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- AZ 43/2009
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Aus der Sicht des Querdenkers
Nun hat man den DAX doch noch bis auf Sichtweite der 6000er Marke gebracht und den Dow Jones – zumindest kurzzeitig – über die 10.000er Marke gehievt. Dass dieser Erfolg weniger den Unternehmensgewinnen zuzuschreiben, sondern viel mehr dem billigen Geld der Notenbanken zu verdanken ist, wird dabei von den meisten Marktteilnehmern unumwunden zugestanden. Doch Vorsicht: Wenn etwa der Dow Jones nicht hinter der 10.000er Hürde gleich wieder zusammenbrechen soll, brauchen die Optimisten weiter gutes Zahlenwerk und vor allem eine Perspektive für 2010. Die "kritischen" Unternehmen legen erst ab nächster Woche ihre Zahlen offen. Und die Kernfrage lautet nach wie vor: Wieso sollen im Detail die Unternehmensergebnisse einen strammen Wachstumspfad in 2010 vorgeben, wenn die überwiegende Zahl der Volkswirte für die Gesamtwirtschaft von einer sehr zaghaften Erholungsphase ausgeht?
Und das ist nicht die einzige Ungereimtheit in dieser Hausse. Warum haben die europäischen Unternehmenslenker vor wenigen Jahren bei einem Euro bei 1,30 Dollar noch Zeter und Mordio gerufen und den Export nah am Abgrund vermutet, während heute bei 1,50 kein Mensch mehr auch nur ein Wort darüber verliert? Und was ist mit dem Gold, das auch noch jenseits der 1000 Dollar-Marke munter weiter klettert? Diese Lehre mussten die Märkte bereits letztes Jahr ziehen: Auf mittlere Sicht werden entweder nur die Goldspekulanten oder die Akteure am Börsenparkett recht behalten. In 2008 haben die Käufer des Krisenmetalls das Rennen klar für sich entschieden.
Und wie sieht es mit der Cashquote aus? Nach einer Umfrage unter Fondsmanagern des Investmenthauses Merrill Lynch liegt nun der Cash-Bestand der Investoren auf einem 5-Jahrestief. Das Hauptargument der Bullen, es würde noch so viel Bares an den Seitenlinien lauern, zieht also nicht mehr. So wird man sich also, nach alter Manier, wohl oder übel mit den Fundamentaldaten auseinandersetzen müssen. Vor allem die US-Unternehmen haben mit dem kräftigen Abbau ihrer Personalkosten das überschüssige "Fett" abgetrennt. Manche dürften sich dabei sogar in Knochen oder Muskeln geschnitten haben.
So oder so – dieser Erfolg ist nicht wiederholbar. Aber wo bleibt das organische Wachstum? Es wäre kein Wunder, wenn die Zeiten der "besonnenen Kursrückgänge" vorbei sind und diese nicht mehr von den Institutionellen bedenkenlos zum Wiedereinstieg genutzt werden. Schließlich sollten die Fondsmanager das Alter, in dem man noch bedingungslos an das Christkind glaubt, eigentlich schon überwunden haben.
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.
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