Schmidt. Diesen Auswüchsen trete die EU-Kommission zu Recht entgegen. Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), warnte davor, durch die vorläufigen Feststellungen der Europäischen Kommission das Patentsystem in Frage zu stellen: "Der Ruf der EU-Kommission nach mehr Wettbewerb in der Pharmabranche wird vom BPI geteilt. Dabei müssen jedoch die Besonderheiten des hochregulierten Pharmamarktes berücksichtigt werden. Patente sind das Fundament für Innovationen im Sinne der Patienten." Arthur J. Higgins, Chef des europäischen Pharmaverbands EFPIA und CEO von Bayer HealthCare, wies die Vorwürfe des Berichts zurück: "Der Zwischenbericht spiegelt den komplexen und stark regulierten Pharmamarkt nicht angemessen wider". Auch den Grad sowie die Gründe für die Verzögerung von Generika-Markteintritten, hält Higgins für übertrieben. Nach Untersuchungen der EFPIA kommen Generika in der Regel bereits nach vier oder weniger Monaten auf den Markt.
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