Wirtschaft

DAX unter Druck

Anleger suchen Schutz bei "defensiven Titeln" – konjunktursensible Aktien auf der Verliererseite

(hps). Wer heutzutage als Unternehmen die Erwartungen der Anleger enttäuscht, wird gnadenlos abgestraft. So wurde der DAX-Titel Kali und Salz aufgrund schlechter als erwartet ausgefallener Zahlen binnen zwei Tagen um knapp 20 Prozent zurückgestuft. Während die Verantwortlichen in Politik und Notenbanken ihre Zukunftserwartungen immer noch an halbseidenen Vertrauensindices festmachen, herrschst in der realen Wirtschaft eine ganz andere Tonart.

Umschichtungen Der Bund Future zeigt seit März starke Kursrückgänge bei Anleihen an …
… zeitgleich verzeichneten die DAX-Werte einen bemerkenswerten Anstieg.

Grafiken erstellt aus Internetdaten (www.onvista.de), daher keine punktgenauen Angaben.

Anfang letzter Woche schien es noch so, als sei auch der letzte Bär am Parkett umgefallen. "Es wird wohl weiter aufwärts gehen", so der nahezu einhellige Tenor der Analysten. Und die dabei angeführte Begründung lautete schlicht und ergreifend: Weil es mit dem DAX bislang nicht abwärts ging. Die schlechten Nachrichten lägen an sich schon alle auf dem Tisch, also sollte einem weiteren DAX-Anstieg eigentlich nichts im Wege stehen, resümierte die Landesbank Baden-Württemberg. Doch ganz so wolkenlos blieb der Börsenhimmel dann doch nicht. Der Ölpreis bereitete einigen Teilnehmern Sorgen. Wenn schon nicht direkt auf die Wirtschaft, drückt er doch zumindest auf die Stimmung der Konsumenten. Zumal sich das Schwarze Gold von der realen Nachfragesituation nun endgültig abgekoppelt zu haben scheint. Den Öl-Haussiers kamen da die Unruhen im Iran gerade recht. Unbehagen aber auch mit Blick auf die hohen US-Anleihenrenditen. Diese verteuern nicht nur die Unternehmensfinanzierung, sondern lassen festverzinsliche Anlagen als durchaus attraktive Anlagealternative erscheinen. Und schließlich war es der andiskutierte Rückzug der G8-Regierungen aus den staatlichen Stützungsaktionen, der die Anleger um die Nachhaltigkeit der Wirtschaftswende fürchten ließ. Der Streit um die Rücknahme der Stimuli schärfte bei den Anlegern das Bewusstsein für die Tatsache, dass das zarte Wirtschaftspflänzchen seine Existenz einzig dem staatlichen Dünger zu verdanken hat. Die Erkenntnis macht sich nun auch am Parkett breit: Die wirtschaftliche Talsohle mag ja dank der Hilfspakete erreicht sein, aber es fehlen die Konsumenten.

Aus der Perspektive der Analysten

Die Nachrichtenlage an der Börse ist derzeit dünn. Die meisten Analysten verbinden damit die Hoffnung, dass der Markt entsprechend wenig mit Hiobsbotschaften belastet wird und so einem weiteren Kursanstieg durch den viel beschworenen Anlagedruck der institutionellen Anleger nichts im Wege steht. So sieht es auch die amerikanische JP Morgan und wertet zudem das Überwinden der charttechnisch bedeutsamen 200-Tage-Linie im DAX als Kaufsignal. Ellwanger &Geiger vertrauen auf die verbesserten Fundamentaldaten und sehen dadurch die Börse gegen gravierende Rückschläge gewappnet. Die Stuttgarter vermuten sogar, dass die dünnen Börsenumsätze eine Rallye auslösen könnten, da derzeit bereits eine geringe Nachfrage schon zu relativ stark steigenden Kursen führt. Nicht ganz so euphorisch gibt sich Lang &Schwarz. Die Wertpapierhandelsbank sieht den DAX sich "nach oben mogeln". Die Experten von Pioneer Investments scheinen dagegen bereits im siebten Börsenhimmel zu schwelgen. Sie sehen eine neue Blüte am Aktienmarkt und eine dauerhafte Erholung der Kurse mit zweistelligen Renditen auf Sicht der kommenden fünf Jahre. Grundsätzlich zeigen sich die meisten Analysten davon überzeugt, dass die Aktienmärkte in einer Konsolidierungsphase nicht mehr als 10 Prozent abgeben werden. Die meisten sehen bereits bei rund 4650 Punkten im DAX schon wieder Einstiegskurse. Gegen einen nachhaltigeren Fall spreche der Anlagedruck der Geldsammelstellen sowie der statistische Erfahrungswert, dass an der Börse in Rezessionsjahren am Ende fast immer der Optimismus mit der Aussicht auf bessere Zeiten siege.

