Stolpersteine in der Beratung überwinden

Mit welcher inneren Haltung gelingt die Kundenberatung in der Apotheke?

Wenn Sie eine Kundin erfolgreich beraten haben – wen machen Sie für diesen Erfolg verantwortlich? Und wenn ein Beratungsversuch gescheitert ist – wem geben Sie die Schuld? Für die Beratung von Kunden bzw. Patienten spielt die innere Haltung des Apothekenpersonals eine wesentliche Rolle. Motivierte Apothekenteams kennen das: Obwohl alle wissen, was "theoretisch" richtig gewesen wäre, bedauert man in der Praxis immer wieder, dass die guten Absichten manchmal so schwer umzusetzen sind.

Vera NaumannFoto: privat

Tipps für Kommunikation und Beratung beziehen sich häufig auf "Fälle", "Situationen", "Kundentypen" oder auch auf konkrete Produkte. Als Leser bekommt man (Gesprächs-)"Techniken", "Methoden" oder "Werkzeuge" angeboten, die man gewissermaßen sammeln kann. Wer dann im Arbeitsalltag schnell genug nach dem passenden Werkzeug greift, erhofft sich davon, die jeweilige Situation erfolgreich zu meistern, was auch oft gelingt. Ein Vorteil dieser Arbeitsweise ist, dass sie so konkrete Handlungsempfehlungen gibt.

Ein Nachteil ist aber, dass in der reichlichen Vielfalt des Apothekenalltags immer wieder Situationen auftreten, in denen keine passende Methode verfügbar zu sein scheint, oder dass den Apothekern, Apothekerinnen PTAs und PKAs erst nachher einfällt, was sie hätten tun können – also zu spät. Deswegen wünschen sich übrigens viele Teilnehmer in Rhetorikkursen, "schlagfertiger" zu sein. Dahinter steckt die Vorstellung, dass man dann schnell genug eine passende Antwort finden würde.

In diesem Beitrag möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre innere Haltung in und vor Beratungssituationen lenken und die Techniken direkt daraus ableiten – also nicht von der Kunden- oder Patientenseite, sondern von der Seite der Beratenden aus. Ich stelle mir vor, dass Sie im besten Sinne und mit bestem Wissen Ihre Kunden beraten möchten, dass Sie dies im Bewusstsein heilberuflicher und unternehmerischer Verantwortung tun, und dass Sie es gerne tun. Soweit die "Theorie".

Für Ihren Arbeitsalltag nehme ich an, dass diese guten Absichten oft herausgefordert werden, und dass Sie in der Praxis noch nicht jeden Tag diese fließende Leichtigkeit erleben, mit der Sie einen ganzen Tag lang Ihre Kundinnen und Kunden erfolgreich beraten und versorgen – ein Tag, nach dem Sie sagen, "heute lief’s einfach gut!"

Wer ab und zu mal einen schlechten Tag hat, weiß von sich, dass trotz bester Fachkenntnisse auch die eigene Einstellung eine Rolle für den Beratungserfolg spielt. Natürlich ist es leichter, an solchen Tagen die Umstände, die Lieferanten, den Wettbewerb oder andere Menschen dafür verantwortlich zu machen, wenn sie Zeitdruck verbreiten, unfreundlich oder unfair sind, nicht zuhören oder nicht beherzigen, was man ihnen sagt. Aber es wäre unklug, die eigene Beratungskompetenz von idealen Bedingungen abhängig zu machen. Das kommt einer inneren Kündigung gleich.

Die innere Haltung – was ist mir für die Beratung meiner Kunden wichtig? – hängt bei Weitem nicht nur von der eigenen Tagesform ab. Wir kultivieren unser persönliches Leitbild oder Glaubensbekenntnis (Credo) ständig, meistens unbewusst. Genau an dieser Stelle liegt ein Schlüssel zum Erfolg! Schauen Sie also genau hin … Wovon hängt Ihr Beratungserfolg Ihrer Meinung nach ab?

Frauen schreiben Erfolg seltener sich selbst zu

"Die Kundin war wirklich interessiert, sie hatte so viele Fragen. Klar wird meine Beratung dann erfolgreich, ich muss ja bloß antworten!" Diese Zuschreibung auf den anderen hin nennt die Psychologie Fremdattribution. Bereits bei Schulkindern werden geschlechtsbezogene Unterschiede auffällig: Mädchen, die in einem Test gut abschneiden, sagen eher "der war ja auch nicht so schwer" als "ich habe genau das Richtige gelernt". Bei Misserfolgen sind Frauen jedoch selbstkritisch, übertrieben ausgedrückt: "Ich bin schuld, wenn der andere mich schlecht behandelt." Selbstattribution heißt diese Sichtweise, das eigene Verhalten als Ursache zu sehen.

Männer schreiben Erfolg öfters sich selbst zu, als Frauen dies tun: "Die Kundin stellte spezielle Fragen, genau dafür bin ich ausgebildet. Deswegen konnte ich sie erfolgreich beraten." Männer beziehen ihre Erfolge viel eher auf die eigene Leistung. Bei Misserfolgen müssen dagegen eher andere als Ursache herhalten, z. B. äußere Umstände oder das Verhalten des Gesprächspartners: "Der Kunde hatte ein Problem, das die Apotheke eigentlich nichts angeht." Männer machen also für ihren Erfolg eher ihre eigene Leistung verantwortlich; Frauen sehen ihren Erfolg öfter als Glück.

Hier können beide Geschlechter voneinander lernen, indem sie sich sowohl bei Erfolgen als auch bei Misserfolgen fragen: Welchen Anteil hatte ich selbst daran, dass die Situation so ausgegangen ist? So gewinnt man weitere Handlungsmöglichkeiten und kann die eigenen Erfolgschancen realistischer einschätzen.

