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- AZ 40/2009
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DAX in dünner Höhenluft
Der Höhenflug wird an Schwung verlieren – das war schon so ziemlich die pessimistischste Äußerung, die letzte Woche Analysten zu entlocken war. Der Wermutstropfen dabei: Die Handelsumsätze blieben unverändert schwach. Noch immer hofft man am Parkett auf die gro-ßen institutionellen Anleger. Aber wollen sich die überhaupt noch im großen Stil wie früher im Aktienmarkt engagieren? Die Experten der Postbank haben da ihre Zweifel.
Andere Analysten wiederum bauen indes unverändert auf den Einstieg der Geldsammelstellen und träumen schon von einer Jahresendrallye. In den Augen der Optimisten nimmt dieses Fantasiegebilde immer mehr Gestalt an. Doch Vorsicht! Das Zinsgespenst geht um. Noch vor der Jahreswende, so einige Experten, könnte die Teuerungsrate Richtung drei Prozent marschieren. Die Notenbanken kämen dann unter massiven Druck. Und das wäre dann vermutlich auch das Ende der Börsenhausse. Noch deutlicher wird da Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank: Das "erste U" habe man dank der Abwrackprämie überwunden, doch die Konjunktur sei nun von zwei weiteren Einbrüchen bedroht. Und der Volkswirt hat dafür einen erstaunlich genauen Zeitplan parat: Noch im Winter soll die steigende Arbeitslosigkeit dem Handel übel zusetzen. Danach erwartet Walter gegen Ostern den Ausstieg der Zentralbanken aus der Stimulierungspolitik, was seiner Ansicht nach die Konjunktur erneut an den Rand des Abgrunds bringen wird.
Doch in solche Details wollen sich die Investoren derzeit nicht verstricken. Dem Parkett reicht allein schon die Zusicherung der amerikanischen Notenbank, dass das billige Geld weiter fließen wird.
Aus der Perspektive der Analysten
Unter den Analysten dominiert klar die Einschätzung, dass die liquiditätsgetriebene Hausse – trotz kleinerer Rücksetzer – nur den Weg nach oben kennen kann. Nur ein Institut schert aus: Die Deutsche Bank warnte zu Beginn der letzten Woche vor einem Absturz im DAX. Mit Bangen sehen die Experten des größten deutschen Geldinstituts dem Zeitpunkt entgegen, an dem die Notenbanken die in den Markt gepumpte Liquidität wieder abziehen werden. Und das, so die Experten, sei bereits absehbar. Auch die HSH Nordbank tut sich schwer, die hochtrabenden Aktienkurse mit der tatsächlichen Lage in Übereinklang zu bringen. Zum Jahresende sieht sie den DAX bei vergleichsweise bescheidenen 4850 Punkten. Mit dieser Bärenhaltung können sich allerdings die Analysten der Hessischen Landesbank nicht anfreunden. Für sie stehen die Börsenampeln auf Grün. Ohne größere Rücksetzer sehen sie den DAX auf Jahressicht auf über 6000 Punkte zusteuern. Dieses optimistische Szenario wird auch von den Charttechnikern unterstützt. Sie taxieren den nächsten großen Widerstand auf 5930 DAX-Punkte. Und welchen Einfluss wird die Bundestagswahl auf das Börsengeschehen in Frankfurt haben? Zwar favorisiert die Börse Schwarz-Gelb. Aber die Profis wissen auch: Politische Börsen haben – so oder so – nur kurze Beine.
Musterdepot und Strategie
Als Nachzügler wurde nun auch Lufthansa nach oben gesetzt. Bei Kursen oberhalb der 12 Euro-Marke dürfte allerdings selbst für den Kranich die Luft ziemlich dünn geworden sein. Die Strategie der "konservativen" Optionsscheine beibehaltend, wird der Put der Citigroup (WKN 5SWR) mit einer Laufzeit bis November und einer Basis von 12 Euro (aktuell: 12,30) aufgenommen.
DAX am 24. September (14.30 h): 5725 Punkte.
Aktie |
zum Kurs |
Tipp vom |
Kurs aktuell |
Veränderung in % |
Strategie |
SAP Put 10/09
WKN: CG5NWL
|
0,11 |
02.09. |
0,08 |
– 27% |
Halten |
BMW Put 11/09
WKN: CG5RWU
|
0,19 |
09.09. |
0,20 |
+ 5% |
Kaufen |
Bayer Put 12/09
WKN: DB68DS
|
0,30 |
17.09. |
0,37 |
+ 23% |
Kaufen |
Adidas Put 11/09
WKN: CG74HM
|
0,21 |
17.09. |
0,21 |
+/– 0 |
Kaufen |
Lufthansa Put
WKN: CG5SWR
|
0,05 |
24.09. |
neu |
Kaufen |
|
zum Vergleich: DAX seit 8. 1. |
4871,00 |
5725,00 |
+ 17% |
Aus der Sicht des QuerdenkersNun dürfte es langsam interessant werden. Der DAX stolpert mühsam der 6000er-Marke entgegen und der Crashmonat Oktober steht vor der Tür. Noch wähnen sich die Optimisten dank der weit geöffneten Geldhähne der Notenbanken auf der sicheren Seite. Die paar wenigen Rücksetzer, die der DAX seit August bislang locker weggesteckt hat, werden von den Bullen zwischenzeitlich nur noch als "homöopathisches Minus" tituliert. Unterdessen verschärft sich die Polarisierung zwischen fundamentaler Datenlage und Kursgeschehen. So fielen Japans Exporte im August zum elften Mal in Folge. Die Ausfuhren gingen um über 36 Prozent gegenüber Vorjahr zurück. Die Experten führen dies auf die nachlassende Wirkung der Konjunkturpakete zurück und zeigen sich verwundert, dass die milliardenschweren Hilfspakete bislang keine größere Wirkung erzielen konnten. Gleichzeitig flaut die Zuversicht im IFO-Geschäftsklimaindex zusehends ab. Man beginnt offensichtlich langsam zu begreifen, dass der Aufschwung nicht nachhaltig ist.
In diesem Umfeld sehen sich die Regierungen aber gezwungen, ihre Unterstützungsmaßnahmen zurückzufahren. Die Verschuldungssituation lässt hier keine andere Wahl. Die Schlüsselrolle kommt indes der amerikanischen Notenbank (FED) zu. Sie tut zwar lautstark kund, dass die Zinsen auch mittelfristig niedrig bleiben sollen. Doch am Markt setzt sich immer mehr die Ansicht durch, dass das Anwerfen der US-Notenpresse mit Sicherheit über kurz oder lang Inflation erzeugen werde und ein frühzeitiges Handeln die Glaubwürdigkeit der FED eher untermauern würde. Die Kritiker verweisen hier auf vorangegangene Blasen wie z. B. die Technologieblase, welche in den Jahren 2000 bis 2003 für heftige Kursverluste an den Börsen sorgte. Nun nähre das billige Geld bereits die nächste Blase am Aktienmarkt. Und dass die seit März haussierenden Kurse rein liquiditätsgetrieben sind, wird wohl niemand ernsthaft bezweifeln wollen. Somit steht sich die Börse künftig selber im Weg: Jeden Tick, den DAX und Dow Jones jetzt noch weiter nach oben gehen, bringt gleichzeitig die Notenbank unter Handlungsdruck – ganz gleich, wie oft die FED hier ihr Lippenbekenntnis erneuert. In dieses Bild passt denn auch die Sorglosigkeit, die am Parkett momentan ostentativ gespielt wird. Sie war schon immer die Grundlage für böse Überraschungen.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.
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