Börsen: Der Treibstoff geht aus

"Raus aus den Anleihen" war seit März die Devise, vor allem bei amerikanischen Staatsanleihen. Von einer neu entdeckten Freude an risikoreicheren Investments ist dabei nur bedingt zu sprechen. Vielmehr hatte die maßlose Verschuldung des US-Staatshaushalts das Vertrauen in die Amerikaner als Schuldner erschüttert. Russland mit 400 Milliarden und China mit knapp 800 Milliarden Dollar in US-Staatsanleihen wollen jetzt ihre Abhängigkeit vom Dollar reduzieren und versuchen ihre Geldanlagen zu diversifizieren. Beide Länder engagieren sich zwar noch in US-Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten, weil sich hier das Risiko noch übersehen lässt, meiden jedoch eindeutig die längeren Laufzeiten. Infolge des Ausverkaufs bei festverzinslichen Wertpapieren stieg die Rendite der zehnjährigen US-Staatspapiere auf beachtliche 4 Prozent – mit gravierenden Konsequenzen für die US-Hypothekenzinsen und Unternehmensfinanzierungen, deren Zinsgestaltung sich grundsätzlich an der Rendite der zehnjährigen US-Treasuries orientiert.

Zeitgleich mit Beginn der Talfahrt bei den Anleihen setzte im März an den Aktienbörsen die Wende zum Besseren ein. In Deutschland liefert der sogenannte "Bund Future" einen Hinweis auf die Entwicklung bei den Festverzinslichen und auch hier das gleiche Bild (siehe nebenstehende Grafik): Ab März setzte beim Bund Future eine gewaltige Verkaufswelle ein. Die dabei freigewordenen Gelder sind dabei ganz offensichtlich zum großen Teil in Aktien umgeschichtet worden, was dem DAX dann ein ansehnliches Plus von ca. 40 Prozent einbrachte. Nun haben wir eine neue Ausgangssituation: Die Zweifel an einer nachhaltigen Wirtschaftserholung werden immer lauter, während der DAX aber eine solche längstens eingepreist hat. Andererseits erscheinen Anleihen bei dem derzeitigen Renditeniveau durchaus nicht unattraktiv. Vor allem aber sind sie sicher. Eine gewisse Stabilisierung ist bei den Anleihenkursen bereits auszumachen. Es wäre also nur folgerichtig, wenn die Gelder nun wieder in den "sicheren Hafen" zuflössen. Dabei werden die Anleger zweifellos auch weiterhin längerfristige Anleihen meiden, womit sich die Refinanzierungsproblematik bei Hausbauern und Unternehmen in den USA weiter zuspitzen dürfte. Es waren wohl kurzfristige Gelder, die da an der Börse vorübergehend eine neue Heimat gefunden hatten. Auch die niedrigen Börsenumsätze deuten darauf hin, dass da keine Überzeugungstäter am Werk waren. Jetzt aber scheinen die Kapitalströme erneut die Richtung zu wechseln.

Musterdepot und Strategie

Neue Chance für jene, die auf fallende Kurse bei Konsumaktien setzen: Der Henkel Put der Citigroup (WKN CG4XXB) verfügt über eine um einen Monat längere Laufzeit als der schon bestehende Henkel-Schein. Die Basis von 21 Euro liegt nahe am Geschehen (aktuell 22 Euro). Eine nachhaltige Kurskorrektur bei Henkel ist überfällig und fällt erfahrungsgemäß kräftig aus. Den SAP -Put stellen wir dagegen mit einem Plus von 91 Prozent glatt. Für die Scheine von Caterpillar, Deutsche Börse undMetro (Juni-Fälligkeit) kam die Kurskorrektur zu spät. DAX am 18. Juni (13.00 h): 4779 Punkte.