Typische Stolpersteine …

Wer den Grund für erfolgreiche oder erfolglose Beratung überwiegend außerhalb von sich selbst sucht (= Fremdattribution), z. B. bei seinem Gegenüber, lässt einen Teil seiner Ressourcen ungenutzt. Betrachten wir zunächst, welche Selbstsuggestionen eine erfolgreiche Kundenberatung erschweren, und zwar noch bevor der Kunde überhaupt die Apotheke betreten hat!

1. Die Zeit reicht nicht.

2. Der Kunde will das gar nicht wissen.

3. Das ist zu kompliziert für den Kunden.

Wer seinen Kunden mit diesen inneren Botschaften entgegentritt, befindet sich schon in einem ungesunden Zwiespalt: "Eigentlich will ich ja beraten, eigentlich bin ich dafür auch ausgebildet, aber …" Wenn der Kunde nun die ersten Anzeichen von sich gibt, die auf einen der drei Stolpersteine hinweisen, ist der Zwiespalt entschieden. "Na klar, keine Zeit, ist ja meistens so." Die selbst erfüllende Prophezeihung schlägt sofort zu! Das sind die Situationen, in denen Kundengespräche zu dem Satz gerinnen: "Möchten Sie eine Tüte?"

… die man überwinden kann!

Wo liegt also das bislang ungenutzte Potenzial? Es liegt in dem Selbstvertrauen, dass professionelle Beratung sich auch unter ungünstigen Umständen lohnt und auch dann erfolgreich sein kann. Die erste Veränderung ist die Korrektur der eigenen Brille, mit der wir unseren Alltag betrachten, also eine Veränderung der eigenen Wahrnehmung. Zeitdruck, Desinteresse und mangelnde Gesundheitskenntnisse sind Herausforderungen, mit denen die Apotheke bei der Beratung ja umgehen muss. Wer sie aber so krass wie in den drei Stolpersteinen ausdrückt, steht sich nur selbst im Weg.

Am Dornröschen-Zauber erkennen Sie, wie die Korrektur der Brille funktioniert: "Dornröschen, du musst sterben!" verwünschte die böse Fee die junge Prinzessin. Aber die gute Fee verwandelte den Zauber: "Dornröschen, schlafe hundert Jahr!" Auch wenn die gute Fee den bösen Zauber nicht ganz aufheben konnte, so hat sie ihn doch erheblich abgewandelt. Die drei Stolpersteine sind leichter überwindbar, wenn sie konstruktiv als Herausforderungen formuliert werden:

1. Ich will in kurzer Zeit das Wichtigste ansprechen. (Ein Satz geht immer!)

2. Damit der Kunde etwas von mir wissen will, muss er sofort einen Nutzen in meiner Beratung erkennen.

3. Was ich sage, muss für den Kunden verständlich sein, auch wenn ich weiß, dass die Dinge eigentlich wesentlich komplizierter sind.

Ja, das ist immer noch eine große Herausforderung. Auch im Märchen von Dornröschen musste der Prinz sich erst durch die Dornenhecke kämpfen. Aber er kam durch und hat die Prinzessin wachgeküsst!

Die eigene Dornenhecke in Form schneiden

Ob Sie die Herausforderungen Ihres apothekerischen Beratungsalltags als Dornenhecke sehen, als magischen Wald oder als Wiese mit einigen seltenen Gewächsen, ist übrigens auch schon eine wichtige Entscheidung, um Ihre Wahrnehmung zu lenken. Wenn Sie bei der Dornenhecke bleiben wollen: Auch diese kann man in Form schneiden. (Rosengärtner wissen, dass die Rosenschere die wichtigste Wachstumshilfe für gesunden Wuchs und zauberhafte Blüten ist.)

Schneiden Sie also Ihre Beratungsansätze auf einige wesentliche Stämme zurück, die auch unter widrigen Bedingungen überleben werden, und die unter günstigen Bedingungen wie aufmerksamen, treuen und wissbegierigen Kunden einen soliden Einstieg in ein gutes Beratungsgespräch liefern. Machen Sie diese Kernbotschaften möglichst unabhängig von den Kunden oder von der Situation – wählen Sie das aus, was oft passt. Sobald Sie im Gespräch erkennen, dass Sie den ersten Beratungserfolg erzielt haben, z. B. weil die Kundin Sie erstaunt und fragend anschaut, betrachten Sie dies als Einladung, sich intensiver auf Ihr Gegenüber einzulassen und Ihrem Bild von einer idealen Beratung näher zu kommen.

1. Das Wichtigste ansprechen: "Dieses Medikament wirkt am besten, wenn Sie es genau so einnehmen …"

2. Den Nutzen erkennen lassen: "Ihre Beschwerden vergehen und Sie fühlen sich besser, wenn Sie …"

3. Verständlich bleiben: "Nehmen Sie in den nächsten … Tagen alle Tabletten ein, auch wenn es schon heute besser wird."

Diese oder ähnliche Satzanfänge sollten Sie auswendig können. Solche Sätze passen in den Moment, wenn Sie das Präparat auf den HV legen und der Kunde zum ersten Mal danach greift; schlimmstenfalls auch noch, solange die Kundin ihren Geldbeutel aufmacht. Warten Sie nicht auf den idealen Moment für die ideale Beratung – zeigen Sie, dass es bei Ihnen etwas Hilfreiches zu erfahren gibt. Verkleinern Sie Ihre Stolpersteine, stutzen Sie Ihre Hecke. Weiter ausbauen kann man Beratungsansätze immer noch – aber nur, wenn der Ansatz auch begonnen wird.


Vera Naumann, Rohrdorf bei Eutingen, E-Mail: info@vera-naumann.de

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