Wirtschaft

DAX: Frühlingsgefühle auf Eis gelegt

Ausbruchsversuch beim DAX scheitert / Wall Street misstrauisch gegenüber Rettungspaket

(hps). Gewinneinbrüche, Massenentlassungen und ein Rettungspaket, das auf immer mehr Skepsis stößt. Vor diesem Hintergrund war es schon bemerkenswert, wie lange sich der DAX gegen die schlechte Nachrichtenlage stemmen konnte. Die Mär von der Abkoppelung des Frankfurter Parketts vom großen Bruder in New York machte bereits die Runde, da sind die Optimisten aufgewacht.

Die aktuelle Marktlage

Geht man nach dem Ifo-Geschäftsklimaindex, sehen deutsche Unternehmen bereits wieder Licht am Ende des Tunnels – die Zahl der Schwarzseher wächst offensichtlich nicht mehr. Auch die Einkäufer der amerikanischen Industrie sind nicht mehr ganz so pessimistisch wie noch im Dezember. Und das Parkett – zumindest in Frankfurt – glaubte anfangs noch an diesen konjunkturellen Hoffnungsfunken.

Zyklische Werte, allen voran die Stahlaktien, eilten unerschrocken voraus. Zudem präsentierte sich der DAX seit Längerem relativ zum Dow Jones recht widerstandsfähig, als wolle sich das deutsche Aktienbarometer die nächste Kursdelle ersparen und dafür gleich zwei Gänge höher schalten. Aber mit solchen Unabhängigkeitsbestrebungen war es beim DAX nie weit her. Inzwischen machen sich am Frankfurter Parkett die Konjunktursorgen und die generellen Zweifel am amerikanischen Rettungspaket wieder breit. Ein neuer Test der 4000er Linie beim DAX steht an.

Aus der Perspektive der Analysten

Zu den Optimisten zählen Ellwanger & Geiger, die bei 4000 Punkten einen tragfähigen Boden erkennen wollen und den DAX zur Jahresmitte bei 5500 Punkten sehen. Die Stuttgarter fühlen sich insbesondere durch die Widerstandsfähigkeit der deutschen Aktien ermutigt. Die DZ-Bank sieht bei 3800 DAX-Punkten das Tief erreicht.

Unverändert im Bärenlager bleiben die Experten der Landesbank Berlin (LBB). Sie sehen die Tiefstände beim DAX noch lange nicht erreicht.

Investmentfonds legen Jahresabschluss vor

Laut der jüngsten Statistik des Bundesverbandes für Investment und Asset Management (BVI) schlossen Aktienfonds 2008 als das schlechteste Jahr der Investmentgeschichte in Deutschland ab. Aktienfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland und Europa lagen im vergangenen Jahr bei einem Minus von ungefähr 44 Prozent. Selbst auf Sicht der vorangegangenen zehn Jahre erwirtschafteten die Fonds ein Minus von jährlich einem Prozent im Durchschnitt. Lediglich die Investition in europäischen Anleihen trösteten den Anleger im letzten Jahr mit einem soliden Inflationsausgleich von 3,6 Prozent.

Noch besser und einfacher hätte sich das Geld allerdings auf dem Festgeldkonto vermehren lassen. Die Investmentbranche möchte jetzt ihrer Sinnkrise mit Kostensenkungsmaßnahmen begegnen.

Musterdepot und Strategie

Vermutlich ist man bei den Put-Optionsscheinen von RWE und Telekom wesentlich besser weggekommen. Aktuell notieren die Scheine bei 0,60 Euro (140 Prozent Plus) und 0,87 Euro (81 Prozent Plus). Das Musterdepot hat die beiden Werte am 12. Februar mit 40 bzw. 58 Prozent Plus ausgebucht. Auch bei den verbliebenen Put-Optionsscheinen von Thyssenkrupp und Lufthansa nähern wir uns dem anvisierten Verkaufslimit. DAX am 19. Februar (13.25 h): 4221 Punkte.

Aus der Sicht des Querdenkers


Der Erholungsversuch der Börse war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Aktienmärkte neigen nicht dazu, sich ganz gemächlich auszupendeln und dabei den vermeintlichen Boden gleich dreifach anzutesten, während die Weltwirtschaft in Flammen steht. Für eine vielversprechende Gegenbewegung muss sich vorher eine Ausverkaufsstimmung breit machen. Die Kurse müssen überzogen billig werden. Das ist bislang nicht der Fall.

Wenn der DAX die 4000er Marke reißt, dann sicher nicht, um diese magische Zahl nur um marginale 100 Punkte zu unterschreiten. An diese Linie dürften viele Stopp-loss Aufträge geknüpft sein, so dass sich der Abwärtstrend nach dem Durchbruch nochmals beschleunigen dürfte. Vorher ist ein Engagement am Aktienmarkt kein Thema – danach aber wird es umso interessanter. Es könnte sogar ein erfolgreiches Aktienjahr werden.

Fundamental lässt sich dabei anführen, dass die Idee, das globale Wirtschaftswachstum mit einem bunten Flickenteppich von – überwiegend protektionistischen – Maßnahmen anzukurbeln, recht unglücklich ist. Die Wirtschaft soll global wachsen, beim Rettungspaket will aber keiner über seinen Tellerrand hinausblicken. Da werden hierzulande betagte Fahrzeuge gegen kleine Neuwagen eingetauscht, während jenseits des Atlantiks Schulen und Brücken renoviert werden unter der Parole "Buy American". An die Banken will auch keiner so recht ran. Man überschüttet sie mit Geld und bangt dann darum, dass die Institute das viele Geld endlich als Kreditvergabe großzügiger unter die Investoren bringen. Die Institute gehören verstaatlicht und zu einem späteren Zeitpunkt reprivatisiert – und zwar als koordinierte Aktien in Europa und den USA. Schließlich steht und fällt der Erfolg aller Rettungspakete mit der Wiederbelebung des Liquiditätsflusses unter den Banken. Und genau dieser Teil funktioniert nach wie vor nicht. Aber zielführende Maßnahmen sind der Politiker Sache nicht. Und auch der Anleger geht da lieber mit dem US-Notenbankchef auf Kuscheltour. Herr Bernanke sieht ja für die USA bereits für 2011 schon wieder ein Wachstum zwischen 3,6 und 5 Prozent. Bis vor Kurzem sprach er noch von der schwersten Weltwirtschaftkrise seit den 30ern


Peter Spermann


Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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