Interpharm 2009

Von Verteilungsproblemen und Barrieren

Augenarzneimittel sind eine biopharmazeutische Herausforderung. Sie müssen zum einen die augenspezifischen Barrieren überschreiten, sollen aber auf der anderen Seite nach Möglichkeit keine systemischen Wirkungen hervorrufen. Wie Augenarzneimittel den Anforderungen gerecht werden können, erläuterte Prof. Dr. Werner Weitschies vom Institut für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie der Universität Greifswald.
Prof. Dr. Werner Weitschies

Welche Anforderungen ein Augenarzneimittel erfüllen muss, wird vor allem davon bestimmt, ob es zur Therapie einer periokularen oder intraokularen Erkrankung dienen soll Zu den periokularen Erkrankungen zählen Lid-, Bindehaut- und Hornhautentzündungen sowie das Trachom, eine Infektion mit Chlamydia trachomonatis. Wichtige intraokulare Erkrankungen sind das Glaukom, Retinopathien und Netzhautentzündungen.

Periokulare Erkrankungen sind die Domäne der topischen Therapie und damit die der Augentropfen, -gele und -salben.

Tränenfilm legt Rahmenbedingungen fest

Augentropfen müssen an die Besonderheiten des Tränenfilms angepasst werden. Der Tränenfilm besteht aus einer wässrigen Schicht, die zum Hornhautepithel hin durch eine Mucinschicht und nach außen durch eine Lipidschicht begrenzt ist. Er umfasst ein Volumen von 7 Mikrolitern und wird mit einer Geschwindigkeit von etwa 1 Mikroliter pro Minute nur sehr langsam erneuert. Sein ph-Wert liegt zwischen 7,2 und 7,8, der osmotische Druck bei etwa 300 mOsmol/kg. Die Anforderungen an Augentropfen ergeben sich aus diesen Rahmenbedingungen: Sie müssen in ihrer Tonizität dem osmotischen Druck des Auges angepasst werden. Dabei ist zu beachten, dass hypertone Augentropfen besser vertragen werden als hypotone, basische besser als saure. Für eine optimale Verteilung im Tränenfilm wäre ein Tropfenvolumen von 8 Mikrolitern optimal. Doch hier beginnen schon die Probleme. Denn das Dispersionsmedium für Augentropfen ist in der Regel Wasser. Die Tropfengröße wird durch die Oberflächenspannung bestimmt. Ein Normtropfen Wasser hat ein Volumen von 50 Mikrolitern, das mit Hilfsmitteln geringfügig auf etwa 35 bis 40 Mikroliter zu reduzieren ist. Neben Formulierungen, Materialen und Packmitteln beeinflusst der Abtropfwinkel ganz entscheidend die Tropfengröße und damit die Verweildauer der Augentropfen im Auge.

Mithilfe der Gamma-Szintigraphie konnte nachgewiesen werden, dass die Kontaktzeit einer isotonen Kochsalzlösung mit dem Auge extrem kurz ist. Nach 30 Sekunden muss damit gerechnet werden, dass sich ein Großteil des Wirkstoffs im Augenwinkel gesammelt hat, nach 2 min wird er nahezu vollständig über den Tränennasengang abgelaufen sein. Nur etwa 5 bis 10% wird nach 30 Sekunden die Hornhaut erreichen.

Den Abfluss verhindern

Damit wird klar, wie wichtig die richtige Anwendung der Augentropfen ist. Durch Zudrücken des Tränennasengangs von 1 bis 2 min lässt sich das Abfließen verzögern. Mehr Wirkstoff kann ins Auge gelangen und weniger Wirkstoff erreicht das Resorptionsorgan Nasenschleimhaut. Damit sinkt die Gefahr für systemische Nebenwirkungen.