Aktie
zum
Kurs
Tipp
vom
Kurs
aktuell
Veränderung
in %
Strategie
DWS Russia
74,38
14.01.
107,83
+ 45%
Verkauft 29.4.
ThyssenKrupp Put
0,12
28.01.
0,13
+ 8%
Verkauft 20.2.
Lufthansa Put
0,09
28.01.
0,10
+ 11%
Verkauft 20.2.
Telecom Put
0,48
04.02.
0,76
+ 58%
Verkauft 12.2.
RWE Put
0,25
04.02.
0,35
+ 40%
Verkauft 12.2.
Metro Put
0,12
25.02.
0,18
+ 50%
Verkauft 2.3.
ThyssenKrupp Put
0,11
11.03.
0,17
+ 29%
Verkauft 1.4.
M.A.N. Put 6/09
0,15
29.04.
0,22
+ 47%
Verkauft 14.5.
BMW Put 6/09
0,16
27.04.
0,48
+ 200%
Verkauft 14.5.
BMW Put 5/09
0,18
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Bayer Put
0,31
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 5/09
0,13
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
Salzgitter Put
0,28
18.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put
0,37
25.03.
0,00
Verlust
ausgebucht
SAP Put
0,08
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Deutsche Bank Put
0,32
01.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Metro Put 6/09
WKN: CM2JUG
0,21
16.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Deutsche Börse Put 6/09
WKN: CM1KEZ
0,26
20.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
Caterpillar Put 6/09
WKN: CG3DFN
0,15
23.04.
0,00
Verlust
ausgebucht
RWE Put 6/09
WKN: AA1AE0
0,18
13.05.
0,00
Verlust
ausgebucht
Henkel Put 7/09
WKN: CM3PRW
0,02
21.05.
0,02
+/– 0%
Kaufen
Metro Put 09/09
WKN: DB94LX
0,18
28.05.
0,26
+ 44%
Kaufen
SAP-Put 08/09
WKN: GS10NS
1,30
04.06.
2,48
+ 91%
Verkauft 17.6.
BMW Put 08/09
WKN: CG4XRR
0,15
11.06.
0,24
+ 60%
Kaufen
Henkel Put 08/09
WKN: CG4XXB
0,076
18.06.
neu
Kaufen
zum Vergleich:
DAX seit 8. 1.
4871,00
4779,00
– 2%
Die Angaben zu Aktienkäufen im Musterdepot und im Artikel sind nur fiktiv zu verstehen, es handelt sich dabei keinesfalls um Kaufempfehlungen.

Aus der Sicht des Querdenkers


Das Bedauerliche an dieser Wirtschaftskrise ist, dass die Verantwortlichen daraus nichts gelernt haben. Sie sitzen alle schon wieder im Spielkasino. Mit Fehleranalysen hat man sich nicht lange aufgehalten. Für verpatzte Übernahmeversuche werden entweder die Steuerzahler angebettelt oder man kriecht dafür eben in Katar zu Kreuze. Die Forderung nach 25 Prozent Eigenkapitalrendite ist wieder salonfähig und der DAX wird ohne jede fundamentale Rückendeckung um 40 Prozent nach oben getrieben. Fragt man indes die Profis nach den treibenden Kräften hinter dem jüngsten Kursanstieg, will es keiner gewesen sein. Als hätte man es mit einer mächtigen internationalen Verschwörung namens "die anderen" zu tun. Stattdessen verweisen die Optimisten gerne auf die hohe "Cashquote", die angeblich in Geldmarktfonds schlummert und 16 Prozent der gesamten Börsenkapitalisierung ausmachen soll. Und schon wieder spiegeln sich in den Augen der Börsianer die Dollarzeichen wider.

Für die Börse wird es jetzt spannend. Einmal, weil man den Faktor Staatsverschuldung bislang völlig unterschätzt hat. Wenn Regierungen, die bislang ihre schützende Hand über die Wirtschaft gehalten haben – und so in der derzeitigen Phase den einzig nennenswerten Beitrag zum Wirtschaftswachstum geleistet haben – Schwierigkeiten bei der Refinanzierung bekommen, kann das die Börse nicht mehr ignorieren. Des Weiteren ist das jetzige Kursniveau an den Weltbörsen durchaus als ambitioniert zu bezeichnen. Was aber, wenn die bereits eingepreiste Erholung der Weltwirtschaft ausbleibt? Das viel beachtete Barometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragt jeden Monat 300 professionelle Anleger und Analysten. Und die befanden die Situation im Juni als "erhellend". Man muss sich schon fragen, ob die Herrschaften nicht vielleicht etwas geraucht haben. Letzte Woche sagte Siemens-Chef Peter Löscher gegenüber "The Times", es sei kein Ende der Krise in Sicht. Demnach gibt es bei dem Münchner Weltkonzern keinen einzigen Geschäftsbereich, der einen verlässlichen Hinweis auf ein Ende der Krise liefern könnte. Aber die Börse glaubt natürlich eher den Finanzjongleuren, weil auf die ja in jüngster Zeit auch so furchtbar viel Verlass war. Auf kurze Sicht kann man jedenfalls feststellen, dass die Börse aus dem Tritt geraten ist. Die Rückkäufe zu niedrigeren Kursen bleiben bislang aus. Mit dem Bruch der 4800er Marke deutet sich für den DAX weiteres Abwärtspotenzial an. Frühestens bei 4700 Punkten ist eine leichte Gegenwehr der Optimisten zu erwarten. Die eingeleitete Abwärtsbewegung werden sie aber nicht aufhalten können. Der DAX dürfte zunächst in Richtung 4400 Punkte unterwegs sein.


Peter Spermann


Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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