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Plädoyer für den "Apotheker in seiner Apotheke"
Meyer: Ich beglückwünsche die deutschen Apotheker und die ABDA zu diesem Sieg auf der ganzen Linie. Das ist nicht nur ein guter Tag für Patienten und Verbraucher, sondern auch für Europa: denn was das Saarland mutwillig riskiert hat, nämlich eine weitere Entmachtung der nationalen Gesundheitspolitik zugunsten einer bürgerfernen Zentralisierung, wurde vom EuGH im Sinne der Subsidiarität in die Schranken verwiesen. Das riskante "Spiel über die Brüsseler Bande" ist damit grandios gescheitert.
DAZ Viele, insbesondere diejenigen, die den Einflüsterungen der Ketten-Lobby erlegen sind, scheint das Urteil ja sehr überrascht zu haben. Sie auch?Meyer: Nein, keineswegs, denn die jetzt vom EuGH bestätigten Argumente für das Fremdbesitzverbot bei Apotheken und für die nationale Regelungskompetenz im Gesundheitswesen habe ich seit Langem vertreten. Überrascht können nur diejenigen sein, die "das Fell des Bären" bereits vor der Entscheidung verteilen wollten. Aber erleichtert bin ich schon, denn der Ausgang des Verfahrens war bis zum Schluss völlig offen. Immerhin ist der Gerichtshof stets für eine Überraschung gut.
DAZ Erleichtert sind wir, glaube ich, alle. Was sind für Sie die zentralen Aussagen der Entscheidung?Meyer: Das höchste europäische Gericht bestätigt auf beeindruckende Weise das Leitbild des deutschen Gesetzgebers vom "Apotheker in seiner Apotheke", das dem Fremd- und Mehrbesitzverbot des Bundesapothekengesetzes zugrunde liegt und vom Bundesverfassungsgericht am 13. Februar 1964 für verfassungsgemäß erklärt wurde.
DAZ Ist es angemessen, von einem Grundsatzurteil zu sprechen?Meyer: Die Bedeutung des Urteils kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zum einen setzt sich der Gerichtshof mit allen bekannten Einwänden gegen das Fremdbesitzverbot auseinander, zum Beispiel, dass es nicht zum Schutze der Gesundheit geeignet oder erforderlich sei, und widerlegt diese unter anderem mit dem Argument, dass das private Interesse des Apothekeninhabers an Gewinnerzielung durch seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und die ihm obliegende Verantwortung gezügelt wird. Ein etwaiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder berufsrechtliche Regeln erschüttert nämlich nicht nur den Wert seiner Investition, sondern auch seine eigene berufliche Existenz. Das ist auch für eine künftige innerstaatliche Debatte über die Rolle der Apotheken wichtig. Zum zweiten gesteht er den Mitgliedstaaten die Befugnis zum präventiven Gesundheitsschutz zu, d. h. mögliche Gefahren müssen nicht schon eingetreten sein, bevor Abwehrmaßnahmen erlaubt sind. Und schließlich bestätigt er die Kohärenz des deutschen Apothekensystems.
DAZ Das Gericht spricht davon, dass das Ziel des Gesundheitsschutzes mit dem apothekenrechtlichen Fremdbesitzverbot in "kohärenter und systematischer Weise" erreicht wird. Was ist darunter genau zu verstehen?Meyer: Kohärenz bedeutet hier Widerspruchsfreiheit. Die Gegner des Fremdbesitzverbotes haben immer damit argumentiert, das deutsche System sei widersprüchlich, weil es bei den Apothekererben, bei Krankenhaus- und Filialapotheken Ausnahmen vom Leitbild des "Apothekers in seiner Apotheke" zulasse. Dem hält der EuGH entgegen, dass Krankenhausapotheken nicht die Arzneimittelversorgung von Personen außerhalb dieser Krankenhäuser sicherstellen und Filialapotheken unter der persönlichen Verantwortung des betreibenden Apothekers stehen. Dass diese Filialen in einem bestimmten räumlichen Umkreis liegen müssen, gewährleiste eine hinreichende Anwesenheit des betreibenden Apothekers in den Filialen und deren tatsächliche Überwachung durch diesen. Deswegen sind diese Ausnahmen laut EuGH sachlich begründet und machen das System ausdrücklich nicht inkohärent.
DAZ Ist damit auch das Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen das deutsche Mehrbesitzverbot vom Tisch?Meyer: Rein formal handelt es sich bei diesem Verfahren, wie auch bei den anhängigen Verfahren gegen Österreich, Frankreich und Spanien, um eigenständige Prozesse. Aber die Europäische Kommission wäre gut beraten, wenn sie ihre Niederlage akzeptieren und alle Klagen gegen die Apothekensysteme der Mitgliedstaaten zurücknehmen würde. Immerhin hat das oberste europäische Gericht das deutsche Mehrbesitzverbot – trotz seiner Relativierung durch die begrenzte Zulassung vom Filialapotheken – ausdrücklich für im Einklang stehend mit dem ebenfalls für zulässig erklärten Fremdbesitzverbot erklärt. Deutlicher kann die Botschaft an die Kommission kaum sein: zuständig für die Regelung des Apothekenwesens ist nicht sie, zuständig sind die einzelnen Mitgliedstaaten.
DAZ Die Bundesregierung und Ulla Schmidt haben die Luxemburger Entscheidung ausdrücklich begrüßt. Haben Sie jetzt Erwartungen an den deutschen Gesetzgeber?Meyer: Der deutsche Gesetzgeber sollte nun endlich auch die praktische Infragestellung des Fremdbesitzverbotes durch die sog. Pick-up-Stellen beenden und diese schleunigst verbieten. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich die Drogeriemarktketten berufen, hindert den Gesetzgeber nicht daran, die nicht gewollte Rechtslücke zu schließen.
DAZ Dazu haben Sie sich in dieser Zeitung ja schon detailliert Gedanken gemacht …Meyer: Ja, meine konkreten Vorschläge hierzu liegen vor (siehe DAZ Nr. 7/2009, Seite 19 ff.: "Warum Pick-up-Stellen für Arzneimittel in Drogeriemärkten verboten werden müssen"). Sie könnten kurzfristig in die 15. AMG-Novelle aufgenommen werden.
DAZ Herr Professor Meyer, vielen Dank für das Gespräch!
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