Interpharm 2009

Multimorbidität und Multimedikation im Alter: ein Dilemma?

Ein über 65-jähriger älterer Patient nimmt im Durchschnitt sieben, in Einzelfällen mehr als doppelt so viele Medikamente ein. Nach welchen Kriterien können diese Verschreibungen beurteilt werden und auf welche altersbedingten physiologischen Besonderheiten ist zu achten, um eine medizinisch sinnvolle und für den Patienten praktikable Arzneimittelverordnung zu gestalten?
Michael Höckel

Ein erster Schritt ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Arzt und Pharmazeut beim Erstellen des Medikationsplans. Wie das in der Praxis aussehen kann, erläuterten Dr. Joachim Schümmelfeder, Eisenach, und Michael Höckel, Eisenach.

Zur Therapie zahlreicher Erkrankungen stehen Leitlinien zur Verfügung, die auf evidenzbasierten Aussagen beruhen. Doch diese Leitlinien berücksichtigen in der Regel nicht die Situation des älteren multimorbiden Patienten und sind für alte Menschen nur bedingt anwendbar. Um für diese Patienten eine sinnvolle Pharmakotherapie zu erstellen, müssen im Vorfeld folgende Fragen geklärt werden:

  • Welche Leistungsfähigkeit besitzt der Patient?
  • In welchem Ausmaß ist die im Alter nachlassende Organfunktion zusätzlich eingeschränkt?
  • Welches ist das größte gesundheitliche Problem des Patienten?
  • Liegen Defizite im Flüssigkeits- und Ernährungshaushalt vor?
  • Welche Medikamente nimmt der Patient zusätzlich im Rahmen der Selbstmedikation ein?
  • Wie kann eine regelmäßige Medikation gewährleistet werden?
  • Welche Arzneimittel haben bei älteren Patienten ein erhöhtes Risiko?

Auswahl eines Arzneimittels

Praxisrelevante Parameter bei der Auswahl eines Medikaments für ältere Patienten
Wirkstoffbezogen
  • CYP-Typ des Wirkstoffs
  • Nebenwirkungen
  • Wechselwirkungen
  • Aufnahme
  • Dosierung
  • Proteinbindung
  • Verteilungsvolumen
Patientenbezogen
  • Nierenfunktion (glomuläre Filtrationsrate)
  • Komorbiditären

Auswahl geeigneter Arzneimittel

Bei der Frage, ob ein Wirkstoff beim älteren Patienten eingesetzt werden kann, müssen mehrere pharmakokinetische und stoffbezogene Parameter berücksichtigt werden. Ein praxisbewährtes Vorgehen besteht in der tabellarischen Auflistung der einzusetzenden Wirkstoffe nach den benannten Punkten. So wird auf einen Blick sichtbar, wie die ausgewählten Wirkstoffe verstoffwechselt werden und ob mögliche Nebenwirkungen addiert oder potenziert werden. Zugleich zeigt ein Blick auf Proteinbindung, Verteilungsvolumen und Nierenfunktion, ob der Wirkstoff auch bei einer im Alter veränderten Pharmakokinetik eingesetzt werden kann. Da in der Regel zwischen mehreren Vertretern einer Wirkstoffgruppe ausgewählt werden kann, wie das etwa bei Betablockern, Statinen oder ACE-Hemmern der Fall ist, kann durch eine kluge Auswahl das Risiko unerwünschter Wirkungen herabgesetzt werden. Diese auf die individuelle Patientensituation zugeschneiderte Wahl der Medikamente kann unter Umständen von den Empfehlungen der Leitlinien abweichen.

Zusätzlich sind folgende Punkte zu beachten:

  • Ansprechbarkeit auf ein Medikament ist im Alter verstärkt, daher "start slow, go slow"
  • bevorzugt Medikamente mit großem Verteilungsvolumen einsetzen
  • nach Möglichkeit Wirkstoffe auswählen, die über unterschiedliche CYP-Iso-Enzyme metabolisiert werden
  • Selbstmedikation beachten
  • Vorsicht bei neu hinzukommenden Erkrankungen
  • Notwendigkeit einer Dauermedikation regelmäßig überprüfen
  • biologisches Alter und soziales Umfeld des Patienten berücksichtigen.
    pj

Auswahl eines Arzneimittels

Praxisrelevante Parameter bei der Auswahl eines Medikaments für ältere Patienten
Wirkstoffbezogen
  • CYP-Typ des Wirkstoffs
  • Nebenwirkungen
  • Wechselwirkungen
  • Aufnahme
  • Dosierung
  • Proteinbindung
  • Verteilungsvolumen
Patientenbezogen
  • Nierenfunktion (glomuläre Filtrationsrate)
  • Komorbiditären

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