Problem systemischeNebenwirkungen

Das Beispiel Betablocker verdeutlicht die Problematik systemischer Nebenwirkungen von Augenarzneimitteln: So können Betablocker-haltige Augentropfen zu kardialen Nebenwirkungen wie Bradykardien und Synkopen führen und die Sturzgefahr gerade bei alten Menschen erhöhen. Im März 2007 hatte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft auf dieses Problem in Zusammenhang mit der Anwendung von Timolol-haltigen Augentropfen hingewiesen.

Wie die Verweilzeit verlängert werden kann

Durch Viskositätserhöhung lässt sich die Verweildauer von Augentropfen am Auge erhöhen. Mit Hilfsstoffen wie Methylcellulose, Hydroxyethylcellulose oder Carboxymethylcellulose gelingt es, die Zeit bis zur Drainage zu verlängern. Durch die höhere Verweilzeit am Auge kann so auch die Wirkstoffkonzentration verringert werden, was wiederum die Gefahr systemischer Nebenwirkungen reduziert.

Die Verweildauer am Auge lässt sich auch mit Hilfe von Suspensionen und Gelen verlängern. Suspensionen müssen gut geschüttelt werden, um eine optimale Verteilung des mikronisierten Wirkstoffs zu erreichen. Durch Hilfsstoffe wird verhindert, dass sich Agglomerate bilden. Bei Temperaturschwankungen, so beispielsweise bei Lagerung im Bad, besteht die Gefahr, dass der Wirkstoff angelöst wird und rekristallisiert. Daher ist auf eine Lagerung bei gleichbleibender Temperatur zu achten.

Dass mit Suspensionen die Verweilzeit stark verlängert werden kann, haben Versuche mit Perfluorpartikel-haltigen Suspensionen, die extrem lipophil sind, gezeigt. Selbst nach 150 min hatte noch keine Drainage stattgefungen. Große Verträglichkeitsprobleme stehen jedoch einer Markteinführung bislang entgegen.

Konservierungsmittelirritieren

Konservierungsmittel sollen eine Kontamination von Augenarzneimitteln bei der Anwendung verhindern. Doch sie destabilisieren den Tränenfilm, führen zu Irritationen und Überempfindlichkeitsreaktionen. Darüber hinaus können sie die Hornhaut schädigen. Daher sind konservierungsfreie Augenarzneimittel vorzuziehen.

Hocheffiziente Barrieren

Topisch applizierte Arzneistoffe gelangen nur zu einem sehr geringen Anteil ins Augeninnere, da ihnen unter anderem die Barriere Hornhaut im Weg steht. Ein Wirkstoff diffundiert am besten bei einem logP zwischen 1 und 2 durch das lipophile Epithel und das hydrophile Stroma (P = KOW = Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient) der Hornhaut. In der Regel ist der logD zu beachten, der die ph-Abhängigkeit der Wirkstoffverteilung in der wässrigen Phase berücksichtigt.

Auch die Lederhaut und die Retina sind nur schwer zu durchdringen ist und daher für eine Applikation von Wirkstoffen, die ins Augeninnere gelangen sollen, schlecht geeignet.

Corticoid-haltige Implantate

Zur intraokularen Behandlung muss man daher den Wirkstoff injizieren. Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung eines Implantats. So steht zur Behandlung der chronischen, nicht-infektiösen Uveitis des hinteren Augenabschnitts in den USA ein Fluocinolonacetonid-Implantat (Retisert) zur Verfügung. Es setzt, eingebettet in den Glaskörper, über drei Jahre kontinuierlich seinen Wirkstoff frei. Weitere Corticoid-haltige Implantate befinden sich in der Entwicklung. Generell ist zu bedenken, dass der Glaskörper nicht homogen ist und sich im Alter durch Umbauvorgänge verändert. So nimmt der Gelanteil im Alter ab, der Wasseranteil zu. Das erschwert die Beurteilung der Wirkstoffverteilung im Glaskörper.
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Verteilungskampf Je länger die Verweilzeit am Auge, umso größer ist der zurückgehaltene Wirkstoff. Die Verweilzeit steigt mit zunehmender Viskosität der Zubereitung.

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