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"Die inhabergeführte Apotheke hat Zukunft"
Chatzimarkakis: Ich begrüße das Urteil des EuGH. Inhabergeführte Apotheken tragen entscheidend dazu bei, dass in Deutschland auf hohem, verantwortungsvollem Niveau mit einem sensiblen Gut gehandelt wird. Das Urteil hat auch noch einmal unterstrichen, dass Apothekerinnen und Apotheker keine reinen Kaufleute sind, sondern auch Heilberufler, die für das Gemeinwohl wirken.
DAZ: Sie haben im Vorfeld des Urteils Yves Bot "Befangenheit" vorgeworfen. Warum?Chatzimarkakis: Wenn der zuständige Rechtsgutachter eines Prozesses über die Zukunft des Apothekensystems mit einer Apothekerin verheiratet ist, die ihre Apotheke an die Tochter überschrieben hat, dann ist er meiner Meinung nach nicht mehr in der Lage unparteiisch darüber zu entscheiden und damit befangen. Für mich ist die Unabhängigkeit der Justiz ein absolutes, hohes Gut. Da gibt es für mich keine Kompromisse. Ich bin gespannt, wie die Reaktion gewesen wäre, wenn der EuGH in die andere Richtung entschieden hätte. Folgendes Szenario: der Gutachter hätte gegen das Fremdbesitzverbot entschieden. Gleichzeitig kommt heraus, dass seine Frau bei DocMorris arbeitet. Ich glaube kaum, dass das bei den Verbänden unkommentiert geblieben wäre. Zum Zeitpunkt meiner Einlassung stand aber das Urteil bereits fest, insofern wusste ich, dass ich gar keinen Einfluss mehr nehmen konnte.
DAZ: Kritiker werfen Ihnen vor, ein "Kettenfreund" zu seinChatzimarkakis: Das ist nicht richtig. Inhabergeführte Apotheken sind für mich wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung. Kern des Fremdbesitzverbotes ist zum einen die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln und zum anderen die sichere Abgabe eines Gutes, das nicht wie jedes andere Handelsgut vertrieben werden darf. Das ist über "Ketten" so nicht möglich, weil nach geltendem Recht ein zugelassener Apotheker selbst Inhaber sein muss.
DAZ: Und wie steht es mit Pick-up-Systemen? Halten Sie solche Arzneimittel-Abholstellen für unproblematisch?Chatzimarkakis: Nein! Ich setze mich ganz im Gegenteil dafür ein, dass der Versandhandel sicherer wird, und der "Pick-up-Gedanke" steht nicht gerade für mehr Sicherheit. Der Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland ist seit 2004 erlaubt. Für Versandapotheken gelten dabei dieselben Anforderungen wie für Präsenzapotheken. Bislang konnte der Verbraucher im Internet jedoch nicht erkennen, ob eine Apotheke eine behördliche Erlaubnis zum Versandhandel besitzt. Seit April führt das Deutsche Institut für Medizinische Information und Dokumentation (DIMDI) ein Register, in dem alle lizenzierten Versandapotheken erfasst sind. Eine entsprechende Lösung, verbunden mit einer groß angelegten öffentlichen Kampagne wünsche ich mir auch auf EU-Ebene. Immerhin ist das Internet zu 80 Prozent das Einfallstor für gefälschte Arzneimittel in Europa. Hier müssen wir dringend ansetzen.
DAZ: Welche Zukunft hat die Apotheke für Sie nach dem EuGH-Urteil?Chatzimarkakis: Die Apotheke in Europa befindet sich im Wandel. Der Trend bewegt sich ganz klar von einem "Verkäufer" hin zum kompetenten Gesundheitsberater. Diese Gesundheitsberatung sollte aber auch entsprechend honoriert werden, wie in manchen anderen EU-Staaten, wo das Beratungsgespräch über die Krankenkasse abgerechnet werden kann. Hier steckt ein enormes Potenzial, das Apotheker nutzen sollten! Im Bereich der Prävention können sie viel leisten. Ihr Chefredakteur Peter Ditzel hat das in der letzten Ausgabe selbst auf den Punkt gebracht, wenn er schreibt, dass Apotheken durch ihre Niedrigschwelligkeit des Zugangs nah dran am Patienten sind. Apotheken können unabhängig von Firmeninteressen auf das beste Produkt aufmerksam machen. Inhabergeführte Apotheken werden dem Internethandel und erst recht den "Pick-up-Discountern" immer eine Nasenlänge voraushaben. Qualität wird sich immer durchsetzen. Die inhabergeführte Apotheke hat Zukunft.
DAZ: Erwarten Sie in absehbarer Zukunft eine Revision des Urteils?Chatzimarkakis: Nein, der EuGH ist das oberste Gericht, eine Revision ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil, ich glaube, dass der EuGH mit diesem Urteil sogar eine Kehrtwende macht und mit seiner bisherigen Tradition bricht, zu stark in die einzelstaatlichen Regelungen einzugreifen. Die Richter scheinen verstanden zu haben, dass der Unmut in den EU-Mitgliedstaaten zunimmt, was die zunehmende Regelungsdichte aus Europa angeht. Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise leitet meines Erachtens einen Paradigmenwechsel auf breiter Front ein und der bisher viel gescholtene "Rheinische Kapitalismus", diese typisch deutsche Wirtschaftsordnung mit der Daseinsvorsorge des Bürgers im Mittelpunkt erlebt eine Renaissance. Die inhabergeführte Apotheke gehört auch künftig zur Daseinsvorsorge!
DAZ: Herr Chatzimarkakis, vielen Dank für das Gespräch.
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