DAX: Hopp oder Top

(hps). Tritt die Rallye jetzt in eine neue Phase oder kommt der große Rückschlag? Während sich der DAX der 6000er-Linie nähert und der Dow Jones mit der 10.000er Marke flirtet, suchen die Investoren in den laufenden Quartalsberichten nach Argumenten für die ein oder andere Richtung. Noch haben dabei die Optimisten die Nase vorn.

(Erst mal) geschafft Der Dow Jones knackte die 10.000er-Hürde. Für den optimistischen Blick nach vorne ist eine aussichtsreiche Perspektive für 2010 vonnöten.

Foto: Scott Maxwell – Fotolia.com

JP Morgan und Intel mit guten Zahlen – Härtetest steht aus

Der Respekt vor den Quartalsberichten ist groß – die Erwartungen sind es auch. Die Börsenindices in Frankfurt und New York stehen vor gewaltigen Hürden. 6000 DAX-Punkte bzw. die 10.000-Linie im Dow Jones sind psychologisch wichtige Marken, die vor dem Hintergrund des bisherigen Kursanstiegs kritische Fragen zu der Gewinnsituation der Unternehmen aufwerfen. Ein Blick auf die ersten Quartalsberichte lässt auf der Habenseite Intel und JP Morgan erkennen – beide mit einem Zahlenwerk, das über den Erwartungen der Analysten lag. Auch BASF, die überraschend schon letzte Woche ihre Quartalszahlen vorlegte, überzeugte mit eine Ergebnisplus von 9,5% gegenüber dem Vorquartal. Aber es gab auch reichlich Störfeuer. Die namhafte Bankanalystin Meredith Whitney stufte ausgerechnet das Flaggschiff der US-Finanzbranche Goldman Sachs im Vorfeld der Bekanntgabe der Quartalszahlen zurück. Der Pharmariese Johnson & Johnson patzte im dritten Quartal beim Umsatz und peppte den Gewinn nur mit Kostensenkungen auf. Ganz ähnlich erging es dem niederländischen Philips Konzern, der durch straffes Kostenmanagement glänzen konnte, ansonsten aber im vierten Quartal in Folge zweistellig schrumpfte. Und auch mit der Stimmung der Finanzmarktprofis war es letzte Woche nicht weit her. Der viel beachtete ZEW-Index trübte sich im Oktober überraschend ein. Die erste Berichtswoche ist traditionsgemäß eine gute Woche. Mit Zahlen von Intel, JP Morgan und – noch ausstehend – Goldman Sachs eröffnen die verlässlichen Gewinnbringer den Reigen. Danach dürfte der Weg wesentlich steiniger werden.

Kommende Woche aus der Perspektive der Analysten

Der Deckel bei 5750 Punkten wurde weggesprengt und der Weg Richtung 6000 DAX-Punkte ist frei – das meinen zumindest die Charttechniker. Die Analysten von Ellwanger & Geiger sehen das Zeitfenster für die Pessimisten unterdessen kleiner werden. Die Stuttgarter bauen auf die traditionelle Weihnachtsrallye, die in der Tat kaum mehr Platz ließe für größere Kursrückschläge. So der Jahresendspurt denn kommt. Die Experten von der Weberbank glauben nicht so recht daran. Sie führen an, dass sich die Gewinnsituation der Unternehmen mehrheitlich durch Kostensenkungsmaßnahmen verbessert hat – ein Einmaleffekt, während das Umsatzwachstum auf sich warten ließe. Diesen feinen Unterschied will die Hessische Landesbank indes nicht ziehen. Sie hält den positiven Trend bei den Quartalsberichten für nachhaltig und zeigt sich für den restlichen Jahresverlauf optimistisch. Auch die Unicredit erwartet das Ende des Aufwärtstrends erst in der ersten Jahreshälfte 2010. Und wenngleich diese Meinung nicht alle Experten teilen, so sind doch viele der Ansicht, dass allein der geringe Zinssatz für sichere Anlagen die Anleger weiter auf das Börsenparkett locken dürfte.

Musterdepot und Strategie

Die vermutlich letzte Put-Position wird nun in dem Konsumwert Henkel aufgebaut. Der Schein der Citigroup (WKN CG74WA) läuft bis Dezember, die Bezugsbasis liegt mit 30 Euro ca. 1,30 Euro unter dem aktuellen Geschehen. DAX am 15. Oktober (11.45): 5855 Punkte..

Aus der Sicht des Querdenkers

Nun hat man den DAX doch noch bis auf Sichtweite der 6000er Marke gebracht und den Dow Jones – zumindest kurzzeitig – über die 10.000er Marke gehievt. Dass dieser Erfolg weniger den Unternehmensgewinnen zuzuschreiben, sondern viel mehr dem billigen Geld der Notenbanken zu verdanken ist, wird dabei von den meisten Marktteilnehmern unumwunden zugestanden. Doch Vorsicht: Wenn etwa der Dow Jones nicht hinter der 10.000er Hürde gleich wieder zusammenbrechen soll, brauchen die Optimisten weiter gutes Zahlenwerk und vor allem eine Perspektive für 2010. Die "kritischen" Unternehmen legen erst ab nächster Woche ihre Zahlen offen. Und die Kernfrage lautet nach wie vor: Wieso sollen im Detail die Unternehmensergebnisse einen strammen Wachstumspfad in 2010 vorgeben, wenn die überwiegende Zahl der Volkswirte für die Gesamtwirtschaft von einer sehr zaghaften Erholungsphase ausgeht?
Und das ist nicht die einzige Ungereimtheit in dieser Hausse. Warum haben die europäischen Unternehmenslenker vor wenigen Jahren bei einem Euro bei 1,30 Dollar noch Zeter und Mordio gerufen und den Export nah am Abgrund vermutet, während heute bei 1,50 kein Mensch mehr auch nur ein Wort darüber verliert? Und was ist mit dem Gold, das auch noch jenseits der 1000 Dollar-Marke munter weiter klettert? Diese Lehre mussten die Märkte bereits letztes Jahr ziehen: Auf mittlere Sicht werden entweder nur die Goldspekulanten oder die Akteure am Börsenparkett recht behalten. In 2008 haben die Käufer des Krisenmetalls das Rennen klar für sich entschieden.
Und wie sieht es mit der Cashquote aus? Nach einer Umfrage unter Fondsmanagern des Investmenthauses Merrill Lynch liegt nun der Cash-Bestand der Investoren auf einem 5-Jahrestief. Das Hauptargument der Bullen, es würde noch so viel Bares an den Seitenlinien lauern, zieht also nicht mehr. So wird man sich also, nach alter Manier, wohl oder übel mit den Fundamentaldaten auseinandersetzen müssen. Vor allem die US-Unternehmen haben mit dem kräftigen Abbau ihrer Personalkosten das überschüssige "Fett" abgetrennt. Manche dürften sich dabei sogar in Knochen oder Muskeln geschnitten haben.
So oder so – dieser Erfolg ist nicht wiederholbar. Aber wo bleibt das organische Wachstum? Es wäre kein Wunder, wenn die Zeiten der "besonnenen Kursrückgänge" vorbei sind und diese nicht mehr von den Institutionellen bedenkenlos zum Wiedereinstieg genutzt werden. Schließlich sollten die Fondsmanager das Alter, in dem man noch bedingungslos an das Christkind glaubt, eigentlich schon überwunden haben.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.
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Die Angaben zu Aktienkäufen im Musterdepot und im Artikel sind nur fiktiv zu verstehen, es handelt sich dabei keinesfalls um Kaufempfehlungen.

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