Gesundheitspolitik

Saarländisches Landrecht

Christian Rotta

Es kommt nicht oft vor, dass eine Dissertation für Wirbel sorgt. Die jetzt veröffentlichte Arbeit von Wolfgang Kiefer dürfte ein solcher Fall sein – und die Auseinandersetzung um das "saarländische Landrecht", an dessen Wesen Europa apothekenrechtlich genesen soll, noch einmal deutlich zuspitzen. Hoffentlich noch rechtzeitig vor der Urteilsverkündung des Europäischen Gerichtshofs zum Fremdbesitzverbot am 19. Mai – ganz sicher aber mit genügend Vorlaufzeit, um bei der Landtagswahl im Saarland die richtige Wahlentscheidung treffen zu können – zeichnet Kiefer den dubiosen Verfahrensweg nach, der im Juli 2006 im Hause Hecken/Schild (beide CDU) zur Betriebserlaubnis für die DocMorris-Fremdbesitzapotheke in Saarbrü-cken geführt hatte. Die Studie ist umso bemerkenswerter als ihr Autor inzwischen an dem Oberver-waltungsgericht tätig ist, das im Januar 2007 entgegen der Vorinstanz noch sämtliche Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Erteilung der Apothekenbetriebserlaubnis an DocMorris zurückgewiesen hatte.

Mit der einem erfahrenen Verwaltungsrichter eigenen Souveränität demaskiert Kiefer in seiner Arbeit Schritt für Schritt die unter dem Deckmantel des Gemeinschaftsrechts kaum verhüllten politischen Motive des DocMorris-Deals. Dass ihm dies ohne Schaum vor dem Mund gelingt und er sich stattdessen kühl und ausschließlich am geltenden Recht orientiert, machen seine Ausführungen so überzeugend. Die Verfehlungen, die Kiefer im Zusammengang mit der erteilten Betriebserlaubnis an DocMorris seinem saarländischen Ministerium für Justiz (!), Arbeit, Gesundheit und Soziales entgegen hält, sind gewichtig: Getrieben vom politisch erwünschten Ergebnis (nämlich DocMorris zum vermeintlichen Vorteil des eigenen Bundeslandes eine Betriebserlaubnis zu erteilen – wo sind eigentlich die 300 versprochenen Arbeitsplätze der neuen Celesen geblieben??) haben die selbsternannten Europarecht-Spezialisten – mit einem eigens in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten unter dem Arm – nicht nur die Voraussetzungen verkannt, unter denen Verwaltungsbehörden in selten Ausnahmefällen nationale Vorschriften ignorieren dürfen. Sie haben auch massiv gegen den Verfassungsgrundsatz der Bundestreue und das Erfordernis verstoßen, sich in der grundlegenden Frage des apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbotes mit den anderen Bundesländern abzustimmen. Kurzum: Ihrem Rechts- und Verfahrenskonstrukt mangelte es an der erforderlichen Sorgfalt – trotz (oder wegen?) einer innerministeriellen Geheim-AG unter Beteiligung von DocMorris (was als solches schon ein Skandal ist, vgl. DAZ Nr. 34/2006). Als bloße Verwaltungsbehörde unter Berufung auf die Optiker-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs eigenmächtig und frei nach der Devise Pille = Brille das in Deutschland und weiten Teilen Europas geltende Apothekenrecht aus den Angeln heben zu wollen, ist nicht nur politisch anmaßend. Auch das Recht ist dabei auf der Strecke geblieben – und zwar unabhängig davon, welche materiell-rechtliche Entscheidung der Europäische Gerichtshof am 19. Mai treffen wird. Dies nachgewiesen zu haben, ist das Verdienst der mutigen Arbeit Kiefers.


Christian Rotta

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