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- AZ 31/2009
- Zauberformel Wettbewerb
Zauberformel Wettbewerb?
Im Auftrag des BMF haben die Professoren Eberhard Wille und Bert Rürup sowie das IGES-Institut und das DIW Berlin das Gesundheitswesen unter die Lupe genommen. "Effizientere und leistungsfähigere Gesundheitsversorgung als Beitrag für eine tragfähige Finanzpolitik in Deutschland" lautete das Thema. Das Fazit der Wissenschaftler: Der Wettbewerb zieht zwar mehr und mehr ins Gesundheitswesen ein, doch noch immer schlummern dort erhebliche Effizienzpotenziale – vor allem im stationären Bereich, aber auch in der Arzneimitteldistribution. Aus Sicht der Autoren sollten Gesundheitsreformen im Sinne der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen "denjenigen Anteil an den Ausgabensteigerungen beseitigen, der seine Ursachen in effizienzmindernden Organisations- und Anreizstrukturen hat". Dazu sei ein funktionsfähiger Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern einerseits und den Krankenkassen andererseits notwendig. Die vergangenen Reformen böten hierfür bereits an einigen Stellen die richtigen Ansätze. Es bedürfe jedoch einer weiteren Stärkung wettbewerblicher Organisationselemente in der GKV – insbesondere die Ausweitung von Selektivverträgen und die Anwendung des Wettbewerbs- und Kartellrechts.
Wettbewerbsmängel der Apotheken
Um die Kritik am Apothekensystem zu finden, muss man die Kurzfassung des Forschungsberichts verlassen und tiefer in das Gutachten schauen. In der von drei IGES-Wissenschaftlern verfassten Einleitung heißt es, in der Arzneimitteldistribution gebe es "zwei grundlegende Wettbewerbsmängel", die für Effizienzeinbußen verantwortlich seien: das Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie der fehlende Preiswettbewerb im Bereich der verschreibungspflichtigen Arzneimittel. In einem späteren Kapitel empfiehlt Prof. Wille konkret die Einführung apothekenindividueller Handelsspannen. Statt fester Zuschläge sollte es eine erstattungsfähige prozentuale Apothekenfestspanne geben, die sich aus den durchschnittlichen Vertriebskosten und einem "angemessenen" Unternehmerlohn für den gesamten Arzneimittelvertrieb zusammensetzt. Darüber hinaus könnten Apotheken individuelle Spannen kalkulieren, die sie sich mit dem Großhandel teilen – diese Spanne könnte aber auch die Festspanne unterschreiten. Damit Apotheken zudem "ihre wettbewerblichen Spielräume im Sinne der Patienten nutzen", möchte Wille ihnen die Möglichkeit einräumen, die Patientenzuzahlung zu ermäßigen oder zu erhöhen. Allerdings konstatiert der Gesundheitsökonom ganz recht, dass mit den jüngsten Reformen keine vergleichbaren Schritte unternommen wurden bzw. derartige Absichten schnell wieder in der Versenkung verschwanden. Bislang ist auch nicht ersichtlich, dass eine künftige Regierung diesen Ratschlägen folgen wird. Jedenfalls erwartet auch Wille nicht, dass nach der Bundestagswahl am Fremd- und Mehrbesitzverbot gerüttelt wird.
Im jüngst vorgelegten Gutachten des Gesundheits-Sachverständigenrates, dessen Vorsitz Prof. Wille innehat, war der Tonfall noch ein anderer und der Fremd- und Mehrbesitz von Apotheken eher ein Randthema. Das bestehende Verbot wurde nicht verteufelt und die Liberalisierung auch nicht als die Lösung von Effizienzproblemen herausgehoben. Vielmehr sei die Organisationsform der Apotheke weitgehend egal – Hauptsache, der Apotheker entwickele seine Rolle weiter und bringe sich aktiv als pharmazeutische Berater in den Versorgungs-Netzwerken der Zukunft ein. Auch die Vergütungsfrage wurde hier gänzlich anders beleuchtet (siehe AZ Nr. 28, 2009, S. 3).
Rabattverträge – Vorreiter der Einzelverträge
Im nun für das BMF erstellten Bericht nehmen Wille und seine Co-Autoren einen deutlich ökonomischeren Blickwinkel ein. Ihre Forderung nach mehr Vertragswettbewerb sehen sie im Bereich der Arzneimittelversorgung bislang am stärksten durchgesetzt. Der durch die Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 SGB V verschärfte Preiswettbewerb wirke eindeutig effizienzerhöhend – jedenfalls dann, wenn die Arzneimittelversorgung ohne Qualitätseinbußen aufrecht erhalten werden kann. Und hier sehen die Gutachter durchaus ein Problem. Nicht jeder Patient verträgt die Umstellung auf ein Rabattvertragspräparat, nicht jeder bleibt beim Wechsel therapietreu. Hier spielen also Faktoren mit, die wiederum effizienzmindernd wirken können.
Effizienzpotenziale noch nicht optimal genutzt
Darüber hinaus schöpfe die derzeitige Verengung des Wettbewerbs auf Preise unterhalb des Festbetrags – im Wesentlichen also das generikafähige Marktsegment – nicht die eigentlichen Effizienzreserven des Vertragswettbewerbs in der Arzneimittelversorgung aus. Insbesondere vermuten die Gutachter weitere Sparmöglichkeiten in den Bereichen, "in denen Arzneimittel als prinzipiell gegenseitig substituierbar angesehen werden können, aber dennoch in qualitativer Hinsicht Unterschiede aufweisen können." Für diesen Bereich der Arzneimittelversorgung schlagen Wille, Rürup & Co. vor, dass die Entscheidung über Voraussetzung und Höhe der Erstattung einem wettbewerblichen Prozess ausgesetzt und stärker dezentralisiert wird. Auf diesem Wege könnte dann, so die Gutachter, die Festbetragsregulierung als auch eine zentrale Kosten-Nutzen-Bewertung obsolet werden. Hochinnovative Spezialpräparate können nach Ansicht der Autoren – zumindest vorerst – nicht Gegenstand des Vertragswettbewerbs sein, da sie in der Regel therapiebezogene Alleinstellungsmerkmale aufweisen. Hier soll zunächst die Wirkung der Kosten-Nutzen-Bewertung abgewartet werden, bevor weitere, auf Wettbewerb ausgerichtete Reformschritte, unternommen werden.
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